Seewölfe - Piraten der Weltmeere 578. Fred McMason. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Fred McMason
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954399857
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hatte inzwischen den Augenblick genutzt und die Kapuze wieder über sein Gesicht gezogen. Er traute sich nicht, einfach davonzulaufen, wie er es im ersten Moment vorgehabt hatte.

      „Gar nichts“, sagte er hastig. „Dem Mann ist nur schlecht geworden. So was kann schon mal passieren.“

      Als sich die Aufmerksamkeit jetzt auf ihn und den Feldscher zu konzentrieren begann, kriegte er jämmerliche Angst und suchte verzweifelt nach einem Ausweg. Auf der Galeere konnte er sich nicht mehr verstecken, zurück konnte er aber auch schlecht, denn da drängten sich unvorstellbare Massen von Pilgern, die ungeduldig schoben und drückten.

      Er war eingekeilt in einer schiebenden, murmelnden und schwitzenden Menge, die wie eine Woge hin und her brandete.

      Einem der Galeerenoffiziere ging es jetzt wohl auch zu langsam, als der Menschenfluß ins Stocken geriet. Mit beiden Ellenbogen bahnte er sich einen Weg durch die Menge, indem er die Pilger hart zur Seite stieß.

      Luigi tauchte zwischen den Mönchen unter und wand sich wie ein Aal durch die vielen wogenden Leiber. Aber die Mönche, selbst verärgert über das Gedränge, schubsten Luigi mit ihren feisten Bäuchen erbarmungslos zurück, bis er wieder vor dem Feldscher landete, der sich jetzt dem Offizier zuwandte und offenbar seine Fassung zurückgewonnen hatte.

      „Was ist denn hier los?“ fragte der Offizier ungehalten. „Warum gerät hier alles ins Stocken? Wir wollen nachmittags auslaufen, und bis dahin müssen alle ihre Plätze eingenommen haben.“

      „Ich weiß, Signore, aber dieser Mann hier ist krank, sehr krank.“

      Er griff erneut nach Luigi, der einen Fluchtweg anpeilte und keinen fand. Wieder fiel die Kapuze.

      „Der hat die Pest!“ brüllte der Offizier voller Panik, kaum daß er einen Blick in das aufgedunsene und bläuliche Gesicht geworfen hatte.

      Der Feldscher war verärgert über den Offizier. Er hatte sich absichtlich bei der Erwähnung der Krankheit zurückgehalten und wollte ganz diskret darauf hinweisen, aber dieser Trottel von einem Offizier geriet sofort in Panik und brüllte es laut in die Welt hinaus.

      Aber er konnte ihn nicht tadeln, denn der Offizier war sein Vorgesetzter, der sich jegliche Einmischung verboten hätte. Außerdem hatte er als Vorgesetzter sowieso immer recht.

      Auf der Galeere wurde es von einem Augenblick zum anderen totenstill. Köpfe fuhren herum, Gesichter starrten mit erschreckten Augen auf den Offizier, der die Hand wie anklagend gegen Luigi erhoben hatte.

      Die Menge der Pilger ähnelte einer Woge, die ganz plötzlich zu Stein erstarrt war.

      Das dauerte jedoch nur einige Augenblicke, dann begann sich schlagartig alles zu ändern.

      Der Kapitän unter dem Baldachin des Achterdecks und weitere in bunte Uniformen gekleidete Gestalten ruckten wie Marionetten herum, deren Fäden wieder bewegt wurden.

      Durch die Menge ging ein Raunen, dann ein heftiges Murmeln und endlich ein erschreckter Schrei.

      Die Pest!

      Einen schlimmeren Ausruf konnte es nicht mehr geben. Das Wort fuhr den Pilgern wie ein glühendes Messer in die Knochen, veränderte ihre Gesichter, ließ sie panikartig zusammenfahren.

      Die Mönche bewegten sich aufgeregt, während ein paar andere, die noch auf der riesigen Stelling standen, sich sofort umdrehten und an Land flüchteten, als sei der Satan hinter ihnen her.

      Luigi, dem der Feldscher die Kapuze herabgerissen hatte, stand ganz allein an Deck. Eine rücksichtslose Menge schlug um sich und entfernte sich von dem Pestkranken, um nur ja schnell aus dessen gefährlicher und lebensbedrohender Nähe zu gelangen.

      Da stand Luigi Batiste mit seinem bläulich verfärbten, aufgedunsenen und schrecklich anzusehenden Gesicht, allein, ganz plötzlich isoliert von den anderen, die ihn eben noch wie eine schützende Mauer umgeben hatten.

      Jetzt waren sie alle seine Feinde, Todfeinde, denn er war ein Aussätziger, einer, der den anderen auch den Tod brachte.

      Rücksichtsloses Gedränge begann. Jeder wollte die Galeere so schnell wie möglich verlassen. Vielleicht hatte der Kerl die anderen ja noch nicht angesteckt, und so bestand einige Hoffnung, doch noch rechtzeitig zu entwischen.

      Der Offizier schrie den Feldscher an. Der Feldscher schrie zurück, und dann wurden beide in dem Gedränge fast überrannt, und ihr Geschrei ging im wilden Gebrüll derer unter, die jetzt Angst hatten, ebenfalls die Pest zu kriegen.

      Die Gruppe der Mönche begann sich um den Rückzug zu prügeln.

      Der Offizier fuchtelte mit den Armen herum.

      „Schießt ihn ab, den Bastard!“ brüllte er. „Bringt ihn um, sonst kriegen wir alle die Pest!“

      Aber da war niemand, der schießen konnte, denn das Gedränge war viel zu groß.

      Luigi rannte los, den Mönchen nach. Er hatte wahnsinnige Angst, denn Wut und Haß, Angst und Feigheit war um ihn herum, Getrampel, Geschiebe und Gedränge. Dazwischen lautes Lamentieren.

      Zwei Mönche behinderten sich auf der Stelling, so daß sie aufeinanderprallten, das Gleichgewicht verloren und ins Wasser fielen. Mit einem lauten Aufklatschen und wildem Geschrei landeten sie dicht neben der Galeere im Wasser und brüllten um Hilfe.

      Niemand kümmerte sich um sie.

      Die ersten, die die Stelling überwunden hatten, rannten einfach los. Es war ihnen egal, wohin Sie rannten, sie wollten nur weg und so viele Meilen wie möglich zwischen sich und den Pestkranken bringen.

      Es war erstaunlich, in welch kurzer Zeit sich der Vorfall am Hafen herumsprach, und es war noch erstaunlicher, wie die Stadtgarde darauf reagierte.

      Als das Gebrüll von dem Ausbruch der Pest bis zur Piazza hinüberhallte, war bereits ein Trupp Bewaffneter unterwegs.

      Die Flüchtenden wurden brutal zurückgetrieben. Die Stadtgardisten droschen ihnen die Kolben der Musketen ins Kreuz und jagten sie in Richtung der Galeere.

      Ein zweiter Trupp erschien und riegelte innerhalb kurzer Zeit den Liegeplatz der Galeere ab. Gleich darauf erschien noch ein dritter Trupp Stadtgardisten. Sie hielten Pistolen in den Fäusten.

      „Alle zurück auf die Galeere!“ schrie ein schlanker Mann in der Uniform eines Hauptmanns. „Wer nicht gehorcht und augenblicklich zurückkehrt, wird erschossen!“

      Ein paar Warnschüsse bewirkten, daß die Flüchtenden wie angenagelt stehenblieben und unschlüssig wurden. Sofort drängten die Gardisten nach, hieben auf die Pilger ein und drängten sie ab, damit sie die Seitenstraßen nicht mehr erreichen konnten.

      Die ersten Pilger stolperten schreckensbleich über die Stelling.

      Kapitän und Offiziere stellten sich den Gardisten entgegen. Der Galeerenkapitän, ein temperamentvoller schwarzhaariger Mann, fuchtelte mit den Armen in der Luft herum und versuchte, sich Gehör zu verschaffen.

      „Zurück an Bord!“ befahl der Hauptmann. „Keiner verläßt das Schiff. Wer es doch tut, widersetzt sich der Anordnung. Ich habe Befehl, sofort das Feuer zu eröffnen.“

      „Aber ich bin der Kapitän!“ schrie der Mann. „Ich dulde keine Pestkranken an Bord. Nehmt den Kerl mit, er muß sich noch irgendwo an Bord aufhalten.“

      „Niemand verläßt das Schiff“, wiederholte der Hauptmann scharf. „Sobald alle Pilger an Bord sind, werden Sie auslaufen.“

      „Ich denke nicht daran, mit einem Pestkranken an Bord auszulaufen!“ schrie der Kapitän. „Das ist mein Schiff, und ich bestimme …“

      Der Hauptmann richtete seine Pistole auf ihn.

      „Mein letztes Wort“, sagte er kalt. „Sie laufen sofort aus, sobald der letzte Mann an Bord ist, oder die Galeere braucht einen neuen Kapitän.“

      Unter lautem Geschrei würden die Pilger an Bord geknüppelt. Der Kapitän mußte gehorchen, ihm blieb keine andere