Seewölfe Paket 9. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954394982
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was hatte dann das Geräusch zu bedeuten?

      Mit angehaltenem Atem lauschten sie.

      „Anscheinend ist doch niemand an Bord“, sagte der Seewolf.

      Carberrys Gesicht hatte sich verschlossen, nur seine Augen blickten äußerst mißtrauisch drein. Er traute diesem Höllenkahn nicht und dachte an O’Flynns Unkereien. Sollte der Alte wieder einmal recht behalten?

      Jetzt hatten sie die fremde Karakke einmal umrundet und befanden sich wieder am Ausgangspunkt. Nirgendwo hing ein Tau oder eine Jakobsleiter herunter.

      „Wir gehen an Bord und sehen uns um“, entschied Hasard. „Einer bleibt zur Sicherheit im Boot.“

      Sie sahen sich an, und Dan nickte.

      „Gut, ich bleibe. Ferris als Zimmermann muß sowieso mit, und der Profos als Zuchtmeister gehört einfach dazu, er hat ja immer den Vortritt.“

      „Nun, nun“, sagte Ed gönnerhaft. „Ich kann ja auch ausnahmsweise einmal im Boot bleiben, da will ich gar nicht auf meine Rechte pochen. Ob ich den verlausten Kahn nun von innen sehe oder nicht, wird ja nicht viel ändern.“

      Aber Dan blieb grinsend dabei und betrachtete das lange Gesicht, das der Profos zog. Ed schien sich ausgesprochen unbehaglich zu fühlen, denn für Segler dieser Art hatte der gute Profos nicht sehr viel übrig.

      Hasard hatte einen langes Tau mit einem Enterhaken mitgenommen und warf es über das Schanzkleid, wo es sich sofort verhakte.

      Er prüfte die Zugfestigkeit und kletterte nach oben. Ihm folgten Tucker und der Profos, den trotz der Wärme ein bißchen fror.

      Carberry war ganz gewiß keine ängstliche Natur, das konnte ihm jeder bestätigen, der ihn beim Kämpfen gesehen hatte. Aber er hatte eine Abneigung gegen mitternächtliche Friedhöfe und verlassene Schiffe, auf denen es nicht geheuer war. Dagegen vermochte er sich mit seinen gewaltigen Körperkräften nicht zu wehren. Das war etwas, das man nicht greifen oder packen konnte, das waren Mächte, gegen die man nicht ankam.

      Sie standen mit den Pistolen in den Fäusten an Deck und sahen sich um, während Dan unten das Boot vertäute.

      Der erste Eindruck war beklemmend.

      Die Karacke sah aus, als läge sie schon seit Ewigkeiten hier fest. Das Deck war schon lange nicht mehr gesäubert worden und hatte grünlichen und weißen Schimmel angesetzt, der es wie eine dünne Haut bedeckte. Ein paar Fetzen, brüchig und morsch, die von den Segeln stammten, lagen an Deck und vermoderten.

      Vom hinteren Mast fehlte ein großes Stück, und auch dort lagen vergammelte Leinwandfetzen auf den grünlich schimmernden Planken.

      Hasard sah sich argwöhnisch nach allen Seiten um. Noch immer hatte er das merkwürdige Geräusch im Ohr, das wie ein dumpfes Poltern geklungen hatte.

      Er blickte nach vorn. Die Schotten waren geschlossen, auch das der Kombüse, und auf dem Vordeck regte sich nichts.

      Auf der Kuhl war das Bild das gleiche. Angemodertes Tauwerk lag herum, ein paar Planken hatten sich aufgewölbt, waren aber nicht zersplittert. Es herrschte leichte Unordnung, als wäre jahrelang nichts mehr getan worden.

      Drei leere, aufgeschlagene Fässer lagen herum. Was sie enthalten hatten, ließ sich nicht mehr feststellen.

      Was, so fragte sich der Seewolf, würden sie in den Räumen wohl vorfinden? Skelettierte Leichen wie damals? Ein paar Tote, die in ihren Kojen lagen?

      Nein, so sah es nicht aus. An Deck selbst fand sich nicht der geringste Hinweis, daß es hier Tote gab.

      „Der Kahn ist allem Anschein nach verlassen worden“, sagte der Seewolf, „und das schon seit einigen Jahren.“

      Tucker hatte an den Planken herumgekratzt, ein wenig mit der scharfen Seite der Axt gestochert und schüttelte den Kopf.

      „Das sieht nur auf den ersten Blick so aus“, sagte er. „Das Schiff treibt noch nicht lange, ich schätze, höchstens ein halbes Jahr, mehr nicht. Es gibt keine Beiboote an Bord, demnach scheint man es in aller Eile verlassen zu haben. Hier hat uns jedenfalls niemand in eine Falle gelockt.“

      Der Nebel ließ das verlassene Schiff noch weitaus gespenstischer erscheinen, als es in Wirklichkeit war. Bei strahlender Sonne mochte alles nur halb so schlimm aussehen, aber die traurig herabhängenden Segelfetzen, das modrige Deck, die vergammelten Aufbauten und der Geruch nach faulendem Holz verliehen dem Schiff doch etwas Unheimliches.

      So ganz trauten sie der Sache immer noch nicht, und als es einmal knackte, fuhr der Profos wieselflink herum und richtete seine Pistole auf das Deck.

      „Das waren die Planken“, sagte Tucker trocken. „Die tun dir ganz bestimmt nichts.“

      „Himmelarsch“, fluchte Ed. „Das hätte ja auch etwas anderes sein können.“

      „Klar, Wassermänner zum Beispiel, die sich durch die Planken fressen“, sagte der Seewolf lächelnd.

      „Sir!“ sagte Ed vorwurfsvoll. „Du selbst hast uns eingehämmert, vorsichtig zu sein und nicht blindlings irgendwo hineinzurennen. Das hat nichts mit Angst zu tun.“

      „Das ist richtig, Ed, aber hier gibt es wirklich niemanden, ich glaube es jedenfalls nicht.“

      Hasard hatte noch nicht ganz zu Ende gesprochen, als es an der Bordwand aufdröhnte. Wieder hallte es wie ein Riesengong durch die unheimliche Stille.

      Carberry stürzte zum Schanzkleid und sah ins Boot hinunter.

      „Was soll das, du Blödmann!“ herrschte er den verdutzten Dan an. „Willst du hier Geist spielen?“

      „Blas dich nicht so auf, Mister Profos!“ rief Dan nach oben. „Ich war das nicht, ich habe das Geräusch auch gehört. Oder glaubst du, ich hämmere hier aus Langeweile gegen die Schiffsplanken, was, wie?“

      „Dann – dann kam das aus dem Schiff?“ fragte Ed schluckend.

      „Woher denn sonst wohl? Klar kam es aus dem Kahn. Genau wie vorhin auch!“

      „Das müssen Planken, Spanten oder die Masten im Kielschwein sein“, sagte Ferris Tucker. „Das Holz arbeitet pausenlos, ein Schiff, das nicht in Bewegung ist, verrottet und verkommt. Dann gibt es Spannungen durch die Trockenheit, durch Hitzeeinwirkung und vieles mehr.“

      „Aber das hörte sich verdammt anders an“, sagte Ed.

      „Wahrscheinlich ist der Nebel dran schuld, Ed. Der verzerrt die Geräusche, und man glaubt Wunder was zu hören.“

      „Wenn du meinst.“

      So ganz befriedigte den Profos diese Antwort nicht, aber er sagte nichts mehr darauf.

      „Ihr bleibt hier stehen“, sagte Hasard, „ich werde mich einmal dort vorn umsehen.“

      Hasard ging bis an das Schott und riß es auf. Es klemmte etwas, aber schließlich gab es mit einem häßlichen Quietschen nach und öffnete sich.

      Er trat in eine halbdunkle Kombüse und sah sich um. Zwei fette Ratten flitzten über die Planken und verschwanden in einem Loch, das sie durch das Deck genagt hatten.

      In der Kombüse herrschte schmuddelige Unordnung. Pfannen, Töpfe und Kessel waren schwarz und fettig. In den beiden Herden lagen noch halbverbrannte Reste von Holzkohle.

      Als er das Schapp aufriß, quoll ihm geschrotetes Getreide entgegen, grobes Mehl, in dem ebenfalls die Ratten hausten. Sie hatten sich ein ganzes Nest gebaut und ließen sich nur widerwillig stören. Auch sie verschwanden in einem Loch in der Wand dicht hinter dem Schapp.

      In der Kombüse gab es noch Vorräte. Vieles war verschimmelt und verfault, und einiges hatten die Ratten gefressen, die sich hier ausgesprochen wohl fühlten. Steinhartes Brot fand sich, dann knochentrockener Zwieback, in dem Mehlwürmer herumkrochen und dunkle Kakerlaken ihr Unwesen trieben.

      Hasard verließ die Kombüse und hob auf die fragenden Blicke der beiden Männer die Schultern.