Seewölfe - Piraten der Weltmeere 143. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954394678
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ein vom Wunder Heimgesuchter.

      Ignazio wurde dieser Ruhm nicht zuteil, denn do Velho hatte rechtzeitig darauf hingewiesen, daß der etwas einfältige Mann natürlich nur noch am Leben war, weil er, do Velho, sich für ihn eingesetzt hatte. Die Realität sah etwas anders aus. Aber die lag weit hinter ihnen im tiefsten Afrika.

      Die hohe Admiralität konnte do Velho nachempfinden, was er durchgestanden hatte, als er diesen verfluchten Engländer Philip Hasard Killigrew gehetzt hatte. Anschaulich hatte do Velho, der ein geborener Mime war, dargestellt, daß er den Seewolf schon in der Bengkalis-Bucht hätte stellen und vernichten können – wenn nicht ein unvorhersehbarer Fall „höherer Gewalt“ eingetreten wäre.

      Und so war es dann immer wieder ein böser Zufall, ein peinliches Zusammentreffen von Unglück und Naturereignissen gewesen, das Lucio do Velho den Triumph vorenthalten hatte.

      Rügen konnte und wollte man diesen Kommandanten in Lissabon nicht, danach stand niemand der Sinn. Zu frisch war die Niederlage, die das spanisch-portugiesische Königreich im allgemeinen und die Armada im besonderen erlitten hatte – der Überfall Admiral Drakes auf Cadiz.

      Nach einem solchen Schlag der Engländer konnte nicht einmal König Philipp II. persönlich einem do Velho vorwerfen, er sei ein Versager. Seine Allerkatholischste Majestät konnte im Augenblick nur gereizt in den dunklen Sälen des Escorial auf und ab wandern und auf Vergeltung sinnen.

      Wie aber sollte er sich rächen, wenn seine glorreiche und unüberwindliche Armada durch Drakes Raid in Cádiz so empfindlich getroffen worden war?

      Erschüttert hatte Lucio do Velho in Lissabon den Bericht einiger Augenzeugen vernommen. Laut zu wettern hatte er begonnen, als er gehört hatte, daß auch ein Schiff an Drakes Seite gewesen sei, das er anhand der Beschreibungen nur allzu gut wiedererkannte: die „Isabella VIII.“. Zornig hatte do Velho seinen Vorgesetzten Aufschluß darüber gegeben, wer der Kapitän und die Mannschaft dieses „Teufelsschiffes“ war und daß es auf der Welt nur eine große, schnittige Galeone mit so hohen Masten und einer so tolldreisten Crew gäbe.

      Nichts hatte do Velho halten können.

      Er hatte beantragt, daß alle verfügbaren Kriegsschiffe im Hafen von Lissabon seinem Kommando unterstellt wurden und er Jagd auf den englischen Bastard, den Todfeind, machen durfte – und dies hatte man ihm auch bewilligt. Mehr als die portugiesischen Galeonen „Sao Sirio“ und „Sao Joao“ sowie die spanischen Karavellen „Extremadura“ und „Santa Angela“ hatte man ihm an Schiffsmaterial für die Zusammenstellung eines Verbandes jedoch nicht bewilligen wollen, da der Hafen und die Stadt Lissabon nicht ungeschützt bleiben durften.

      Verbissen führte do Velho seinen neuen Verband nach Norden.

      Juni war es geworden, aber Lucio do Velho hoffte, wenigstens den Seewolf auf der Heimreise nach England noch zu stellen und vor die Kanonen fordern zu können.

      Alle Ermahnungen der Almirantes und der Comodoros, der Feind sei zu stark, hatten do Velho nicht von seinem Vorhaben abhalten können.

      „Der Seewolf ist ein Einzelgänger“, sagte do Velho an diesem Abend, bevor ihn die bedenkliche Entwicklung des Wetters an Oberdeck rief. „Wenn man den Schilderungen recht geben darf, die wir in Lissabon vernommen haben, hat Killigrew zwar Seite an Seite mit Francis Drake, dieser Kanaille, gefochten. Aber wie ich Killigrew kenne, hat er sich inzwischen wieder von Drake getrennt und ist allein unterwegs.“ Ober das Pult in der schwankenden Kapitänskammer der „Candia“ hinweg blickte er Ignazio an, den er zu einer kurzen Lagebesprechung herbeigeordert hatte. „Glaubst du etwa, ich wüßte nicht, wie dieser tollwütige Lobo del Mar sich verhält?“

      „Senor Comandante“, beeilte sich Ignazio zu sagen. „Keiner kann ihn besser einschätzen als Sie.“

      „Ich will ihn einholen.“

      „Sie schaffen es, Comandante!“

      „Ignazio, das sagst du nur, weil du keine eigene Meinung hast“, sagte der eitle Portugiese verächtlich. „Du läßt den Dingen ihren Lauf und harrst der Dinge, die da kommen – im Guten wie im Argen. Was für ein hirnloser Einfaltspinsel du doch bist. Was wärest du ohne mich?“

      „Nichts, Senor Comandante“, erwiderte Ignazio pflichtschuldigst, während er sich in der immer bedrohlicher schwankenden Kammer an einem der Schapps festhielt.

      „Ohne mich wärst du verloren.“

      „Aber immerhin habe ich es zum Bootsmann gebracht!“ rief Ignazio gegen das Sturmbrausen an, das von außen hereindrang.

      „Weil ich dich dazu ernannt habe!“

      „Si, Senor!“

      „Allein bist du eine Null, Ignazio, und vergiß nicht, daß ich dich immer noch wieder degradieren kann!“ Do Velho brüllte es fast, er redete sich in Eifer und Zorn. Er brauchte einen Ausgleich für sein gestörtes seelisches Gleichgewicht, und immer wieder mußte der bullige Mann aus Porto für de Velho als Prügelknabe herhalten.

      „Aber Senor“, sagte Ignazio. „Wenn es erforderlich ist, kann ich mächtig dreinschlagen und schwer aufräumen. Ich will mich bewähren, ich warte nur auf die Gelegenheit dazu.“

      Do Velho ging die untertänige Verhaltensweise des Bootsmanns auf die Nerven, obwohl er gleichzeitig genau wußte, daß es seine Schuld war, wenn Ignazio sich derart unterwürfig benahm.

      Mühsam beherrscht erwiderte do Velho: „An Bord der ‚Isabella‘ hättest du richtig dreinschlagen sollen. Da hättest du dich bewähren können – als die ‚Santa Monica‘ uns angriff und die Seewölfe die Chance nutzten.“

      Ignazio schwieg. Senor Comandante, warum schmieren Sie mir das immer wieder aufs Brot, hätte er gern gesagt, aber er hütete sich, es auszusprechen, denn Lucio do Velho hätte nicht gezögert, ihn für eine so aggressive Frage zu bestrafen.

      Der Westsüdwest-Wind raste pfeifend gegen die „Candia“ und die anderen Schiffe des Verbandes an. Weit krängte die Viermast-Galeone nach Steuerbord. In do Velhos Kammer purzelten zusammengerollte Karten und einige andere Utensilien vom Pult.

      Iganzio taumelte durch den schräggestellten Raum, dessen Fußboden ein stark abschüssiger Hang geworden war. Er fiel, rappelte sich wieder auf und versuchte, do Velhos Karten und Gerätschaften aufzulesen. Doch die Tücke des Objekts siegte. Immer wenn der Bootsmann zugreifen wollte, kollerten die Gegenstände ein Stück weiter.

      Ignazio kroch auf allen vieren durch die Kapitänskammer.

      Do Velhos barsche Stimme stoppte ihn. „Hör auf! Wir haben Wichtigeres zu tun. Unsere Anwesenheit an Oberdeck ist nötig, wir müssen zusehen, daß wir Sturmsegel setzen, Manntaue spannen, die Luken und Schotten verschalken, Kurs halten und nicht zu nah unter Land geraten. Steh gefälligst auf und begleite mich, Ignazio!“

      Der Mann aus Porto hielt inne und schaute auf.

      Ihre Blicke trafen sich.

      „Sieh mich nicht so dämlich an!“ rief Lucio do Velho aufgebracht. „Ich weiß, was du sagen willst – daß es besser wäre, bei dieser Windstärke und diesem Seegang eine geschützte Bucht anzulaufen und das Abklingen des Sturmes abzuwarten. Aber daraus wird nichts! Wir reiten den Sturm ab, koste es, was es wolle!“

      Ignazio erhob sich und folgte seinem Comandante wankenden Ganges durchs Achterkastell der „Candia“ zum nächsten Schott. Er wußte, daß es keinen Zweck hatte, irgendwelche Einwände zu erheben. Do Velho ließ sich nicht beirren oder von seinen Plänen abbringen. Nordwärts führte sein Weg, immer weiter nordwärts, und er ließ sich nicht durch einen läppischen Sturm aufhalten.

      Zu groß war sein Haß auf Philip Hasard Killigrew, zu groß sein Verlangen, Spaniens Todfeind endlich zur Strecke zu bringen.

      Er erreichte das Schott zur Kuhl und öffnete den Auslaß. Regen peitschte Lucio do Velho ins Gesicht. Er hielt sich mit beiden Händen fest und brüllte seine Befehle.

      Zu diesem Zeitpunkt trieb der Verband bereits auseinander. Wenig später verloren sowohl die zwei