Seewölfe - Piraten der Weltmeere 374. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397716
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angetrunken gewesen war, hatte sie ihn mit sich in die Hütte gelockt.

      Domingo hatte davon aber nichts verlauten lassen, um sie nicht unnötig zu gefährden. So nahmen die drei Piraten ihr jetzt ab, was sie sagte.

      „Gros Piton war ein blöder Hund“, sagte Saint-Laurent. „Es ist nicht schade um ihn.“ Er grinste sie auffordernd an. „Also los, Mariana, wenn wir dir so gut gefallen, wie du sagst, kannst du es uns beweisen. Zeig her, was du zu bieten hast.“

      Hector hielt ihn zurück. „Nicht hier. Es ist besser, jetzt zu verschwinden – ehe jemand aufkreuzt und den Toten entdeckt.“

      „Lassen wir die Leiche verschwinden“, sagte Saint-Laurent.

      „Wir könnten sie im Dschungel vergraben“, schlug Ubaldo vor.

      Hector schüttelte das bärtige Haupt. „Das hat keinen Zweck. Vielleicht plaudert dieser Domingo was aus, ich traue ihm nicht. Es riecht nach Unrat. In Kürze schon können wir die Stadtgarde am Hals haben. Es ist besser, wir verschwinden.“ Er wies auf Mariana. „Wir nehmen sie mit.“

      „Du weißt doch gar nicht, ob sie einverstanden ist“, sagte Ubaldo grinsend.

      Mariana erhob sich. Dies war ihre Chance. Sie wollte Caibarién nicht verlassen, doch sie war auf das Silber versessen. Daß sich an Bord der Schaluppe noch mehr Barren befanden, hatte sie bereits von Gros Piton erfahren.

      „Ich bin einverstanden“, sagte sie. „Ich bin froh, daß ich die Hütte für eine Weile aufgeben kann. Und ihr werdet nicht bereuen, mich an Bord eures Schiffes zu haben.“

      Hector lachte. „Als Kurzweil scheinst du wirklich einiges auf Lager zu haben. Darüber unterhalten wir uns noch ausführlich. Aber jetzt los.“

      Sie lachten alle vier und verließen die Hütte. Sie gingen zu der nahen Bucht, in der die Zweimast-Schaluppe gut versteckt ankerte. Sie lag keine zehn Minuten Fußweg entfernt. Sie wußten nicht, daß sie von einem Kreolenjungen beobachtet wurden.

      Dieser Junge – er hieß Dante – erzählte wenig später einem gewissen Don Juan de Alcazar und einem blonden Deutschen namens Arne von Manteuffel, was er gesehen hatte. Don Juan entlohnte den quicken, gewieften Burschen mit zwei Silbermünzen für seine Auskünfte und nahm sofort wieder die Verfolgung der Zweimast-Schaluppe auf, die sich nach seinen Berechnungen nur weiter nach Osten gewandt haben konnte.

      Diese Annahme, die im übrigen durch Dante bestätigt wurde, erwies sich als völlig richtig. Dennoch wurde Don Juan in seiner Jagd nach den Piraten behindert – durch den Sturm, der vom Morgen des 18. bis zum Vormittag des 20. März vor der Nordküste von Kuba tobte. Mit seiner Mannschaft von acht Männern und Arne von Manteuffel mußte er an die Leeküste der Cayo Cocos verholen.

      Jetzt war der Ausgang der Verfolgung ungewiß. Don Juan war wütend. Er war einer der hartnäckigsten Spürhunde, der für die spanische Krone tätig war. Er ließ nicht eher nach, bis er ein Ziel erreicht hatte. Aber wie sollte er die Piraten jetzt noch fassen? Wie verhielten sie sich im Sturm? Waren sie nicht dazu verdammt, mit Mann und Maus unterzugehen und zu ertrinken?

      Das Inferno war ausgebrochen. Die zweimastige Schaluppe wurde zu einem Opfer der entfesselten Naturgewalten. Wild tanzte sie in den rauschenden Brechern und drohte, jeden Augenblick querzuschlagen. Es donnerte, orgelte, dröhnte und brauste, und in die Todessinfonie der See mischte sich Marianas hysterisches Geschrei.

      Verzweifelt klammerte sie sich an einer Ducht fest. Jetzt bereute sie doch ihren Entschluß, sich den drei Kerlen angeschlossen zu haben. Es schien das Ende zu sein. Die Zweimast-Schaluppe entging diesem Wüten und Toben nicht mehr. Sie war dem Untergang geweiht.

      Hector, Ubaldo und Saint-Laurent hatten die Wetterentwicklung falsch bewertet. Sie hatten damit gerechnet, nur von Ausläufern des Sturmes gestreift zu werden. Somit betrieben sie schlechte Seemannschaft und sollten ihren Fehler schwer bereuen.

      Als der Sturm sie einmal gepackt hatte und durchschüttelte, war es zu spät, nach einer Insel zu suchen, in deren schützende Bucht sie verholen konnten.

      „Wir können den Sturm nur abreiten!“ brüllte Hector seinen Kumpanen zu.

      „Wahnsinn!“ schrie Ubaldo. „Der Kahn geht dabei drauf! Wir saufen ab wie die Ratten!“

      „Ich will nicht sterben!“ rief Mariana.

      Sie streckte ihre Hand nach Saint-Laurent aus, der ihr am nächsten stand, aber er kümmerte sich nicht um sie. Er hatte mit sich selbst genug zu tun und konnte gerade noch rechtzeitig genug einen Knoten in das Tau schlagen, mit dem er sich festgebunden hatte, um nicht über Bord zu gehen.

      Die Segel waren rechtzeitig geborgen worden, und jetzt tat Hector das einzige, was man in ihrer Lage noch unternehmen konnte. Er brachte achtern einen Treibanker aus, der der Schaluppe wenigstens etwas Stabilität in dem Tosen der aufgewühlten Fluten verleihen sollte. Dann band auch er sich an den Strecktauen fest und führte einen wilden Kampf mit dem Ruder, das ihm nicht mehr gehorchen wollte.

      Die Piraten hatten jegliche Orientierung verloren. Sie wußten kaum noch, in welche Richtung der Sturm die Zweimast-Schaluppe drückte. Doch bald sollten sie das auf dramatische Weise erfahren, und auch Ubaldos unheilvolle Prophezeiungen schienen sich zu erfüllen.

      Sturzbäche von Regen und Gischt ergossen sich auf die Schaluppe, von allen Seiten dröhnte und hämmerte es auf die Bordwände und die Takelage ein. Mariana kreischte, schluchzte und stöhnte, sie schluckte Wasser, spuckte es wieder aus und drohte ihren Halt an der Ducht zu verlieren.

      Plötzlich hob sich die Schaluppe, wie von einer unsichtbaren Macht getragen, und sie schien die schaumgekrönten Kämme der höchsten Wogen kühn und voll Todesverachtung abzureiten. Dann aber sackte sie wieder ab und begann eine rasende Talfahrt in gähnende schwarze Schlünde. Ein heftiger Schlag, ein Ruck und ein berstendes, krachendes Geräusch beendeten den Sturz. Die Schaluppe schien zu zerplatzen. Mariana flog außenbords, doch es war ihr Glück, daß sie sich inzwischen an einem Tau festklammerte. Der Mut der Verzweiflung hatte ihre Panik verdrängt, sie hielt sich wie eine Katze fest und ließ das Tau nicht mehr los.

      Hector flog über eine Ducht und prallte mit Ubaldo zusammen. Beide stolperten sie über Saint-Laurent. Ein riesiges Leck klaffte im Boden der Schaluppe, und für einen Augenblick hatte es den Anschein, als würde es sie verschlucken.

      Doch dann begriffen sie, was geschehen war.

      „Wir sitzen auf einem Riff fest!“ brüllte Hector. „Der verfluchte Kahn kann jeden Moment auseinanderbrechen! Setzt das Boot aus!“

      Aber das Beiboot war bereits außenbords geflogen und in den kochenden Fluten verschwunden. Die Piraten hatten keine andere Wahl: Sie mußten schwimmen. Aber wohin sollten sie sich wenden?

      „Das ist ein Riff vor Cayo Cruz!“ schrie Hector. „Wir müssen die Insel erreichen, um jeden Preis! Los, hauen wir ab, ehe es zu spät ist!“

      Eine Woge hob die Schaluppe wieder ein Stück hoch, das Wasser lief ab, und der Zweimaster krachte zwischen die Zacken des Riffs. Hector, Ubaldo und Saint-Laurent verloren keine Zeit mehr, sie wußten, was die Stunde geschlagen hatte. Sie stiegen über die bizarren Formationen, die zum Teil aus dem Wasser ragten, und ließen sich in die Fluten fallen. Dann schwammen sie, als säßen ihnen tausend Teufel der Hölle im Nacken.

      „Hilfe!“ schrie Mariana. „Laßt mich nicht allein!“

      Saint-Laurent packte sie und zog sie mit sich fort. Sie ließ das Tau los und hatte das Gefühl, wie ein Stein unterzugehen. Wieder schluckte sie Wasser. Sie war eine miserable Schwimmerin und vermochte sich aus eigener Kraft kaum über Wasser zu halten. Wild hieb sie um sich. Dadurch gefährdete sie nun auch Saint-Laurent. Er fluchte und schlug ihr mit der Faust gegen die Schläfe. Ihr Körper erschlaffte, er konnte sie abschleppen.

      Aber leicht war das nicht. Auch ein kräftiger und gewandter Mann wie das Halbblut, der sich im Wasser in seinem Element fühlte, seit er geboren worden war, hatte bei dieser Aufgabe mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Ein Fliegengewicht war die Frau nicht, und ihre Bewußtlosigkeit schien sich auf ihre Schwere auszuwirken.