„Por diablo!“ schrie er wütend. „Zum Teufel, mit welcher elenden Mähre fährst du Mistkerl mich durch die Gegend!“ Nicht weniger als über den Zwischenfall war Zumarraga darüber erbost, daß sein angenehmer Traum von der Prämie, die er in Cordoba zu kassieren gedachte, unterbrochen worden war.
Der Kutscher wandte sich verlegen um.
„Perdone me, Señor“, sagte er kleinlaut. „Verzeihen Sie, aber ich kann es mir selbst nicht erklären. Dies war ein frisches Pferd, und ich kann mir wirklich nicht erklären …“
„Dummes Gewäsch“, unterbrach ihn Zumarraga keifend. „Du wirst sofort in die Stadt laufen.“
„Si, Señor.“
„Und du holst einen Gaul, der wirklich frisch ist.“
„Si, Señor.“
„Der Teufel persönlich wird dir in den Hintern treten, wenn du dich nicht beeilst. Und es wird das letztemal gewesen sein, daß ich deine Dienste in Anspruch genommen habe.“
„Si, Señor.“
„Auf was wartest du noch?“ schrie Zumarraga erbost. „Hoffentlich bist du bald unterwegs! Pronto, pronto!“
„Si, si, Señor.“
Hastig schwang sich der Kutscher vom Bock. Mit fliegenden Fingern löste er die Arretierung des Verdecks und schlug es hoch.
„Damit Sie vor der Sonne geschützt sind, Señor“, sagte er.
„Hm“, brummte Zumarraga nur.
Er maß den Mann mit einem verächtlichen Blick, als dieser die Beine in die Hand nahm und mit langen Sätzen losrannte. Schon nach wenigen Minuten war der Kutscher hinter der nächsten Wegbiegung verschwunden.
Romeronde Zumarraga lehnte sich zurück und faltete die Hände über dem mageren Körper. Erneut zog er die Hutkrempe tief in die Stirn und schloß die Augen. Er bemühte sich, seinen Zorn über den unvorhergesehenen Aufenthalt verrauchen zu lassen. Wenn es eine Stunde Zeitverlust gab, so spielte das keine entscheidende Rolle. Seine erhoffte Belohnung konnte er in Cordoba immer noch kassieren. Dabei kam es auf eine Stunde mehr oder weniger wahrhaftig nicht an.
Zumarraga entschied sich, die Zeit für ein erholsames Nickerchen zu nutzen. Die hastigen Schritte des Kutschers waren bereits nicht mehr zu hören, ringsherum war Stille eingekehrt. Überdies ließ sich die Hitze unter dem schattenspendenden Verdeck der Kutsche recht gut ertragen.
Mit sich und der Welt zufrieden, war Romeronde Zumarraga schon sehr bald im Begriff, einzuschlafen.
Er nahm nicht das leiseste Geräusch wahr.
Um so heftiger traf ihn der Schreck, als sich jäh etwas unangenehm Hartes an seine faltige Wange preßte.
Zumarraga zuckte zusammen, riß die Augen auf und wollte aufspringen.
„Besser, du bleibst sitzen, Amigo“, sagte eine metallisch klingende Stimme. „Es könnte sonst sein, daß ich ein nervöses Zucken im Zeigefinger kriege.“
Zumarraga erstarrte. Ein Zittern durchlief seinen Körper. Er wagte nicht mehr, sich zu rühren. Seine Augen wölbten sich aus den Höhlen. Im äußersten rechten Winkel seines Blickfeldes erkannte er, daß es sich bei jenem Harten, das seine Wange eindellte, um die Laufmündung einer schweren Steinschloßpistole handelte.
Der Mann, der die Pistole in der Faust hielt, hatte harte, wettergegerbte Gesichtszüge. Das gefährliche Glimmen in seinen schmalen Augen ließ für den Kaufmann keinen Zweifel darüber, daß er sich in einer tödlich ernsten Lage befand.
Ein zweiter Mann, schlank und sehnig, tauchte hinter einem Felsbrocken auf, lief mit federnden Sätzen auf die Kutsche zu und schnappte sich wortlos den Ledereimer, der neben dem Bock hing. Er wandte sich um und eilte in die Richtung zurück, aus der er gekommen war. Der Uferstreifen war nur einen Steinwurf weit entfernt.
„Was wollen Sie von mir?“ stammelte Zumarraga mit brüchiger Stimme.
„Das wirst du früh genug erfahren, du Ratte“, entgegnete Ben Brighton kalt. „Bevor wir uns weiter unterhalten, werden wir von hier verschwinden. Es gibt gemütlichere Orte für einen kleinen Plausch.“
Zumarraga preßte die fahlen Lippen aufeinander. Diese neue Wende der Dinge war für ihn schlimmer als das abrupte Erwachen aus dem Traum von der Belohnung. Instinktiv spürte er, daß sich Bedrohliches über ihm zusammenbraute. Ebenso ahnte er, daß dies mit der Gefangennahme des Manteuffel-Bastards zusammenhing. Es war zum Verrücktwerden. Was eben noch so ausgesehen hatte, als ob es klar und folgerichtig und ohne Schwierigkeiten ablaufen würde, erwies sich von einer Minute zur anderen als äußerst verhängnisvoll.
Sam Roscill kehrte mit dem gefüllten Ledereimer zurück und leerte ihn über dem Kopf des reglosen Pferdes. Das Tier reagierte nicht sofort auf den Wasserschwall, doch schon nach wenigen Sekunden begann es, sich zu regen. Sam tätschelte ihm die Nüstern und redete ihm mit leiser, eindringlicher Stimme gut zu.
Ben Brighton verpaßte dem Geiergesicht währenddessen einen Knebel und verband ihm die Augen. Zumarraga ließ es widerstandslos geschehen. Er war sich darüber im klaren, daß er gegen diese rauh und gefährlich aussehenden Männer nicht die geringste Chance hatte.
Der Bootsmann entspannte den Hahn seiner Pistole und schob die Waffe wieder unter den Ledergurt, der seine Hüften umspannte. Grinsend ließ sich Ben neben dem Alten auf der Sitzbank nieder und beobachtete zufrieden, wie es Sam Roscill gelang, das bis eben noch betäubte Pferd hochzupurren.
Sehr rasch stand das Tier wieder sicher auf den Beinen.
Sam Roscill schwang sich auf den Kutschbock und ergriff die Zügel. Mit knallender Peitsche ließ er das Pferd antraben.
Ben Brighton wußte, daß er Sam nicht zusätzlich anfeuern mußte. Roscill war ein jederzeit verläßlicher Mann. Und verdammt noch mal, letzten Endes ging es um das Leben Hasards, ihres Seewolfes!
In einer solchen Situation brauchte keiner der Männer der „Isabella“-Crew überflüssige Anweisungen. Wenn es galt, ihren Kapitän aus einer mißlichen Lage herauszupauken, entwickelten sie eine zähe, grimmige Verbissenheit, die schon manche Gegner das Fürchten gelehrt hatte.
Hätten Ben Brighton und Sam Roscill zu diesem Zeitpunkt allerdings geahnt, in welcher bedrohlichen Lage sich Hasard wirklich befand, wären sie mit Sicherheit weniger beherrscht gewesen.
Auf Umwegen fuhren die beiden Männer in die Stadt zurück. Ihr Ziel war die Hafengegend, wo sich die Lagergebäude ihres Verbündeten de Castro befanden.
Sie erreichten Cadiz, bevor der Kutscher mit dem frischen Pferd auftauchte.
2.
Schweißüberströmt hockte der Kutscher des alten Zumarraga auf dem Rücken eines muskulösen braunen Wagenpferdes. Die Kleidung des Mannes war staubbedeckt. Jedesmal, wenn er sich mit dem Handrücken durch das Gesicht fuhr, entstand ein neuer Streifen aus Dreck und Schweiß.
Sehr bald sah er dadurch aus wie der Leibhaftige persönlich. Doch es gab in der Umgebung keine Menschenseele, der er hätte Furcht einjagen können.
Seit er das frische Pferd in der Stadt besorgt hatte, schwankte er ständig zwischen zwei Möglichkeiten. Jagte er mit dem Tier im Galopp zu der Stelle hinaus, wo er den Alten zurückgelassen hatte, so bestand die Gefahr, daß der Gaul restlos ausgepumpt war, bevor er überhaupt angeschirrt wurde.
Der gemächliche Schritt, zu dem sich der Kutscher seufzend entschlossen hatte, war für das Pferd letzten Endes das Beste. Dagegen wurde jedoch der Zeitverlust unaufhaltsam größer.
Der schwitzende Mann auf dem sattellosen Pferderücken schickte ein Stoßgebet nach