Seewölfe - Piraten der Weltmeere 174. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954395118
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wir wirklich Monat Juli, Dan O’Flynn?“

      „Ja.“

      „O Gott“, klagte der Neger. „O Gott.“

      „Du meinst also, wir müßten alle den Kältetod sterben?“

      „Ja.“ Batuti fror und mußte sich gewaltig zusammenreißen, damit seine Zähne nicht aufeinanderschlugen. „Oder Eisberg erdrückt uns.“ Er wies auf die in der Dünung treibenden Eisschollen, die am Rumpf der „Isabella“ vorbeizogen.

      Dan O’Flynn schüttelte den Kopf. „Die Gefahr ist wirklich gering. Das Meereis nördlich von Thule und der großen Insel, die von den Wikingern ‚Grünland‘ getauft wurde, bricht unter der Sonneneinstrahlung allmählich auf, die Eisgrenze weicht immer mehr zum Pol zurück. Die Schollen, die uns auf ihrem Weg zur Labrador-See entgegentreiben, sind dünn. Die Sonne frißt an ihnen, und das Eis ist so mürbe, daß der Bug unserer ‚Isabella‘ es mühelos zerbricht. Wir haben das doch nun schon oft genug erlebt.“

      „Ja.“

      „Dann weiß ich nicht, über was du dir Sorgen machst.“

      „Darüber, daß es noch kälter werden kann“, sagte der schwarze Goliath.

      „Ist das alles?“

      „Ganze Welt ist verdreht. Wohin segeln wir?“

      „Mit raumem Wind nach Ostnordost.“

      „Und dort liegt Thule?“

      „Hasard vermutet es.“

      „Ganzes Welt verkehrt und verrückt“, murmelte der Gambia-Mann.

      „Batuti, soll ich dem Seewolf melden, daß du gern umkehren würdest?“ fragte Dan sanft.

      Batuti riß die Augen weit auf und starrte sein Gegenüber entsetzt an. „Himmels willen, nein! Was soll Seewolf von Batuti denken? Nein, spielt sich gar nix ab! Kein Wort, verstanden, Dan? Batuti ist kein Meuterer. Geht mit Crew durch dick und dünn, auch wenn der Steven abfriert!“

      „Na also“, sagte Dan lachend. „So gefällst du mir schon besser. Ich kann mir nicht vorstellen, daß ein Kerl wie du jetzt schon die Hosen voll hat.“

      Batuti mußte jetzt auch grinsen. Er bückte sich etwas, zupfte an seinem Beinkleid herum und meinte: „Voll nicht. Nur zu dünn.“

      „Mit anderen Worten, du brauchst ein Fell, um dir ein Paar nähen zu lassen?“

      „Ja. Vom weißen Bär.“

      „Na, dann laß uns hoffen, daß wir bald einen Eisbären erwischen“, sagte Dan O’Flynn.

      Batuti stieß ihn mit dem Ellenbogen an und deutete auf den Profos, der nach wie vor angestrengt durch seinen Kieker spähte. „Profos ist auch scharf auf Bären, will Jagd auf ihn machen.“

      „Genau.“

      „Wie nennen Eskimos den Eisbär?“

      „Nanoq.“

      „Nanoq und Nanohuaq.“

      „Nanohuaq, das ist ein besonders großes Exemplar.“

      „Und daraus kann man vier Paar Hosen schneidern, hat Hendrik Laas gesagt.“ Batuti hatte sich zusehends beruhigt und sprach wieder korrektes Englisch.

      Dan, der immer noch unverwandt auf des Profos’ breiten Rücken sah, mußte plötzlich wieder grinsen.

      „Na, vielleicht segelt uns Meister Petz ja auf einer Eisscholle entgegen“, sagte er.

      Hasard stand dicht neben Siri-Tong an der vorderen Querbalustrade des Achterdecks und blickte ebenfalls zu seinem Profos.

      „Sieh ihn dir an“, sagte er. „Er ist wirklich beinah besessen von dem Wunsch, als erster einen Eisbären zu sichten. Da ich es als wahrscheinlich ansehe, daß wir bald auf die Küste von Grönland stoßen, könnte es ja auch tatsächlich passieren, daß wir einen solchen Burschen sichten.“

      „Ist Grönland selbst nicht viel wichtiger für uns?“ fragte sie.

      „Ja, natürlich.“

      „Aber der gute Edwin glaubt erst daran, daß es die weißen Bären gibt, wenn er sie wirklich gesehen hat, nicht wahr?“

      „Das hat er ja nun schon x-mal gesagt.“

      Sie lachte hell auf. „Aber war denn das Fell, das Hendrik Laas ihm geschenkt hatte, nicht der beste Beweis für die Existenz von Nanoq?“

      „Du weißt doch, was für ein Seemannsgarn unser Carberry spinnt.“

      „Ja.“

      „Nun, und er glaubt eben auch von anderen Leuten, daß sie ihm im wahrsten Sinn des Wortes ‚einen Bären aufbinden‘. So sehr er sich über das Geschenk gefreut hat, er nimmt bislang immer noch an, daß Hendrik Laas irgendwie maßlos übertrieben oder schlichtweg geschwindelt habe.“

      „Und du? Glaubst du daran?“

      „Daß es weiße Bären gibt? Ja, ich bin ziemlich sicher.“

      Sie entblößte ihre perlweißen Zähne. „Er ist schon ein Dickschädel, unser Profos, das muß ich sagen. Aber andererseits finde ich es uneigennützig von ihm, daß er aus dem weißen Fell Mützen, Jacken und Hosen für die Zwillinge hat schneidern lassen – und für mich diese Mütze.“ Sie tippte spielerisch mit den Fingern gegen den Rand ihrer neuen Kopfbedeckung. Sie hatte ihr langes schwarzes Haar hochgesteckt und darunter verborgen und den Kragen ihrer Biberfelljacke so weit hochgeschlagen, daß er die gesamte Halspartie verhüllte. Sie sah hinreißend aus. „Armer Profos“, fuhr sie fort. „Wegen uns hat er auf seine kostbaren Eisbärhosen verzichtet. Na, vielleicht kriegt er ja auch noch welche.“

      „Bedaure ihn bloß nicht zu sehr.“

      „Bist du – eifersüchtig?“

      „Auf Carberry?“ Hasard lächelte. „Um Himmels willen, nein. Aber lassen wir das.“

      Er wandte sich dem Backbordniedergang zu und stieg zum Quarterdeck hinunter. Siri-Tong folgte ihm, bemüht, nicht auf dem harten, gefährlich glatten Belag der Planken auszurutschen.

      Hasard suchte das Ruderhaus auf, trat neben den Rudergänger Pete Ballie, wandte diesem den Rücken zu und überprüfte noch einmal, was er auf seiner handgefertigten Karte eingetragen hatte. Siri-Tong erschien im offenen Schott.

      Er drehte sich zu ihr um und sagte: „Wenn alle Daten einigermaßen präzise sind, müßten wir noch heute die Westküste Grönlands erreichen. Spätestens bis zum Dunkelwerden.“ Er lächelte plötzlich und berichtigte sich: „Nein – spätestens bis zu dem Zeitpunkt, an dem es eigentlich dunkel werden müßte.“

      „Du vertraust also deiner Skizze?“

      „Sie vereint in sich all das, was ich bisher über Grönland und Thule vernommen habe. Falls wir unseren Streifzug durchs Eismeer zu einem guten Abschluß bringen, ist sie eines Tages wahrscheinlich die genaueste Karte, die jemals über dieses Gebiet angefertigt wurde.“

      „Vermutlich ja.“

      „Nur die Beschaffenheit der Regionen nordwestlich von Labrador und der großen Bucht westlich von Labrador ist für mich nach wie vor ein einziges großes Fragezeichen.“

      „Auch jene Küste werden wir noch erkunden“, sagte sie.

      „Du bist jetzt also zuversichtlich?“

      „Ja. Dein Forscher- und Entdekkergeist muß mich wohl angesteckt haben.“

      „Vielleicht habe ich einen Fehler begangen, als ich mich nach dem Verlassen der großen Bucht nicht gleich nach Westen gewandt habe. Aber die Windverhältnisse waren dagegen.“

      „Es wäre wirklich zu mühselig, gegen diesen Wind zu kreuzen“, bestätigte sie ihm. „Und außerdem wäre es ja wohl eine grobe Unterlassung, dem sagenhaften Thule