Seewölfe - Piraten der Weltmeere 265. Fred McMason. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Fred McMason
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954396610
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Archie weiterhin Gewaltlosigkeit und Nächstenliebe predigte, widersprach der Bootsmann, um alles ein wenig in die Länge zu ziehen.

      „Das mit der Feindesliebe ist auch so eine Sache, Sir, die wir nicht so recht begreifen. Heißt es denn nicht ‚Auge um Auge, Zahn um Zahn‘?“

      „Das ist nicht so gemeint“, sagte Cribbs unwirsch, er wurde immer leicht unwirsch, wenn er sich etwas selbst nicht erklären konnte. „Es heißt ja weiter, daß man nicht widerstreben soll, denn so dir jemand einen Streich gibt auf deinen rechten Backen, dem biete den anderen auch dar.“

      „Damit er noch mal kräftig draufhauen kann, Sir?“ vergewisserte sich der Bootsmann.

      „Symbolisch, symbolisch“, sagte Archibald. „Man soll sich überhaupt nicht schlagen oder prügeln.“

      „Symbolisch kann man sich ja mal eine pflastern lassen“, meinte Roger. „Vor allem tut das auch nicht so weh.“

      Sie regten Archibald zur Diskussion an, und der stand auf der Kuhlgräting und wetterte dagegen, und überhaupt müßten sie jetzt doch so langsam kapiert haben, was er meine.

      Aber die Schlitzohren kapierten nicht. Alles mußte ihnen dreimal und ganz genau erklärt werden. Aber Cribbs war froh, daß es wenigstens ganz langsam in ihre Schädel ging, denn es freute ihn, daß seine langwierigen Bemühungen immerhin doch auf fruchtbaren Boden fielen.

      Darüber vergingen der Mittag und der Nachmittag. Die Rudergänger lösten sich ab und gearbeitet wurde gar nichts. Der Mann im Ausguck hörte die Worte still an seine Ohren plätschern. Sie drangen vom Deck überdeutlich zu ihm herauf, und fast wäre er darüber eingeschlafen, so wie die vielen anderen, die vorgaben, Archis Stimme zu lauschen und wegen der besseren Konzentration die Augen geschlossen hatten.

      In Wahrheit dösten sie vor sich hin, waren einigermaßen satt und zufrieden und ließen eine Litanei nach der anderen an sich vorbeiplätschern. Archibalds sanfte Worte, das Wiegen der Karavelle auf dem Wasser, das alles lullte sie ein, und so stand Archibald vor seiner Mannschaft und dozierte vor dösenden Kerlen.

      Hin und wieder hielt er inne und linste über die Bibel. Aber sobald seine Stimme verstummte, öffneten sich die Augen der Kerle, die darauf gedrillt waren, bei einem plötzlichen Schweigen des Masters augenblicklich zu erwachen. Archibalds Eindruck, daß sie ganz genau zuhörten, verstärkte sich dadurch jedesmal. Nein, da schlief kein einziger, sie hatten die Augen wohl doch nur der besseren Konzentration wegen geschlossen, und sobald er einmal schwieg, sahen ihn diese Augen erwartungsvoll an.

      Sehr zufrieden und nach einem leisen Räuspern, las der Kapitän weiter.

      Erst der Ruf aus dem Ausguck ließ alle zusammenzucken.

      „Drei Schiffe Steuerbord voraus!“ schrie der Mann an Deck. „Es scheinen drei Feluken zu sein.“

      Archibald klappte die Bibel zu, drehte sich um und blickte über das Wasser, das ruhig und langgezogen dünte. Er hatte scharfe Augen und nickte, als er die Feluken erkannte. Sie segelten in Dwarslinie Kurs Nordwest. Die Dwarslinie war langgezogen, und wenn die „Arethusa“ auf ihrem Kurs blieb, würde sie mitten durch die Feluken hindurchsegeln müssen.

      „Es scheint“, sagte Cribbs, „als suchten sie die See ab, denn diese Art der Segelei ist doch recht merkwürdig.“

      Die anderen waren hellwach. Mißtrauen war immer angebracht, wenn sie gerade hier im Mittelmeer, wo es von Piraten und Küstenhaien nur so wimmelte, anderen Schiffen begegneten. Bisher war ja immer alles gutgegangen, aber man konnte nie wissen. Denn Cribbs These nahmen sie zwar alle zur Kenntnis, sie glaubten nur nicht daran, daß sich alle anderen auch friedlich verhielten.

      Nach einer Weile war deutlich zu sehen, daß die Feluken ganz leicht den Kurs änderten. Die Linie hielt auf sie zu.

      „Die wollen etwas von uns, Sir“, sagte Roger. Sein Gesicht war besorgt und mißtrauisch, und seine blauen Augen irrten von den heransegelnden Feluken wieder zu Archibald Cribbs. „Sie sollten vielleicht doch lieber vorsichtshalber Waffen ausgeben lassen, Sir. Und die Neunpfünder …“

      Archibald Cribbs sah den blonden Engländer fast entrüstet an.

      „Geht denn das schon wieder los?“ sagte er. „Habe ich euch nicht jeden Tag gepredigt, daß wir anderen friedlich begegnen und die dann das gleiche tun? Die vier Kanonen bleiben unter der Leinwand, und Waffen werden ebenfalls nicht ausgegeben. Diese drei Feluken sind friedliche Handelsfahrer, genau wie wir, und es ist nur natürlich, daß sie sich eine englische Karavelle einmal aus der Nähe ansehen wollen. Wir werden sie freundlich empfangen, wie das Christenpflicht ist, und ein paar nette Worte oder Gesten mit ihnen wechseln, und wenn sie merken, daß wir in absolut friedlicher Absicht nach Beirut wollen, werden sie sich ebenso friedlich verhalten wie wir.“

      „Sir“, sagte Roger. „Das meine ich doch nur – äh – symbolisch. Wir könnten uns ja symbolisch bewaffnen und die Waffen verstecken.“

      „Und was sollen diese Männer von uns denken, wenn sie die Waffen trotzdem sehen? Ich werde es dir sagen: Sie werden denken, wir wollten sie provozieren oder sie heimtükkisch angreifen. Schlagt euch das aus dem Kopf, Männer. Wir sind friedliche und gottesfürchtige Kauffahrer.“

      „Und wenn es doch Piraten sind?“ fragte Roger grimmig.

      Aber Archibald Cribbs hatte auch darüber recht eigenartige Ansichten.

      „Hat uns schon mal ein Pirat aufgebracht? Nein, natürlich nicht. Was wollte er auch von uns! Wir haben nichts, wir wollen nichts von ihnen, wir sind freundlich und höflich, und das werden selbst Piraten einsehen müssen. Wenn sie sich wirklich unfreundlich benehmen, werde ich ihnen zurufen: Liebet einander! Und alles ist in Ordnung.“

      „Verdammt noch mal“, sagte der Bootsmann so leise, daß Archie ihn wieder nicht verstand. „Ist der Kerl denn vernagelt? Wir rennen doch in unser Verderben, wenn das wirklich Piraten sind. Weshalb denn grasen sie das Meer in breiter Formation ab!“

      „Sie verstehen unsere Sprache doch nicht“, versuchte Roger es noch einmal, um Cribbs umzustimmen. „Und wir verstehen auch nicht, was sie sagen. Und wenn wir von Liebe und Freundschaft faseln, dann schneiden sie uns die Köpfe vom Hals.“

      Archibald umklammerte seine Bibel, sah die Männer noch einmal streng an und schüttelte dann entschieden den Kopf.

      „Wir bleiben auf Kurs“, entschied er. „An Bord meines Schiffes wird jedenfalls nicht geschossen, auch die Kanonen werden nicht ausgerannt. Wir sind friedliche Seefahrer.“

      Mit diesen Worten drehte er sich um und kehrte aufs Achterdeck zurück.

      „Friedliche Seefahrer!“ höhnte Roger. „Kalfaterte Blödmänner sind wir. Archie sieht in jedem Schnapphahn nur das Gute. Ich für meinen Teil werde mich jedenfalls zu verteidigen wissen, und wenn es nur mit meinem Entermesser ist. Euch würde ich dasselbe empfehlen.“

      „Darauf kannst du dich verlassen“, sagte der Bootsmann. „Ich habe mich mein Leben lang rumgeprügelt, und ich schlage lieber zuerst zu, dann weiß ich wenigstens, woran ich bin.“

      Wieder änderten die Feluken leicht den Kurs. Ihre Absicht war unverkennbar. Sie wollten sich die Karavelle einmal aus der Nähe ansehen, und beim bloßen Ansehen würde es ganz sicher nicht bleiben.

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