Seewölfe - Piraten der Weltmeere 74. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954393916
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      Er stand jetzt auf dem Achterdeck.

      Ben Brighton drehte sich um, begegnete seinem Blick mit tiefem Ernst und erwiderte: „Da hat alles Rufen keinen Sinn, Ed. Da gibt es nur eins.“

      „Zur Insel pullen.“

      „Sehr richtig. Profos, du stellst den Suchtrupp zusammen.“

      Dan O’Flynns Stimme erscholl aus dem Großmars. „Deck! Siri-Tongs Männer pullen heran. Der Boston-Mann ist mit an Bord.“

      Die Seewölfe wandten die Köpfe nach Süden und sahen das Boot, das sich näherte.

      „Die haben die Nase genauso voll wie wir“, sagte Bob Grey. „Die kommen, um uns zu sagen, daß sie ankerauf gehen und abhauen wollen. Auch ohne Siri-Tong.“

      Luke Morgan nickte grimmig. „Eins steht fest. Mich kriegen keine zehn Pferde auf die Insel.“ Er drehte sich dem Profos zu. „Ich hab nämlich gehört, was ihr da eben beschlossen habt, Ed, auch, wenn ihr nur leise gesprochen habt.“

      Carberry setzte sich in Bewegung. Er ging nicht, er schritt zum Backbordniedergang, der das Achterdeck mit dem Quarterdeck verband. Fast gemächlich begab er sich auf die Kuhl. Dabei sagte er: „Luke, es wird Zeit, daß wir uns mal eingehend unterhalten.“ Es klang sanft.

      Dreierlei stimmte an Carberrys Verhalten bedenklich. Erstens stapfte er gewöhnlich – statt zu schreiten. Zweitens sprach er nicht, er brüllte. Drittens würzte er jede Rede mit Flüchen. Die feine, schleichende Art, die er da jetzt an den Tag legte, kündigte Unheil an.

      „Ich hab’s satt!“ rief Luke Morgan. „Das eine sage ich dir, Ed, und dir auch, Ben Brighton: Ich lasse mich nicht verschaukeln. Verheizen auch nicht. Den anderen geht es genauso. Die stehen hinter mir.“

      Carberry war auf der Kuhl.

      Ferris Tucker hatte den Steuerbordniedergang benutzt und befand sich jetzt an der Schmuckbalustrade, die den vorderen Querabschluß des Quarterdecks bildete.

      „Seit wann wird auf der ‚Isabella‘ gemunkelt, gemauschelt und verschaukelt?“ fragte der Profos. „Erkläre mir das mal, Luke, ich hab’s noch nicht ganz begriffen. Meinst du, wir denken uns sinnlose Befehle aus und beschließen so ganz klammheimlich, wie wir euch Männer am besten massakrieren lassen können. Meinst du das?“

      „Es hört sich jedenfalls so an!“ stieß der hitzige Engländer hervor. Er war weiß im Gesicht. Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. „Aber ich spiele da nicht mit.“

      „Meuterei?“ fragte Carberry sanft.

      „Nein. Vernunft. Hör mal, du mußt doch einsehen …“

      „Daß du die Hosen voll hast“, fiel Carberry ihm ins Wort. „Ja, das habe ich jetzt begriffen. Du hast sie gestrichen voll und scheißt dich noch zusätzlich ein, weil du vor würgenden Skeletten, die deiner Meinung nach in der Bucht herumschwimmen, nur so bibberst.“

      „Verdreh mir nicht das Wort im Mund!“ brüllte Morgan. „Dieser verdammte Wikinger, dieser Hund!“

      Der Profos war verblüfft. „Was hat denn der damit zu schaffen?“

      „Der ist längst tot“, ereiferte sich Morgan. „Der kann gar nicht mehr leben. Ich war dabei, als seine ‚Thor‘ in der Windwardpassage in die Luft flog. Das hat niemand überlebt, niemand, sage ich euch. Das alles hier geht nicht mit rechten Dingen zu!“

      Die Männer starrten ihn an. Batuti, der hünenhafte schwarze Mann aus Gambia, löste sich aus der Gruppe auf der Kuhl, schritt auf Luke zu und stellte sich vor ihn hin. „Wie meinst du das, Luke? Der Wikinger hier. In Fleisch und Blut. Du glaubst, er ein Gespenst, he? Wie?“

      Die Blicke bohrten sich förmlich in Lukes Gesicht. Keiner der Männer fügte etwas hinzu, alle warteten auf die Antwort.

      Und Luke nickte. Er stand breitbeinig da und schüttelte die Fäuste.

      „Gespenst? Es ist noch viel schlimmer!“ schrie er voller Wut. „Dieser verdammte Jonas, habt ihr den schon wieder vergessen, ihr Narren? Der hat sich in der Gestalt des Wikingers an Bord der ‚Isabella‘ geschlichen, um uns alle ins Verderben zu locken!“

      Jonas – der Seher, der Unglücksbringer! Die Seewölfe hatten ihn als Schiffbrüchigen aufgenommen, aber er hatte es ihnen schlecht gedankt, daß sie sich um ihn gekümmert hatten. Nur Unheil hatte er ihnen gebracht. Lukes Worte ließen das Bild des Mannes wieder vor den Augen der anderen aufleben – und es war kein Wunder, daß sich plötzlich alle auf Lukes Seite stellten.

      „Der Wikinger hat Schuld!“ rief Matt Davies. „Der Teufel soll hin holen!“

      Er und die anderen schrien durcheinander, es entstand Tumult.

      Ben Brighton blickte entsetzt zu Big Old Shane.

      „Die Ereignisse haben sie geschockt. Sie glauben Morgan aufs Wort“, sagte er.

      „Moment“, sagte Ferris. „Wäre doch gelacht, wenn wir diese Himmelhunde nicht sofort zur Räson brächten!“

      Mit zwei Sprüngen war er auf der Kuhl und rückte erbost auf Luke Morgan zu. Arwenack, mittlerweile wieder auf einem luftigen Posten in den Hauptwanten, begann zu zetern.

      „Sag das noch mal!“ rief der Schiffszimmermann. „Los, spuck’s noch mal aus.“

      „Der Wikinger ist der Jonas“, keuchte Luke. Er stellte sich Ferris mit erhobenen Fäusten entgegen.

      Ferris stieß einen grollenden Laut aus. „Na warte. Ich zeig dir, was der Jonas meiner Meinung nach mit dir hätte tun sollen.“

      „Das kannst du haben, Großmaul!“

      „Reiß das Maul nur nicht zu weit auf, du Zwerg!“

      Luke griff an, bevor Ferris einen Ausfall gegen ihn unternehmen konnte. Er sprang vor, schoß die linke Faust auf Ferris’ Brust ab und dann die rechte in Richtung auf sein Kinn. Der Riese sah rot. Er fluchte, blockte ab, mußte aber doch einen Hieb einstecken – und dann deckte er Morgan mit einem Hagel von Schlägen ein.

      „Laß ihn in Ruhe!“ schrie Bob Grey.

      Er wollte Luke Beistand leisten, wurde aber von dem dunkelrot angelaufenen Carberry gestoppt. Arwenack kreischte Mord und Bein. Dan enterte aus dem Großmars ab. Ben Brighton und Shane marschierten zur Unterstützung von Ferris Tucker und Edwin Carberry vom Achterdeck her an, es folgte Old Donegal Daniel O’Flynn. Der Alte verharrte kurz an der Five-Rail, lehnte sich dagegen und schnallte sein Holzbein ab. Anschließend griff auch er in das Geschehen ein.

      Wüster Tumult brach an Bord der „Isabella VIII“ los.

      Carberry explodierte. Eine Art Röhren löste sich aus seiner Kehle, er räumte Bob Grey mit einer einzigen Handbewegung beiseite. Wie ein Stier walzte er auf Luke Morgan los.

      Ben und Shane krempelten sich die Ärmel hoch. Old O’Flynn stand hinter ihnen, schwang sein Holzbein und brüllte: „Na los, ihr Idioten, wem soll ich das Ding als erstem auf dem Rücken tanzen lassen?“

      Arwenack sauste an den Wanten auf Deck herab, flitzte auf die nächste Nagelbank zu und griff sich zwei Koffeynägel, bereit, sie zu schleudern.

      Dan war neben ihm und rief: „Hört doch auf, ihr Narren, was ist denn nur in euch gefahren?“

      Luke Morgan badete in seinem Schweiß. Er atmete schwer, seine Augen waren unnatürlich geweitet, sein Gesicht verzerrt. Er trachtete, Ferris’ Dekkung zu unterlaufen. Ob er es geschafft hätte und wie der Zweikampf verlaufen wäre, blieb ungeklärt, denn jetzt war Carberry heran.

      Er fuhr wie der Leibhaftige zwischen die Zankhähne.

      „Himmelarsch!“ brüllte er. „Ihr Affenärsche, ihr schlagt euch hier gegenseitig die Schädel ein! Dabei verrecken der Seewolf und die beiden anderen vielleicht da oben. Ihr elenden Satansbraten!“

      Ferris wollte sich Luke nicht vor der Nase wegschnappen lassen, aber der