Seewölfe Paket 30. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783966881043
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vollführte eine abwehrende Geste. „Gar nichts wirst du. An meine Schapps lasse ich dich nicht mehr heran. Die werde ich in Zukunft hüten wie ein Vater seine unschuldigen Töchter.“

      Die Arwenacks konnten ihr Lachen nicht länger zurückhalten.

      Edwin Carberry rieb sich das stoppelbärtige Amboßkinn und grinste von einem Ohr bis zum anderen. Sein narbiges Gesicht sah dabei zum Fürchten aus.

      „Du solltest dich jetzt wirklich um deine unschuldigen Töchter kümmern, du menschlicher Rührlöffel“, sagte er zu Mac. „Wie ich dich nämlich kenne, bruzzeln die in Form von leckeren Speckpfannkuchen in der Pfanne und brennen an, während du Paddy von der Arbeit abhältst.“

      Mac erschrak heftig. Für einen Augenblick schien es, als sei er zur Salzsäule erstarrt.

      „Ach, du heiliger Bimbam!“ entfuhr es ihm. Im selben Moment wirbelte er herum und stürzte in die Kombüse.

      „Habe ich’s nicht gleich gesagt?“ röhrte der Profos. „Jetzt läuft er mit einer qualmenden Bratpfanne um die Wette.“

      Die Mannen bogen sich vor Lachen. Am lautesten aber lachte Paddy, weil er sich plötzlich von dem nörgelnden Koch befreit sah. Und außerdem – ob das Schranktürchen ein bißchen klemmte oder nicht, das durfte man seiner Meinung nach nicht überbewerten.

      Doch Carberry sah das anders, und bevor sich der gute Paddy versah, trat der Profos bereits in die Fußstapfen Mac Pellews. Genauer gesagt: Er fing dort an, wo der Koch aufgehört hatte.

      Nachdem sich der Profos nachhaltig geräuspert hatte, richtete er seinen hochamtlichen Blick wie eine Schwertspitze auf Paddy.

      „Jetzt aber zu dir, du abgekochte Rapunzel. Warum hast du das Türchen nicht einfach ausgehängt und über Bord geworfen, wenn du ein Stück Holz nicht von einem Kohlkopf unterscheiden kannst?“

      Paddy schickte einen hilfesuchenden Blick in den nächtlichen Himmel und faltete die riesigen Pranken, als wolle er vor dem Verzehr der angebrannten Pfannkuchen das Tischgebet sprechen.

      „Fang du nicht auch noch an!“ stieß er hervor. „Das verdammte Türchen ist in Ordnung. Ich habe ihm sogar einen völlig neuen Rahmen verpaßt. Wenn es plötzlich nicht mehr schließt, dann – ja dann muß eben am Schapp selber was schief sein.“

      „Mir scheint, mein lieber Paddy“, sagte der Profos, „daß eher an dir etwas schief ist. Jawohl, ich hab’s auch schon! Die Knollenrübe, die du in deinem lieblichen Gesicht trägst, ist es nicht, aber deine Klüsen sind es. Mir ist das schon vor längerer Zeit aufgefallen, aber jetzt erst bin ich mir sicher: Seit wir bei den Zopfmännern in China waren, hast du nämlich Schlitzaugen. Da staunst du, was? So richtig schön schräggestellte Schlitzaugen. Natürlich kann man mit solchen Klüsen nicht gerade sehen, und damit haben wir auch schon die Erklärung für das schiefe Türchen.“

      Paddy stierte den Profos an, als seien dem Hörner aus dem Kopf gewachsen.

      „Das gibt es doch gar nicht!“ stieß er hervor, und seine Finger betasteten beide Augen.

      Der Profos winkte ab.

      „Mit schiefen Fingern kann man nicht feststellen, ob die Klüsen gerade sind“, erklärte er. „Außerdem: Wenn ich dir sage, daß du Schlitzaugen hast, dann hast du sie auch!“

      Paddy schüttelte verzweifelt den Kopf!

      „Das gibt es nicht“, wiederholte er. „Du – du müßt dich irren, Mister Carberry. Ich meine, jetzt bei Nacht kannst du das auch gar nicht so genau sehen …“

      „Ich hab’s schon gestern am Tag gesehen“, unterbrach ihn der Profos, „und all die Wochen vorher auch. Es sind ja schon etliche Monate ins Land gegangen, seit wir bei den Gelbmännern waren.“

      Der bullige Paddy schluckte hart. „Und – und von was kommt das?“

      „Woher soll ich das wissen?“ Der Profos zuckte mit den Schultern. „Vielleicht ist das ansteckend. Du kannst ja mal den Kutscher fragen. In irgendeinem schlauen Buch findet der bestimmt eine Erklärung dafür.“

      Der Seewolf, der die letzten Ausführungen Carberrys mitgekriegt hatte, preßte zunächst die Lippen zusammen, um nicht laut lachen zu müssen. Dann aber warf er dem Profos einen tadelnden Blick zu.

      „Mein lieber Ed“, sagte er, „findest du nicht auch, daß du es anderen überlassen solltest, sich mit ansteckenden Krankheiten zu beschäftigen?“

      „Klar, Sir“, erwiderte Carberry. „Ich habe normalerweise ja auch gar keine Zeit für solchen Kram. Aber irgendeiner mußte diesem karierten Affenarsch doch endlich mal sagen, daß er windschiefe Klüsen hat, und zwar seit wir in China neue Knallerbsen einkauften.“

      Bevor der Seewolf auf Carberrys Feststellungen eingehen konnte, wandte sich Paddy hilfesuchend an ihn.

      „Sir“, sagte er, und seine Stimme klang beinahe flehend, „ich brauche dringend einen Spiegel. Wenn das stimmt, was Mister Carberry gesagt hat, halten mich alle für einen Chinesen.“

      „Keine Angst, Paddy“, erwiderte Hasard grinsend. „Noch hast du keinen Zopf, der gehört nämlich auch dazu. Und ich hoffe nicht, daß Zöpfe genauso ansteckend sind wie Schlitzaugen. Im übrigen habe ich einen kleinen Spiegel, der steht dir selbstverständlich zur Verfügung.“

      „Oh, vielen Dank, Sir.“ Paddy atmete trotz seines schweren Schicksals erleichtert auf, aber sobald er sich unbeobachtet wähnte, betastete er seinen Hinterkopf. Er konnte jedoch nichts feststellen, was auf das Wachsen eines Zopfes hindeutete.

      Dem Seewolf aber lagen in dieser Nacht ganz andere Dinge am Herzen als Schlitzaugen und Chinesenzöpfe. Die Nähe des spanischen Festlandes stellte eine ständige Gefahr dar, die nicht unterschätzt werden durfte. Hinzu kam die zunehmende Nebelbildung, die die Sicht der Männer im Ausguck stark beeinträchtigte. Die von der Wasserfläche aufsteigenden grauen Schwaden vermischten sich mit der Dunkelheit und bildeten stellenweise kaum noch durchschaubare Dunstwände.

      „Leichentücher“, murmelte Old Donegal mit starrem Blick, „richtige Leichentücher.“ Er deutete auf einige Schwaden, die dicht über dem Wasser schwebten.

      Hasard überließ ihn seinen Gedanken, mit denen er wieder einmal jenseits der Kimm zu weilen schien – in stummer Zwiesprache mit Windsbräuten und Wassermännern. Er wandte sich indessen Al Conroy zu.

      „Alles in Ordnung, Al?“ fragte er.

      Der schwarzhaarige Stückmeister nickte.

      „Wenn es sein muß, sind wir im Handumdrehen gefechtsbereit, Sir. Wenn es den Dons einfallen sollte, erneut ihre Finger nach uns auszustrecken, werden wir ihnen ganz schön was draufgeben.“

      Der Seewolf wußte, daß er sich auf diese Worte verlassen konnte – wie überhaupt auf seine ganze Crew, die wie Pech und Schwefel zusammenhielt.

      Die Armierung des schlanken Dreimast-Seglers gab Al Conroys Worten den nötigen Rückhalt. Die Seewölfe hatten keinen schlechten Griff getan, als sie nach dem Verlust ihrer Dubas diese Schebecke vereinnahmt hatten. Waren vorher algerische Piraten mit ihr im Mittelmeer auf Plünderfahrt gegangen, so lehrten jetzt die Arwenacks mit dem schnellen Segler den spanischen Häschern das Fürchten.

      Als sich der Seewolf wieder nach achtern wandte, wo Pete Ballie am Ruder stand, kam Ferris Tucker auf ihn zu und hielt seine linke Hand in die Höhe. Auf den ersten Blick sah es aus, als winke er jemandem.

      „Was gibt es, Ferris?“ Hasard warf ihm einen erstaunten Blick zu.

      Der rothaarige Schiffszimmermann grinste. „Nicht der Rede wert, Sir. War nur ein kleiner Arbeitsunfall.“

      „Was ist passiert?“

      „Bei den Reparaturen am Backbordschanzkleid ist mir ein Holzsplitter in den Unterarm gefahren. Der Kutscher hat das mit seinem Quacksalberwerkzeug und Salben wieder in Ordnung gebracht. Er sagte, ich solle den Arm hochhalten, um die Blutung zu stillen.“

      Der Seewolf