Impressum
© 1976/2019 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-95439-938-3
Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]
Fred McMason
… und der Teufel holt sie alle
Sie waren Geusen – deshalb mußten sie sterben
Hunger, Durst und Erschöpfung hatten seinen Geist verwirrt und benebelt. Um ihn her schien alles unwirklich und endlos.
In seinem Gesicht waren die Wangen eingefallen, die Augen lagen tief in den Höhlen, die Lippen waren aufgedunsen und geschwärzt. Sein Körper war bis auf die Haut abgemagert und ähnelte einem Skelett. Die tiefeingesunkenen Augen starrten stundenlang blicklos in diese grauenhafte Welt aus Wasser und gleißendem Licht.
Wenn sich in diesen Augen ein Funke regte, verzerrte sich das Gesicht des Mannes zu einem dämonischen Grinsen. Er sah dann vom Heck des kleinen Bootes aus undeutlich und schemenhaft die Gestalt seines Kameraden, der bewegungslos zwischen den Duchten hockte. Diese Gestalt war immer da, und sie redete pausenlos mit ihm, wobei er Mühe hatte, die stammelnden Wortfetzen überhaupt zu verstehen.
Aber die Gestalt gab es nicht mehr, sie existierte nur in seiner Phantasie, denn sein Kamerad war längst tot und über Bord …
Die Hauptpersonen des Romans:
Rijk de Rijkers – Der Holländer und sein Kamerad Joop van Laak sind Wassergeusen, die versuchen, der Inquisition zu trotzen.
Pater Hendrik – Ein Gottesmann, der auch die Fäuste einzusetzen versteht und dafür büßen muß.
Don Alvarez de Sevilla – Der Generalkapitän demütigt seine Gefangenen und spielt sich als Richter auf.
Edwin Carberry – Der Profos versteht die Welt nicht mehr, denn er soll zwei Unschuldige mit der Neunschwänzigen züchtigen.
Philip Hasard Killigrew – Der Seewolf läßt sich zusammen mit Don Juan de Alcazar auf ein riskantes Unternehmen ein.
Inhalt
1.
„Ein kleines Boot an Steuerbord voraus!“
Die Meldung kam von dem Schweden Stenmark aus dem Großmars der „Santa Barbara“.
Die Galeone, die die Seewölfe von den Spaniern „ausgeliehen“ hatten, segelte von den Molukken-Inseln her auf südlichem Kurs durch die Seram-See, weiteren Molukken-Inseln entgegen.
Der Allwetter-Vogel mit dem turmhohen Leinwandgefieder lag gut vor dem Wind und schob eine rauschende Bugwelle vor sich her. Achteraus verlief, blasenwerfend, schaumiges Kielwasser in grünlicher See.
Dan O’Flynn hatte kurz nach der Meldung bereits das Spektiv am Auge und konzentrierte sich auf den winzigen Punkt in der See, der mit bloßen Augen kaum zu erkennen war. Da tanzte lediglich etwas auf den Wellen, mehr war nicht zu sehen.
„Kannst du Genaueres feststellen, Dan?“ fragte der Seewolf. Bisher hatte er noch keine Anweisung zur Kursänderung gegeben.
„Es ist ein kleines Boot, Sir, fast eine Nußschale. Ich kann aber noch nicht erkennen, ob sich jemand darin befindet, oder ob es leer ist.“
Etliche Minuten vergingen, bis der auf und ab schwankende Punkt langsam größer wurde.
„Es hatte mal ein Segel“, sagte Dan O’Flynn. „Aber das ist längst zerfetzt, nur der Notmast steht noch mit ein paar zerrissenen Lappen daran. Es scheint tatsächlich jemand drin zu hocken.“
„Kursänderung, anluven!“ befahl Hasard. „Wir werden uns das einmal aus der Nähe ansehen.“
Die „Santa Barbara“ hielt auf das Boot zu. Als es auf parallelem Kurs lag, ließ Hasard die Segel aufgeien.
Die Männer standen am Schanzkleid und sahen auf das immer näher herantreibende Boot, in dem reglos eine Gestalt hockte. Der Mann lehnte zwischen den Duchten. Sein trüber Blick war auf die Bordwand der Galeone gerichtet, doch er sah sie nicht. Er sah auch nicht die Männer, die ihn entsetzt anblickten. Der verschleierte Blick ging durch alles hindurch und verlor sich dann in unendlicher Ferne.
„Himmel, sieht der schlimm aus“, sagte der Kutscher fassungslos. „Der Mann ist nur noch ein lebender Leichnam.“
Sie alle hatten schon viele Schiffbrüchige gesehen und auch etliche abgeborgen, aber dieser Mann wirkte wahrhaftig wie ein Toter – wie eine von der Sonne getrocknete Mumie.
Faltig, die Gesichtshaut wie Pergament, aufgeworfen und dunkel verfärbt die Lippen, eingetrocknet die Augen, abgemagert bis auf die Knochen, so saß er da. Hin und wieder zuckte es als einziges Zeichen des Lebens in seinem furchtbaren Gesicht.
Die Sonne hatte schwarze Flecken in seine Haut gebrannt. Manche dieser Flecken waren aufgebrochen wie Eiterpusteln. Auch sein nackter Oberkörper war schwarz wie der eines Negers.
Er trug nur eine ausgebleichte Hose, mit einem zerfaserten Strick als Gürtel, mehr nicht.
Er sah das Schiff immer noch nicht und bemerkte nicht die Gestalten, die sich jetzt anschickten, ihn zu bergen. Sein Blick war nach wie vor ausdruckslos und weltentrückt, als horche er in sich hinein.
Mac Pellew holte eine Decke und breitete sie im Schatten des Niederganges aus. Auch eine Muck mit Wasser hatte er besorgt.
Inzwischen hatten Ferris Tucker, Blacky, der Profos Edwin Carberry und Sam Roskill das Boot an die Bordwand gezogen und vertäut. Die Männer enterten in das winzige Boot ab.
Ferris sog tief die Luft ein, als er den Mann aus unmittelbarer Nähe sah.
Er ähnelte mehr denn je einer Leiche, wenn nicht dieses Zucken um die aufgeworfenen Lippen gewesen wäre. Mitunter erinnerte es an ein stupides und einfältiges Grinsen, und dann murmelte der Mann ein paar völlig unverständliche Sätze.
Erst jetzt, aus der Nähe, sahen sie, daß er einen Schnauzbart trug, und zwar nach türkischer Art. Die Haare waren dunkelblond, wirkten aber durch die verfärbte Haut schwärzlich.
Zwischen den Duchten im Boot lagen zwei lederne Schnappsäcke und zwei hölzerne Becher. Zusammengeknüllt fanden sich noch ein Wams und zwei kurze Mäntel aus grobem grauem Tuch.
Der Unbekannte trug eine dünne silberne Kette um den Hals, an der eine aus Kupfer getriebene Münze hing.
„Bewegt ihn ganz vorsichtig“, sagte der Kutscher besorgt. „Jede unvorsichtige Bewegung kann ihn umbringen.“
„Das