Impressum
© 1976/2019 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-95439-998-7
Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]
Burt Frederick
Die Teufel der Araberküste
Ihre Grausamkeit kennt keine Grenzen …
Der Nebel erdrückte sie fast.
Mit wattigem Grau, von keiner Brise bewegt, lag er über der Wasseroberfläche, und die Männer hatten das Gefühl, daß ihnen selbst das Atmen erschwert wurde.
Aber die Gier trieb sie.
Sie bewegten lautlos die Riemen, und das Boot glitt wie von Geisterkraft getrieben durch das Grau.
Auch die Kleidung war grau, und so verschmolzen sie fast mit der unwirklichen Umgebung.
Ihre Waffen hatten sie mit Tuch umwickelt, damit kein verräterischer Laut verursacht wurde.
Es war ein großes, stolzes Schiff, das sie in ihre Gewalt bringen wollten. Dazu mußten sie ihre ganzen Fähigkeiten aufbieten …
Die Hauptpersonen des Romans:
Ahmet Üzürgül – Ein türkischer Oberschnapphahn, der eine besondere Taktik entwickelt hat, nur im Nebel einen Coup auszuführen.
Günel – Die junge Türkin, die von Üzürgül entführt wurde und die Flucht plant.
Philip Hasard Killigrew – Der Seewolf erhält in seiner Kapitänskammer Besuch, aber von einer Einladung kann keine Rede sein.
Ben Brighton – Hasards Erster Offizier und Stellvertreter steht vor einem schwierigen Problem und muß etwas riskieren.
Donegal Daniel O’Flynn – Hat erstmals eine Dhau unter seinem Kommando und bricht mit ihr zu einem Raid auf.
Inhalt
1.
Es war wie ein Schweben im Nichts.
Philip Hasard Killigrew öffnete eins der Bleiglasfenster in der Kapitänskammer. Nichts änderte sich. Die Luft stand draußen wie eine unbewegte graue Masse, zum Schneiden dick. Während der ganzen Nacht hatte es keine Abkühlung gegeben, und auch jetzt, am frühen Morgen des 20. April Anno 1597, ließ die Nebelwand nicht einmal einen frischen Lufthauch in die Unterdecksräume der „Santa Barbara“ dringen. Die Feuchtigkeit hatte sich nur noch erhöht.
Der Seewolf schloß das Fenster wieder.
Es war still an Bord. Der Sonnenaufgang stand noch bevor, wenn er auch kaum wahrzunehmen sein würde. Bis auf die Deckswachen, deren ruhige Schritte vom Hauptdeck zu vernehmen waren, genoß die Crew ihre wohlverdiente Nachtruhe.
Die Stille, die das Schiff umgab, war absolut.
Kein Geräusch sickerte durch den Nebel. Kein Schrei eines Seevogels war zu hören, der etwa den Tag begrüßt hätte. Kein Wellenschlag, der mit sanftem Schmatzen gegen den Rumpf der Galeone geklatscht wäre.
Seit den späten Nachmittagsstunden des 19. April, als auch der Nebel heraufgezogen war, herrschte bereits völlige Windstille. Der Seewolf hatte Treibanker ausbringen lassen, obwohl nach den Feststellungen Dan O’Flynns keine Abdrift durch etwaige Strömungen zu befürchten war. Stunden darauf, schon in der Nacht, als aber die Gestirne noch erkennbar gewesen waren, hatte Dan neue Berechnungen angestellt und seine anfänglichen Erklärungen bestätigt gesehen. Die Position der „Santa Barbara“ hatte sich kaum verändert.
Dan O’Flynn brauchte seine Zuverlässigkeit als Navigator nicht mehr unter Beweis zu stellen.
Sie lagen etwa zwanzig Seemeilen nördlich der küstennahen Insel Abu Ali, und sie würden weiter Kurs auf Kuweit nehmen, sobald Nebel und Flaute vorüber waren. In der Hafenstadt im nordwestlichen Zipfel des Persischen Golfs hofften Hasard und seine Gefährten neue Informationen zu erhalten. Informationen über jene geheimnisvolle Route, die vom Golf über den Irak und Persien ins Mittelmeer führen sollte.
Der Seewolf wandte sich vom Fenster ab und kehrte auf seinen Platz am Tisch zurück. Er schlug das Logbuch auf und zog Tintenfaß und Federkiel zu sich heran. Mit präzise schräggeneigten Federstrichen trug er das Datum des neuen Tages ein. Dann ließ er den Kiel sinken.
Ich bin besessen, lautete der Gedanke, der ihm durch den Kopf flog.
Er erschrak fast. Aber es verhielt sich so, wie dieser Unbeabsichtigte Gedanke es ausdrückte. Er war in der Tat besessen von der Vorstellung, diesen unbekannten Schiffahrtsweg zu entdecken. Widersprach es nicht seinen alten Prinzipien, stets einen klaren Kopf zu bewahren und die Dinge mit nüchternem Überlegen anzugehen?
Aber nicht einmal Ben Brighton, der gründliche Denker, hatte diesmal etwas auszusetzen gehabt. In der Tat schien die gesamte Crew von der Entdeckerbegeisterung der Zwillinge angesteckt worden zu sein.
Der Seewolf beruhigte sich mit der Folgerung, daß es nicht der Stolz auf seine Söhne gewesen war, von dem er sich hatte leiten lassen. Und er hatte auch keine einsame Entscheidung getroffen. Bei allen Beschlüssen, die einschneidende Auswirkungen auf die ganze Mannschaft haben konnten, wurden stets auch sämtliche Crewmitglieder beteiligt.
Nichtsdestoweniger hatte der geheimnisvolle Kartenfund der Zwillinge auf den Seychellen mehr als nur Abenteuerlust und Forscherdrang geweckt. Tief in ihnen schlummerte das Bestreben, auch für England wieder einmal etwas zu tun.
Meist fluchten sie auf die alte Heimat, die man ihnen so gründlich verleidet hatte. Und nicht selten ließen sie kein gutes Haar an ihrem Land, wenn sie irgendwo in einer Hafenschenke in Stimmung gerieten. Doch hinter all den rauhen Worten verbarg sich doch eine gehörige Portion jenes Zugehörigkeitsgefühls, das sie immer noch mit dem Land ihrer Väter verband und das sie wohl niemals ganz abschütteln konnten.
Denn aus England waren sie nicht von ihresgleichen vertrieben worden, geschweige denn, daß sie bei Königin Elizabeth I. in Ungnade gefallen wären. Nein, es waren ausschließlich die finsteren Elemente bei Hofe gewesen, die die Seewölfe dazu gebracht hatten, in der Karibik den Bund der Korsaren zu gründen und sich eine neue Heimat zu schaffen.
Nach wie vor existierte der Stützpunkt an der Cherokee-Bucht.
Aber England war nahe.
Dieses Bewußtsein, daran zweifelte der Seewolf nicht, hatte bei jedem einzelnen Mann an Bord der „Santa Barbara“