„Sehr gut“, sagte er, „dann hat alles seine Richtigkeit. Sie werden morgen von uns hören, Sir John. Ich werde mich bei dem Lordrichter für Sie verwenden.“
„Heißt das, ich komme frei?“ fragte Sir John heiser vor Aufregung und Freude.
Der Earl lächelte etwas blasiert.
„Noch heißt das gar nichts“, sagte er kühl. „Ich sagte nur, daß wir uns für Sie verwenden werden.“
„Sie werden es nicht bereuen, Gentlemen. Ich werde Sie zu unermeßlichen Schätzen und Reichtümern führen. Das alles gehört natürlich der Krone“, setzte er hastig hinzu, „aber Sie werden es schon dem rechtmäßigen Eigentümer zuführen.“
„Ganz sicher“, versprachen die beiden. Aber unter dem „rechtmäßigen Eigentümer“ verstanden sie alle etwas ganz anderes.
Auch das alte Schlitzohr von Arwenack Castle verstand etwas anderes darunter. Aber bevor er kräftig zulangen konnte, mußte er erst einmal hier heraus sein.
Als die erlauchten Gentlemen gingen, rieb er sich die Hände und ließ sich wieder in die Zelle zu seinen beiden Ferkelsöhnen führen.
Zwei Tage später war Sir John ein freier Mann. Auch seinen beiden Söhnen wurde die weitere Freiheitsstrafe erlassen. Die ehrenwerten adligen Herren hatten den Obersten Lordrichter noch einmal kräftig geschmiert, und so nahm alles seinen Lauf.
Die Audienz bei der Königin fand am nächsten Vormittag im großen Audienzsaal von Whitehall statt.
Sir John fühlte sich sehr unbehaglich. Er war zwar frisch gewaschen, trug feine Kleider und hatte gekämmte Haare, aber wenn er das Maul öffnete, sah man seine schlechten halbvergammelten Zähne.
Die anderen Gentlemen nahmen ihn auch gar nicht zur Kenntnis. Sie behandelten ihn eher wie einen großen Köter, der sich versehentlich nach Whitehall verlaufen hat.
Anwesend waren der Lordkanzler, Lord Burgley, der Staatssekretär Sir Francis Walsingham, drei Berater und zwei Schreiber, die alles zu Protokoll nahmen.
Auch die Königin übersah Sir John geflissentlich, denn diese bullige hemdsärmelig wirkende Gestalt paßte nicht hierher. Da half auch all das feine Tuch nichts, das Sir John trug.
Die Atmosphäre war kühl und distanziert. Lord Cliveden hatte bei der Königin interveniert und für Hasard gesprochen. Aber ihr waren alle Gerüchte vorgetragen worden. Sie hatte die Warnungen und Vorhaltungen Lord Clivedens ignoriert und längst beschlossen, den drei Gentlemen bei der Jagd nach dem Seewolf freie Hand zu lassen.
Wenn die jedoch glaubten, ihre Lissy würde das Unternehmen zu einem Teil aus der königlichen Schatulle finanzieren, dann hatten sie sich gewaltig getäuscht.
Das Vorgeplänkel bestand darin, daß Sir Henry und Sir Andrew ihre Sorge um das Wohl der englischen Krone vortrugen, wozu Sir John stumm und beipflichtend nickte. Das Wohl der Krone lag ihm außerordentlich am Herzen, wobei er immer nachdrücklicher nickte und sein Gesicht in ernste und besorgte Falten legte, als ginge es der Krone bereits ernstlich an den Kragen.
Noch einmal wurden ganz offiziell die Vorwürfe gegen Philip Hasard Killigrew erhoben, bis Ihre Majestät ungnädig abwinkte.
„Das alles ist mir bereits bekannt“, sagte sie unwirsch. „Was erwarten Sie jetzt von mir?“
„Wir wollen diesen Mann jagen und zur Strecke bringen“, sagte der Duke tollkühn. „Es geht nicht an, daß er Schätze hortet und sie der Krone vorenthält, die sie dringend benötigt. Dieser Mann schädigt den Ruf Englands und betrügt die Krone. Deshalb bitten wir Majestät untertänigst, ihn …“
„Genehmigt“, unterbrach die Königin. „Sie erhalten hiermit den ehrenvollen Auftrag nach Philip Hasard Killigrew zu forschen, ihn gefangen zu setzen und nach England zu verbringen, wo sich der Oberste Lordrichter mit der Angelegenheit befassen wird.“
„Ergebensten Dank, Majestät“, murmelte Sir Henry. „Dieser Aufwand ist leider mit hohen Kosten verbunden.“
Bei der allbekannten Habgier ihrer Majestät kam Sir Henry mit seinen Andeutungen allerdings schlecht an. Die Königin hatte nicht die Absicht, das Unternehmen aus ihrer Privatschatulle zu finanzieren. Ihre Antwort fiel daher sehr kühl aus.
„Auch das ist mir bekannt. Aber es ist wohl selbstverständlich, daß Sie zum Wohle Englands ein kleines Opfer bringen, Sir Henry, zumal Sie nicht gerade ein bescheidenes Leben führen, seit Ihnen der Duke-Titel zufiel.“
Sir Henry wußte darauf nicht viel zu sagen, sondern begnügte sich mit einem plumpen Grinsen. Das kleine Opfer schnitt ihm zwar ins Herz, aber da waren später ja hoch große Brocken zu holen, und vor den Erfolg hatten die Götter nun einmal den Schweiß gesetzt.
„Immerhin“, sagte die Königin nach kurzem Nachdenken, „bin ich bereit, Ihnen vier Kriegsgaleonen zur Verfügung zu stellen und auch Kaperbriefe ausstellen zu lassen. Es könnte ja sein, daß Ihnen unterwegs ganz zufällig ein Schiff begegnet und Sie gezwungen sind, es zu beschlagnahmen. Nachdem dann der Ertrag an die Krone abgeführt ist, werde ich entscheiden, wie hoch Ihr jeweiliger Anteil ist, Sir Henry. Er ist natürlich um so höher, je größer der Beuteertrag ist.“
Die drei Ehrenmänner nickten etwas beklommen. Die gute Bess verstand es vorzüglich und meisterhaft, das eine mit dem anderen zu verbinden, sozusagen gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.
„Sie sollten sich in diesem Fall ein Beispiel an dem Mann nehmen, den Sie zu jagen beabsichtigen“, fügte sie süffisant lächelnd hinzu.
„Immerhin hat es dieser Killigrew fertiggebracht, eine ungeheuerliche Beute heimzubringen und der Krone zu übergeben. Nehmen Sie sich wirklich ein Beispiel daran.“
Die drei Dunkelmänner wußten nicht, ob sie lächeln oder ernst bleiben sollten. Der Duke entschied sich für ein zaghaftes Grinsen. Sir Andrew nickte ernsthaft, während Sir John hüstelnd seine Knollennase rieb und auf den Boden stierte.
Immerhin, dachte er, sie rückt vier Kriegsgaleonen heraus. Aber da war noch sein Schiffchen, die beschlagnahmte Karavelle „Lady Anne“, die man an die Kette gelegt hatte. Vielleicht konnte man da nachsetzen. Von Dankbarkeit gegenüber den „Sirs“ war das alte Schlitzohr jedoch weit entfernt. Er dachte schon viel weiter. Wenn er erst einmal die „Lady Anne“ hatte, dann würde er den ehrenwerten Gentlemen schon die Eselsmützen aufsetzen. Das mußte aber die Zeit mit sich bringen, es durfte nichts überstürzt werden.
Innerhalb kurzer Zeit waren die Kaperbriefe ausgestellt und gesiegelt.
Sir John beugte sich zur Seite und flüsterte dem Duke zu: „Vielleicht wäre es möglich, Sir Henry, daß man mir meine Karavelle zurückgibt. Das würde den Verband um ein weiteres Schiff verstärken, und wir wären schlagkräftiger.“
Sir Henry leuchtete das ein, zumal die Karavelle ja doch nutzlos herumlag. Jedes weitere Schiff war daher wie ein Geschenk.
Er wollte seine Bitte der Königin gleich vortragen, doch die erklärte die Audienz für beendet und verwies die ehrenwerten Gentlemen an den Schatzmeister der Krone, Sir Francis Walsingham. Dann entschwand sie mit einem hoheitsvollen Kopfnicken.
Etwas später war auch das geklärt. Sir John sollte seine Karavelle zurückerhalten. Im Geist rieb er sich nach dieser Zusage die Hände, denn damit hatte er freie Hand und konnte den Viererverband um ein weiteres Schiff verstärken. Er dachte aber an alles andere als das. Sicher ergab sich früher oder später die erhoffte Gelegenheit, kräftig abzusahnen, die anderen Gentlemen zu bescheißen und ihnen die obligatorischen Eselsmützen aufzusetzen.
Daß Sir John die Karavelle „Lady Anne“ getauft hatte, war an sich schon ein Witz, denn bei dem jetzigen Zustand konnte von einem ehelichen Verhältnis zwischen Sir John und Lady Anne längst keine Rede mehr sein.
Als die Gentlemen ihre Kaperbriefe in Empfang nahmen,