Seewölfe - Piraten der Weltmeere 375. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397839
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dazu haben, es jemand anderem mitzuteilen. Außerdem war er viel zu ehrenhaft und pflichtbewußt. In diesem Punkt konnte sich Don Rafael auf ihn verlassen – wie auch in allen anderen Angelegenheiten des Borddienstes. In dieser Hinsicht verkannte er Correa also, indem er ihn für einen verkappten Meuterer hielt. Unterschwellig war ihm das bewußt, nur wollte er es vor sich selbst nicht eingestehen, denn dahinter stand die Tatsache, daß ein Mann wie Martin Correa ein besserer Schiffsführer gewesen wäre als Don Rafael Manzano mit seinem skrupellosen, eigensüchtigen Charakter.

      „Sie haben die Ehre, aber geheime Aufgabe, im Auftrag der Casa de Contratación auf der Insel nach Gold zu fahnden“, sagte Don Rafael. „Es besteht kein Zweifel daran, daß es dort welches gibt, denn das geht aus den geheimen Unterlagen der Casa hervor.“

      „Darf ich mir diese Unterlagen ansehen?“

      „Nein, Sie könnten ohnehin nicht viel damit anfangen“, entgegnete Don Rafael schroff. „Und noch etwas. Falls Sie irgend jemandem etwas über diesen Geheimauftrag verraten, sind Sie ebenfalls ein toter Mann.“ Er hielt es auf jeden Fall für richtig, diese Drohung auszustoßen – damit Correa nicht etwa doch auf dumme Gedanken verfiel.

      „Ja, Señor“, sagte Correa wütend.

      Don Rafael lächelte dünn und verächtlich. „Vor der Rückreise nach Spanien hole ich Sie hier wieder ab. Fragen Sie mich jetzt nicht, wann das sein wird. Ich kann es Ihnen nicht sagen. Aber wenn ich mit der ‚San Nicolas‘ wieder hier vor Anker gehe, will ich Ergebnisse von Ihnen sehen.“

      „Selbstverständlich, Señor“, sagte Correa. „Wenn es auch nur einen Klumpen Gold gibt, dann finde ich ihn.“

      „Gut. So gefallen Sie mir schon besser.“

      „Ich werde Ihnen noch zeigen, zu was ich in der Lage bin, Señor Capitán.“

      „Recht so.“ Don Rafael entging der Doppelsinn dieser zuletzt von Martin Correa gesprochenen Worte. Er dachte bereits an das Gold, das er von San Salvador abholen würde. Die Vorstellung allein verblendete ihn und versetzte ihn in einen tranceähnlichen Zustand. Er würde ein sehr reicher Mann sein und sich in Spanien zur Ruhe setzen – für den Rest seines Lebens.

       2.

      Martin Correa war ein geradliniger, tapferer und zäher Mann. Er fand sich mit dem Befehl ab und bereitete sich auf das trostlose Insulaner-Dasein vor. Während die „San Nicolas“ an der Westküste von San Salvador vor Anker ging und das Beiboot abgefiert wurde, räumte er seine Achterdeckskammer. Sorgsam schaute er sich noch einmal um, nachdem er seine Sachen zusammengepackt hatte, aber er hatte nichts vergessen.

      Er trug seine Habseligkeiten an Deck und ließ sie von den Decksleuten in das Boot verfrachten. Dann enterte er aufs Achterdeck und begann, sich von den Offizieren zu verabschieden.

      Albeniz und die anderen Achterdecksoffiziere bedauerten zutiefst, daß Correa sie verließ. Aber auch die Decksleute waren betroffen – und zum Teil sogar verärgert. Jeder mochte Correa, jeder begriff, daß diese „Sonderaufgabe“ nur eine Schikane von Don Rafael sein konnte, der an Bord der „San Nicolas“ der am meisten gehaßte Mann war.

      Aber niemand wagte aufzubegehren, als Don Rafael verkündete: „Señor Correa hat sich bereit gefunden, sich auf Guanahani aussetzen zu lassen, um die Insel genau zu vermessen und zu erkunden. Dieser tapfere und selbstlose Einsatz soll jedem Mann an Bord ein Beispiel sein!“

      Correa verließ wortlos das Achterdeck und enterte über die Jakobsleiter in das Beiboot ab. Zwei Rudergasten und ein Seesoldat pullten ihn an Land. Als sich die Jolle mit einem leisen Knirschen in den Sand schob, sah einer der Männer zu ihm auf. Er schien etwas sagen zu wollen, aber Correa schüttelte nur kaum merklich den Kopf.

      Jeder Kommentar war überflüssig. Und es war widersinnig und töricht zugleich, den Anlaß für eine Meuterei zu nutzen. Jeder Versuch, den Kapitän zu stürzen, würde mit einem Blutbad enden, ganz abgesehen davon, daß Correa strikt gegen jede Art von Massenaufstand an Bord war. Er hätte – wegen des großen Vertrauens und der Sympathien, die er genoß – die Möglichkeit dazu gehabt, eine Meuterei anzuzetteln, aber es widerstrebte ihm.

      Er ahnte jedoch bereits, daß Don Rafael Manzano offenbar die Absicht hatte, hier sein eigenes Süppchen zu kochen. Gold für die Casa? Die Casa wußte nichts von diesem „Geheimunternehmen“, und kein Vertreter des Königs und der Admiralität würde jemals erfahren, daß Don Rafael das Gold unterschlug.

      Sollte es auf San Salvador Gold geben und Correas Verdacht bezüglich Don Rafaels Absichten bestätigte sich, würde Correa in Spanien Anklage gegen ihn erheben. Dies nahm er sich vor, als er auf den Strand trat und zurück zur „San Nicolas“ blickte.

      Er war empört über diesen Schinder, der ihn eiskalt einem ungewissen Schicksal überließ. Aber er schwieg und gehorchte – angesichts der Tatsache, daß er andernfalls in der nächsten halben Stunde an der Rah baumeln würde. Don Rafael hatte die absolute Macht an Bord der Galeone, unterstützt durch die Seesoldaten, die er als seine Leibgarde betrachtete.

      Martin Correas Habseligkeiten wurden an Land gesetzt: eine truhenartige Kiste, ein zugebundener Sack und eine Muskete samt Munition, Spaten, Kessel, Kleidung und anderem Zubehör, vor allen Dingen Proviant und Trinkwasser für die ersten Tage.

      „Beeilung!“ rief der Seesoldat den beiden Seeleuten zu. „Wir haben hier keine Zeit zu verlieren! Schnell, zurück zum Schiff!“

      Sie verabschiedeten sich von Correa, stiegen wieder ins Boot und pullten zurück zur „San Nicolas“. Correa stand am Strand und sah ihnen nach. Der Seesoldat saß jetzt im Bug des Bootes. Die beiden Rudergasten waren ihm, Correa, zugewandt. Sie schnitten verdrossene Mienen.

      An seinem verbissenen Gesicht konnten sie leicht erkennen, daß hier von „freiwillig“ keine Rede sein konnte. Aber niemand wagte, Fragen zu stellen oder sich über das Unternehmen kritisch zu äußern. Das Boot ging bei der „San Nicolas“ längsseits und wurde wieder an Bord gehievt.

      Die „San Nicolas“ ging ankerauf, um die nächste Insel anzusteuern – Santa Maria de la Concepción beispielsweise, Fernandina oder Ymey. Martin Correa blickte ihr nach, hob aber nicht die Hand zum Gruß. Niemand winkte ihm zu. Don Rafael Manzano hatte den Befehl gegeben, solche „Rührseligkeiten“ gefälligst zu unterlassen.

      Correa drehte sich langsam um. Sein Blick wanderte über den Strand und die Hügel im Inneren der Insel.

      „Einen schönen Tag wünsche ich“, sagte er zu nicht vorhandenen Zuhörern. „Hoffentlich bin ich hier auch willkommen. Ich bin gewissermaßen als Nachhut des Señor Kolumbus hier.“

      Reiner Galgenhumor, aber irgendwie mußte er sich selbst bei Laune halten, sonst scheiterte er schon in den ersten Tagen an der Einsamkeit und dem Problem der Nahrungsmittelbeschaffung. Mit grimmiger Miene begann er, sich mit seinen Sachen zu beladen und sie zu den Palmen zu tragen, die freundlich zu ihm herüberzugrüßen schienen.

      Es war ein sonniger Tag, und die Palmenwipfel spendeten nur wenig Schatten. Martin Correa ließ sich auf seiner Kiste nieder, wischte sich den Schweiß von der Stirn und verfluchte Don Rafael, die Casa de Contratación, den König von Spanien, Kolumbus und alle, die entfernt mit der ominösen „Expeditionsreise“ zu tun hatten. Die Mastspitzen der „San Nicolas“ waren an der Kimm verschwunden. Jetzt halfen weder Humor noch Selbstironie, das Gefühl des Alleinseins zu übergehen.

      Er war auf sich allein gestellt und den Unbilden der Natur ausgeliefert. Das Wetter konnte umschlagen, sozusagen von einem Moment zum anderen. Im Dickicht lauerten Gefahren mannigfacher Art: Giftschlangen, giftige Pflanzen und Insekten, um nur einige zu nennen. Vielleicht war Guanahani inzwischen auch wieder bewohnt. Wer sagte ihm denn, daß in den Büschen nicht bereits braunhäutige Gestalten lauerten, die nur darauf warteten, ihn umzubringen?

      Er schüttelte den Kopf. Es hatte keinen Zweck, sich selbst verrückt zu machen. Er mußte sich im Zaum halten und methodisch und mit äußerster Disziplin vorgehen.

      Er