Der Kutscher und Mac Pellew fuhren herum. Erschrecken und Empörung entstanden nahezu gleichzeitig in ihren schweißglänzenden Gesichtern. Der Kutscher, der dem Profos am nächsten stand, hob drohend den großen Holzlöffel aus dem Topf. Eine graue, breiige Masse klebte an dem Löffel.
„Was fällt dir ein, hier so reinzuplatzen?“ sagte der Kutscher zornig.
„Und spiel dich gefälligst nicht auf“, fügte Mac Pellew knurrend hinzu. „Hier gibt’s nichts herumzumeckern. Wenn dir an unserem Essen was nicht paßt, kannst du dich hinterher beschweren. Nicht vorher.“
„Das könnte dir so passen“, entgegnete der Profos dröhnend. „Wer ist für die Bordroutine verantwortlich – du oder ich?“
„Was soll denn das wohl mit Bordroutine zu tun haben?“ fauchte Mac Pellew. „Du denkst doch bloß an deinen eigenen Wanst – beziehungsweise daran, wie du ihn dir am zweckmäßigsten vollschlagen kannst.“
„Keine Diskussionen bitte!“ fuhr der Kutscher energisch dazwischen, ehe Carberry zu einer donnernden Erwiderung ansetzen konnte. „Wir wollen mit unserer Arbeit fertig werden, und die Männer haben ein Recht auf ihr Frühstück.“
„Haargenau.“ Carberry nickte grimmig. „Sie haben aber auch ein Recht darauf, daß sie was Gutes zwischen die Kiemen kriegen. Und genau das werde ich jetzt kontrollieren. Was, in aller Welt, ist das?“ Sein ausgestreckter Zeigefinger fuhr wie eine zustoßende Lanze in Richtung auf das Schmatzen und Blubbern, das aus den Töpfen drang.
Die beiden Kombüsenmänner wechselten einen Blick, der ihre uneingeschränkte Einigkeit verdeutlichte.
„Porridge“, entgegnete der Kutscher, und es klang geradezu trotzig.
Die Kinnlade des Profos sackte weg. Mehrere Sekunden lang starrte er die beiden Kombüsenmänner ungläubig an.
„Das kann nicht euer Ernst sein“, sagte er dann mit tonloser Stimme. „Himmel, Arm und Zwiebelfisch, das kann doch wirklich nicht euer Ernst sein.“
„Mister Carberry“, sagte der Kutscher, indem er seine Haltung straffte. „Ich muß dich ernsthaft bitten, uns jetzt in Ruhe zu lassen. Porridge muß ständig umgerührt werden, sonst brennt er an.“
Mac Pellew nahm es als wichtigen Hinweis und setzte seine Rührtätigkeit fort, ohne den Profos noch eines Blickes zu würdigen.
Der Profos schüttelte den Kopf, als hätte er nicht richtig gehört.
„Ich will mich ja nicht aufregen“, sagte er und blieb dabei so ruhig, wie er nur konnte. „Ich werde auch nicht anfangen, herumzubrüllen. Keine Sorge. Ihr sollt nicht das Gefühl haben, daß ihr was verbrochen hättet. Alles, was ich will, ist eine klitzekleine Erklärung. Ihr habt also diese englische Pampe zusammengerührt, und das ist alles. Das soll alles sein, was es zum Frühstück gibt? Habe ich das richtig verstanden?“
„In der Tat“, erwiderte der Kutscher standhaft. „Und ich verwahre mich in aller Form gegen die Bezeichnung ‚englische Pampe‘. Porridge ist ein nahrhaftes Gericht, das schon Generationen von Engländern zu Mumm in den Knochen verholfen hat.“
„Genau!“ rief Mac Pellew bekräftigend. „Auf die guten Sachen aus unserer alten Heimat sollten wir auch mal ein bißchen stolz sein. Das Herummäkeln können wir denen überlassen, die nicht wissen, was gut schmeckt.“
Carberry verdrehte die Augen und sandte einen hilfesuchenden Blick in die tief hängenden Wolken.
„Herr im Himmel!“ sagte er händeringend und mit vollendet gespielter Verzweiflung. „Sei ihren armen Seelen gnädig, denn sie wissen nicht, was sie tun. Sie sind nicht mehr sie selbst, da sie sehenden Auges eine ganze Schiffsmannschaft ins Unglück stürzen.“
„Jetzt reicht es!“ rief der Kutscher zornbebend. „Erstens brauchst du dir keine Mühe zu geben, Pater David nachzuäffen. Das schaffst du sowieso nicht. Und zweitens bin ich nicht mehr bereit, deinen Unsinn anzuhören.“
„Ich auch nicht!“ ließ sich Mac Pellew vernehmen.
„Wenn du uns noch länger bei der Arbeit behinderst“, sagte der Kutscher, „sehe ich mich gezwungen, mit einer entsprechenden Beschwerde an den Kapitän heranzutreten.“
Carberrys Kinn klappte zum zweiten Male weg.
„Das reicht“, sagte er dumpf. Er schüttelte die Rechte mit erhobenem Zeigefinger. „Damit wir uns richtig verstehen, Mister Kutscher und Mister Pellew: Wenn ich von der Bordroutine spreche, habe ich meine Gründe. Dies wird ein harter Tag für die Crew. Das ist abzusehen. Vielleicht gibt es sogar Sturm. Von den Männern wird einiges verlangt werden. Und da sollen sie bis mittags nichts anderes in den Bauch kriegen als diese miese Pampe aus Wasser, Salz und Hafermehl? Sträflinge sind nicht schlechter dran! Ich wette, daß sie im Tower sogar bessere Verpflegung kriegen.“
Der Kutscher sah auf einmal aus, als hätte er eine Bramstenge verschluckt.
„Nein“, keuchte er. „Das halte ich nicht mehr aus. Ich bin nicht bereit, solche ungerechtfertigten Vorwürfe noch länger hinzunehmen. Laß mich durch, Mister Carberry, ich werde dem Kapitän diesen ungeheuerlichen Fall vortragen. Es geht nicht anders. Du hast es dir selbst zuzuschreiben.“
Carberry trat beiseite und grinste. „Umgekehrt wird ein Schuh draus. Du bist derjenige, der klein und häßlich werden wird. Ich sehe euch beide schon, wie ihr die Pampe über Bord kippt. Zu bedauern sind dann bloß die Fische in der Themsemündung. Die armen Viecher kriegen garantiert einen Blähbauch, treiben an die Oberfläche und sind erledigt. Tierquälerei ist das auch noch, aber das werden wir wohl in Kauf nehmen müssen.“
Der Kutscher ging an ihm vorbei, ohne weiter hinzuhören.
Der Seewolf sah Dan O’Flynn lächelnd an. Auch Pete Ballie grinste sich eins. Längst hatten sie den Inhalt der Auseinandersetzung mitgekriegt. Al Conroy, der beim Überprüfen der vorderen Drehbassen innehielt, rieb sich nachdenklich das Kinn. In der Haut des Seewolfs mochte er in diesem Fall nicht stecken. Es war verdammt nicht leicht, eine gerechte Entscheidung zu treffen. Denn was die Verpflegung betraf, waren die meisten an Bord empfindlich wie Mimosen.
„Sir, ich bitte um eine Unterredung“, sagte der Kutscher gekränkt und nahm vor Philip Hasard Killigrew Aufstellung.
„Gewährt“, antwortete der hochgewachsene, breitschultrige Mann, in dessen schwarzem Haar die ersten Silberfäden zu sehen waren. „Die Vorgeschichte kannst du dir ersparen, da ich jedes Wort mitgehört habe.“ Er wandte sich Carberry zu, der sich mittlerweile neben dem Kutscher aufgebaut hatte. „Jeder von euch beiden erklärt in drei Sätzen, was er dem anderen vorzuwerfen hat.“ Mit einer Handbewegung forderte er den Mann aus der Kombüse auf, als erster das Wort zu ergreifen.
„Mister Carberry mischt sich in Mister Pellews und meine Arbeit ein, Sir. Er beschimpft uns auf unflätige Weise, weil wir das englische Traditionsgericht Porridge zubereiten. Wir tun unser Bestes, und wir wissen sehr genau um die Verantwortung, die wir letztlich für den Gesundheitszustand der Mannschaft tragen.“
Der Seewolf nickte und gab dem Profos das Zeichen, zu sprechen.
„Also, Sir, ich will mal versuchen, das in drei Sätzen zu verklaren …“
„Jetzt hast du nur noch zwei, Mister Carberry.“
Carberry blinzelte und schluckte. Dann zog er die Brauen hoch und gab sich einen Ruck. „Unsere beiden Kombüsenhechte wollen nichts weiter als Porridge zum Frühstück auftischen. Im Hinblick auf die Bordroutine, muß ich das beanstanden, weil jeder erwachsene Mann mit dieser labberigen Pampe im Magen nach einer halben Stunde wieder hungrig ist wie ein Seelöwe.“ Ed strahlte. „Zwei Sätze, Sir!“
„Akzeptiert“, sagte Hasard grinsend. „In Ordnung, wir wollen kein langes Palaver darüber veranstalten. Die Zeit drängt. Ich verstehe eure Gedanken, die ihr wegen der Traditionspflege angestellt habt.“ Er sah den Kutscher an.
Der stets sehr ernst aussehende