Seewölfe - Piraten der Weltmeere 521. Fred McMason. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Fred McMason
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954399291
Скачать книгу
vier Himmelsrichtungen umblickte. „Ich sage euch, da ist was im Gange. Vor ein paar Stunden noch ging fast die Welt unter, und jetzt ist es so unheimlich ruhig geworden. Das gefällt mir überhaupt nicht. Außerdem knistert mein Holzbein. Das hat es auch noch nie getan.“

      „Vielleicht wird es sich bewurzeln und neu ausschlagen“, meinte der Profos. „Du mußt es von jetzt an immer kräftig gießen.“

      Der Alte, kürzlich Vater eines strammen Söhnchens geworden, fand das gar nicht lustig, was Carberry wieder behauptete. Er fühlte sich in seiner Haut plötzlich nicht mehr wohl. Aber statt auf dem Stützpunkt zurückzubleiben, hatte er die Reise nach China um jeden Preis mitmachen müssen.

      „Du redest nur Stuß“, brummte er, „aber ich meine das ernst.“

      „War auch nicht so gemeint“, lenkte Edwin Carberry ein. „Wollte nach dem Erdbeben nur die Stimmung ein bißchen auflockern. Aber du hast recht mit der eigenartigen Stimmung.“

      Jeder an Bord spürte es. Diese unheimliche Ruhe, der weiter abflauende Wind, das geisterhafte Tageslicht, das alles wirkte bedrückend. Hinzu kam noch ein eigenartiger Geruch, der in der Luft hing und sich nicht definieren ließ.

      „Riecht so, als wäre der Satan persönlich erschienen“, sagte Old O’Flynn schnuppernd. „Oder stinkt diese Galeone so?“

      Der Kutscher beruhigte die besorgten Gemüter jedoch gleich.

      „Das ist ein typischer Schwefelgeruch, weiter nichts. Bei Vulkanausbrüchen riecht es oft nach dem Zeug. Es steigt hoch in die Luft, verbreitet sich und senkt sich wieder mit der Asche. Das kann noch ein paar Tage dauern.“

      Die meisten hatten sich jetzt zum Palavern auf der Kuhl versammelt. Zwar sollte erst die „Santa Barbara“ von vorn bis achtern und von oben bis unten inspiziert werden, doch die Stimmung drückte auf die Gemüter, und so schoben sie die Inspektion noch ein Weilchen hinaus.

      Fast unvermittelt erhob sich Steuerbord voraus eine Blase aus dem Wasser. Sie wurde so groß wie ein Faß. Dann zerplatzte sie mit einem schmatzenden Geräusch, und eine zehn bis zwölf Yards hohe Fontäne sprudelte hoch. Nach einigen Sekunden sank der Wasserstrahl ins Meer zurück. An seiner Stelle hatte sich Dampf gebildet, der sich ebenfalls rasch verflüchtigte.

      „Gibt’s hier Wale?“ fragte der Decksälteste Smoky erstaunt.

      „Das war nicht der Spout eines Wales“, sagte Ferris Tucker. „Die blasen ganz anders und hinterlassen auch keine Nebelwolken. Wir haben ja selbst schon Wale gejagt.“

      „Was war es dann?“

      Darauf wußte im ersten Augenblick selbst der Kutscher keine Antwort. Sehr nachdenklich starrte er zu der Stelle, wo es gleich darauf noch einmal zu blubbern begann. Wieder stieg ganz feiner Nebel aus dem Meer, aber ohne die Begleiterscheinung einer sprudelnden Fontäne.

      Der Kutscher spürte, wie es ihm kühl über den Rücken lief. Er sah in Gesichter, die mißtrauisch die See absuchten und immer wieder jene Stelle betrachteten, wo das Meer Blasen warf.

      Auf dem Achterdeck der „Santa Barbara“ war dieses Phänomen ebenfalls längst beobachtet worden. Dort hielten sich jetzt außer Hasard noch Ben Brighton, Dan O’Flynn, Don Juan und Big Old Shane auf.

      „Das gefällt mir ganz und gar nicht“, sagte Hasard leise. „Diese Stimmung ist nichts weiter als eine trügerische Ruhe. Entweder steht uns ein höllischer Sturm bevor, oder es passiert etwas anderes.“

      „Ich kann mir denken, was das sein könnte“, sagte Don Juan ruhig. „Es sieht nach einem Seebeben oder einer Flutwelle aus.“

      Als Hasard nickte, meldete sich Roger Brighton aus dem Ausguck.

      „Treibender Gegenstand Steuerbord voraus!“

      Das „Ding“, das gleich darauf von allen gesichtet wurde, war ziemlich lang und von weißlichgrauer Farbe. Es wirkte schmutzig, und es trieb nur sehr langsam näher heran.

      „Ein Hai“, sagte Dan O’Flynn. „Das ist ein toter Hai. Anscheinend haben andere Fische ihn angefressen.“

      Dan O’Flynn hatte sich jedoch geirrt, wie sie gleich darauf alle deutlich sehen konnten.

      Der Hai war zwar tot, aber keinesfalls zur Beute anderer Fische geworden, wenn ihm auch die Haut in Fetzen herabhing. Es zeigten sich auch keine anderen Fische in seiner Nähe. Er war stellenweise buchstäblich gekocht worden, als sei er in einen riesigen Kessel mit heißem Wasser geraten.

      „Das gibt es doch nicht“, sagte Smoky heiser. „Das Biest sieht ja aus wie gekocht. Aber was hat ihn so zerfetzt?“

      „Heißes Wasser“, erwiderte der Kutscher lakonisch. „Paßt alles sehr gut zusammen. Irgendwo tief unter uns blubbert eine heiße Quelle, und ein kochender Ausläufer hat den Hai überraschend erwischt.“

      „Meinst du wirklich?“ Smoky sah den Kutscher ungläubig an.

      Der Profos wollte es genau wissen. Er nahm eine Pütz und schöpfte Seewasser an Bord. Erst warf er einen mißtrauischen Blick auf das Wasser, dann steckte er vorsichtig die Hand hinein.

      „Verdammt warm, die Brühe“, murmelte er betroffen. „So höllisch warmes Wasser habe ich im Meer noch nie erlebt.“

      Die anderen taten es ihm nach und gelangten zu der gleichen Feststellung. Das Wasser war ungewöhnlich warm. Dann starrten sie wieder zu dem Hai, der langsam vorbeitrieb. An manchen Stellen des schlanken Körpers hingen nur noch Hautlappen. Die Augen waren blind und unheimlich weiß.

      „Offenbar hängt das mit dem Vulkanausbruch zusammen“, sagte Smoky.

      Ein mächtiger Knall ließ sie herumfahren. Die Galeone wurde im selben Augenblick einmal kurz durchgeschüttelt.

      Das Meer tanzte plötzlich Reigen. In einer Entfernung von einer guten halben Meile wuchsen in langer Kette schaumige Säulen aus dem Wasser. Hallender Donner begleitete das seltsame Schauspiel. Zischen und Brodeln war zu hören. Neben den immer höher wachsenden Säulen bildeten sich große Wirbel. Sie begannen immer stärker um die Säulen aus Wasser und Dampf zu rotieren.

      „Jetzt wird es aber Zeit, daß wir verschwinden“, sagte Blacky. „Wenn die Säulen unter das Schiff wandern, fliegen uns die Planken um die Ohren.“

      „Möchte wissen, wohin du verschwinden willst“, brummte Carberry. „Das müssen wir durchstehen – so oder so.“

      Sie taten ihr möglichstes, um aus dem Bereich der aufsteigenden Wassersäulen zu gelangen. Es ging nicht, der Wind spielte nicht mit. Er wehte so schwach, daß die Segel kaum noch gebläht waren.

      Hilflos mußten sie mitansehen, wie das Meer zu kochen begann und sich immer höhere Säulen auftürmten. Unter lautem Zischen regneten sie ins Wasser zurück. Aber jetzt wurden die Erscheinungen immer häufiger von donnerartigem Knall begleitet. Auch die Heftigkeit der unterseeischen Eruptionen nahm zu.

      Einige der Säulen wanderten in Richtung Norden weiter und verloren sich dort. Nur die See blubberte noch.

      Eine Viertelstunde lang ging das so, bis die Eruptionen allmählich schwächer wurden und ganz ausblieben.

      Der Kutscher stieß hart die Luft aus.

      „Noch einmal gutgegangen. Das war unsere dritte Glückssträhne.“

      Erleichterung breitete sich aus, doch sie währte nicht lange. Tief unter ihnen gärte es. Es braute sich etwas zusammen, das ihnen noch lange unangenehm in Erinnerung bleiben sollte.

      Diesmal geschah es ohne weitere Vorankündigung.

      Im Osten stieg ein greller Blitz hoch. Die Luft wurde so stark erschüttert, daß ihnen die Ohren schmerzten und sekundenlang die Luft wegblieb. Wasser, Dreck und grelles Feuer stiegen immer höher in die Luft. Das Meer zitterte und bebte. Anfangs kleine, dann immer größer werdende Wellen bewegten sich ringförmig von dem Pilz weg.

      Ein zweiter Donnerschlag erschütterte die Welt. Schlackenbrocken von ungeheuren