Seewölfe - Piraten der Weltmeere 593. Sean Beaufort. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sean Beaufort
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783966880077
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Vier Laternen beleuchteten die Wasserfläche, die seit Paddys Feststellung um knapp eine Handbreite gestiegen war. Der Schlauch der Pumpe wurde heruntergezogen.

      Roger Brighton, Don Juan und Bob Grey tasteten nach den Lecks und stellten selbstverständlich das gleiche wie Paddy fest. Zwei Mann gingen an die Lenzpumpe und arbeiteten wie wild. Zusehends nahm das Wasser ab und gurgelte durch die Schläuche nach außenbords. Als fast das gesamte Wasser gelenzt worden war, sahen die Männer genau, an welchen Stellen es zwischen den Planken hereindrückte.

      Roger und Don Juan wechselten einen langen Blick.

      Dann meinte Roger mit betreten klingender Stimme: „Das ist ernst. Mehr als ernst. Ich glaube, wie es aussieht, müssen wir tatsächlich an Land und die Galeone hoch und trocken legen.“

      „Darauf läuft es wohl hinaus“, sagte Don Juan. „Ich kann verstehen, daß es euch nicht gerade freut. Mich ärgert es genauso. Wir brauchen Ferris Tucker und seine Werkzeuge.“

      Roger Brighton deutete auf das scheinbar harmlos sprudelnde Wasser. „Wenn wir versuchen, die Löcher von innenbords zu dichten, werden die Planken mit jedem Nagel unsicherer. Ein Sprung, ein Riß genügt, und wir haben die ‚Fidelidad‘ schneller versenkt, als es mit einem Sprengsatz zu schaffen wäre.“

      „Du hast recht“, gab Don Juan zu. „Das ist eine Arbeit für den Schiffszimmermann. Die Schebecke?“

      „Segelt an Backbord.“

      „Alles klar“, sagte Don Juan. „Wir werden Hasard verständigen, und zwar jetzt gleich.“

      Die Crew enterte wieder die Niedergänge hinauf. Jeder bemühte sich, nur mit den Zehenspitzen aufzutreten, als könnten sie dadurch vermeiden, daß mehr Wasser ins Schiff eindrang. Roger kannte die Karten, Sie segelten durch den Kanal, la manche von den Franzosen genannt. Querab an Steuerbord war das Feuer eines Leuchtturms zu sehen. Es mußte, nach Rogers Schätzung, das Feuer von außerhalb Fécamp sein.

      Die Küste, das sagte die Karte deutlich und klar, bestand meist aus Felsen, zwischen denen es aber kleine Buchten gab. Schon gestern hatten sie deutlich die steilen, schroff abfallenden Flächen und die tiefen Kerben bemerkt. Roger löschte als erstes die Hecklaterne der Schebecke.

      „Weißt du zufällig, wann die nächste Ebbe einsetzt?“ fragte Don Juan. „Ich kenne dieses Stück der Küste nicht.“

      Roger Brighton schüttelte den Kopf. Seine Antwort klang bedauernd, und er deutete flüchtig in die Richtung der Schebecke. „Dan O’Flynn drüben müßte Bescheid wissen.“

      „Also müssen wir uns mit Hasards Mannen unterhalten. Ein Signalschuß aus einer Drehbasse?“

      „Das wird sie aufwecken“, bestätigte Jan Ranse. „Ich übernehme das Geschütz.“

      „Du brauchst aber nicht halb Frankreich aufzuwecken!“ rief ihm Jack Finnegan nach.

      Die Küstenlinie verlief fast genau in südwestlich-nordöstlicher Richtung. In der Dunkelheit schimmerten ganz schwach die Kalkfelsen, die das Tal von Fécamp umgaben. Nebelschwaden lagen über dem östlichen Teil der Steilküste. Von den Franzosen wurde dieser Abschnitt die „Alabasterküste“ genannt. Der Leuchtturm lag eine gute Seemeile außerhalb der Stadt. Roger Brighton besprach sich mit Don Juan, und schließlich änderten sie den Kurs um ein Grad nach Steuerbord.

      Jan Ranse lud die Drehbasse, setzte lediglich einen Stopfen und zündete. Aus dem Rohr zuckte eine lange, grelle Stichflamme, der Explosionsdonner hallte ohne die charakteristische Schärfe hinüber zur Schebecke. Einige Atemzüge später wurde mittschiffs ein Licht im Kreis geschwenkt. Die ersten Sterne begannen zu verschwinden, und der Mond sank hinter den Horizont. Gurgelnd spie der armdicke Schlauch der Lenzpumpe einen Wasserstrahl nach Steuerbord.

      Bob Grey trat zu der Gruppe um den Rudergänger und gähnte.

      „Ich kann uns helfen“, sagte er. „Ich kenne die Küste zwischen Leuchtfeuer und einem Hafen, der sich Dieppe nennt.“

      „Fabelhaft“, entgegnete Don Juan. „Wie sieht’s dort aus?“

      Mittlerweile waren die Segel der Schebecke schemenhaft zu erkennen. Die Finsternis nahm langsam ab. Wieder arbeitete die Lenzpumpe keuchend und gurgelnd, während die „Fidelidad“ ihre Fahrt gleichmäßig fortsetzte. Der drahtige, blonde Engländer schloß die Augen und schien sich dadurch die Erinnerung zu schärfen.

      „Meist ist die Küste felsig, voller senkrechter Felsen. Granit und viel Sandstein“, sagte er. „Dazwischen habe ich größere Strände gesehen, aber auch versteckte kleine Buchten, die man gut ansegeln kann. Man wird uns in den meisten kleinen Buchten nur von oben, von den Felsen aus, sehen können. Ich traue nämlich auch den Franzosen nicht.“

      Er schnalzte mit der Zunge und fuhr fort: „Die Normannen aus der Normandie verstehen allerdings, einen herrlichen Apfelwein zu keltern. Cidre heißt das Zeug. Aber aus Äpfeln kochen sie auch einen Schnaps. Calvados. Ist tatsächlich fast so gut wie Uisge beatha, wie die Schotten das Lebenswasser nennen.“

      Don Juan verbeugte sich grinsend und erwiderte gutgelaunt: „Wir danken für den Vortrag, Bob, aber wir werden sicher nicht an Land gehen und ein paar Fässer oder Krüge von den flüssigen Freuden der Normandie kaufen. Je schneller wir weitersegeln, desto lieber ist es uns allen.“

      „Ich wollte euch ja nur sagen, daß es auch an anderen Orten Sehenswürdigkeiten und Trinkenswürdigkeiten gibt.“

      „Und einen guten Wind, so steif wie selten“, setzte Piet Straaten hinzu. Bob Grey nickte und schloß seine Erzählungen.

      „Wir müssen aufpassen. Zwei Mann zum Beobachten nach vorn. Das Wasser ist an vielen Stellen der Küste voller tückischer Felsbrocken und Untiefen.“

      Schon wieder spuckte die Pumpe einen dicken Wasserstrahl aus. Die Abstände, in denen eine größere Menge Wasser durch die Fugen in die Bilge eindrang, wurden kürzer. Kein gutes Zeichen, sagte sich die kleine Crew, von denen die meisten zwar müde waren, aber nicht mehr schlafen konnten.

      „Du wirst uns die richtige Stelle zeigen, Bob“, sagte Roger Brighton. „Einverstanden?“

      „Na klar. Tu ich doch gern für euch.“

      Die spanische Flagge war längst gestrichen worden. In der Ausrüstung der Seewölfe hatte sich nur eine englische Flagge befunden, die an der Rah der Schebecke gefahren wurde. Während sich der Himmel grau färbte, segelte die Schebecke immer näher heran, jetzt war sie bestenfalls eine halbe Seemeile entfernt. Fast gleichzeitig wurden, kurze Zeit später, die Positionslaternen gelöscht.

      „Was wir zu sagen haben, geht nicht mit Signalen“, erklärte Roger nach einer Weile. Aus der Kombüse roch es nach dem Rauch von frisch angefachtem Feuer und starkem Tee.

      „Ganz sicher nicht. Hasard wird mit Sicherheit wissen wollen, warum wir mitten in der Nacht in der Gegend herumschießen.“

      „Ganz sicher. Wir werden’s ihm erklären.“

      Über dem Land färbte sich der Himmel. Es schien ein schöner, trockener Apriltag zu werden. Bisher war kein anderes Schiff gesichtet worden, aber sowohl vor Fécamp als auch vor Saint-Valerie-en-Caux und Dieppe sollten eigentlich die Fischer längst ausgelaufen sein. Die Schebecke lief heran, ohne die Galeone zu bekalmen.

      „Ihr braucht doch nicht etwa schon wieder ein Faß Wein, wie?“ schrie der Seewolf vom Bug herüber.

      Don Juan brüllte zurück: „Wir müssen an Land. Morsche Planken, viel Wasser. Ferris Tucker soll sein Pech kochen, Bretter und Werkzeug bereithalten. Wir setzen die Galeone auf einen Strand und warten die Ebbe ab.“

      Hasard zog ein bedenkliches Gesicht. Es war deutlich bis zur „Fidelidad“ zu erkennen.

      „Seid ihr verrückt? So dicht vor dem Ziel?“

      „Leider“, rief Don Juan zurück, „kann jeden Augenblick ein Stück neben dem Kielschwein eingedrückt werden, so groß wie eine Luke! An Steuerbord.“

      „Klingt