Seewölfe Paket 23. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397822
Скачать книгу
Es glitzerte ein bißchen zwischen diesem Schutt.

      Dann hörte das Rieseln auf – die Geräusche aus dem Berg blieben. Sie blickten sich beide stumm an – zwei Männer, die den größten Teil ihres Lebens auf See verbracht und dem Teufel samt seiner Großmutter alle Ohren abgesegelt hatten. Den Schwanz auch, wenn der Teufel einen hatte, was man aber nicht so genau wußte.

      Aber hier?

      „Das ist vielleicht ein Scheißberg“, sagte Carberry. „Stell dir mal vor, der ganze Mistkram bricht zusammen, und wir sitzen da mitten drin – mit tausend Schiffsladungen Silber im Genick. Und was meinst du, wie schwer Silber ist?“

      Matt Davies wurde unruhig, wobei ihn die Frage nach dem Gewicht von Silber nicht so sehr bedrückte wie der Gedanke, wann „der ganze Mistkram“ denn zusammenbrechen würde.

      „Wir sollten Hasard wecken“, sagte er hastig. „Hier sind wir unseres Lebens nicht mehr sicher.“

      Hasard war längst wach und hatte dem ersprießlichen Dialog seiner beiden Kerle interessiert gelauscht. Sieh an, dachte er, in Gefechten sind sie unerschütterlich und auch dann, wenn ihnen das Wasser bis zu den Nasenlöchern steht und die Ratten bereits von Bord verschwunden sind, aber vor dem Berg haben sie einen unheimlichen Respekt. Man mochte fast glauben, mehr Respekt als vor Stürmen, Seebeben, Flutwellen und Riesenkraken.

      Ein vierter Mann war auch bereits wach – Pater Aloysius, der scharfgesichtige Kerl aus dem Land Tirol, der sie mit nahezu traumwandlerischer Sicherheit aus dem Tacna-Tal über Berge und Pässe nach Potosi geführt hatte. Er war ein Mann aus den Bergen – und man konnte Berge auf ihn bauen.

      Er grinste durch das Halbdunkel des Stollens zu Carberry und Matt Davies hinüber, nachdem er sich aufgerichtet hatte, und sagte belustigt: „Die Indios haben mit ihrer Arbeit angefangen – drüben, auf der anderen Seite des Berges. Und das hört ihr jetzt. Hier bricht nichts ein – eher drüben. Außerdem sind wir hier nicht tief im Berg, sondern mehr oder weniger an seinem Rand. Wenn was zusammenkracht, sind wir Manns genug, uns nach draußen zu schaufeln.“

      „Aha“, sagte Carberry. „Und was da zwischen den Brettern rausrieselt, ist harmlos, wie?“

      „Irgendwann nicht mehr“, erwiderte Pater Aloysius gelassen, „aber da sind wir nicht mehr hier. Jeder Berg arbeitet oder anders ausgedrückt, er verändert sich, weil vieles auf ihn einwirkt, zum Beispiel von außen Schnee, Regen, Wind, Hitze und Kälte. Kein Stein, und mag er noch so hart sein, hält das auf die Dauer aus. Sogar die Wurzeln von Pflanzen können einen Stein sprengen – nicht von heute auf morgen, aber im Laufe von Jahren. Wenn sich an der Oberfläche etwas verändert, muß zwangsläufig auch im Inneren des Steins eine Wandlung stattfinden. In diesem Berg kommt hinzu, daß ihn die Menschen anbohren und Stollen hineintreiben. Sie durchlöchern ihn. Da fragt sich, wie lange er das hinnimmt, dieser Berg. Und wenn er sich wehrt, dann werden es die geschundenen Indios sein, die von ihm erschlagen werden.“ Die Stimme von Pater Aloysius wurde grimmig: „Und hoffentlich erschlägt der Berg dann auch ein paar Aufseher.“

      Das also war Pater Aloysius, und er nahm nie ein Blatt vor den Mund, dieser streitbare Gottesmann aus einem Land, wo auch die Berge in den Himmel ragten, Mahnmale für die Winzigkeit der Menschen, die sich dennoch anmaßten, sie erobern und ausbeuten zu können.

      So begann also dieser 28. Dezember, ein klarer, kalter Tag in diesen Höhen, in denen die Luft so dünn war, daß man mit dem Atmen Mühe hatte. Aber sie hatten bei ihrem Aufstieg in diese Regionen Pausen eingelegt, verordnet von Pater Aloysius. Und so hatten sie sich allmählich an die dünnere Luft gewöhnt. Ihre Gesichter waren tiefbraun und bärtig geworden.

      Hasards Augen hatten jetzt die Farbe von bläulichem Gletschereis.

      Er nickte nur, als Stenmark den Stollen betrat und meldete, im südlichen Bereich des Cerro Rico sei „kein Schwanz“ zu sehen. Er meinte das wörtlich, denn auf diese Seite des Berges verirrte sich nicht einmal ein Hund. Was sollte er hier! Die Abfälle in der Stadt waren so reichlich, daß er sich eine Wampe anfressen konnte. Den Hunden in der Stadt ging es besser als den Indios im Berg.

      Stenmark war die Morgenwache gegangen. Seine Meldung bestätigte, was Pater Aloysius bereits am Vortag gesagt hatte, als sie in den verlassenen Stollen eingedrungen waren. So merkwürdig das klingen mochte: hier auf der Südseite des Silberberges waren sie absolut sicher.

      Hier hatte man zwar anfangs vor vierzig oder fünfzig Jahren Stollen in den Berg getrieben und oberflächlich Silber abgebaut, aber dann war man auf die Nordseite umgewechselt, wo sich die Stadt ausgebreitet hatte. Von dort war es bequemer, das abgebaute Silber in die Stadt zur Münze zu bringen.

      Eine erste Erkundung des Stollens hatte ergeben, daß noch ein paar Nebenstollen angelegt worden waren, ziemlich verzweigt, so daß die Männer tatsächlich ein ideales Standquartier gefunden hatten. Denn diese Nebenstollen waren ideale Verstecke. Wer hier eindrang, konnte blitzschnell und lautlos überrumpelt werden. Im übrigen hatten sie in einem dieser Nebenstollen ihre Maultiere untergebracht, jetzt fünfzehn an der Zahl, von denen sieben in ihre Hände gefallen waren, als sie in der Weihnachtsnacht den Silbertransport überfallen hatten.

      Stenmark wurde von Mel Ferrow, dem Haifischkämpfer, abgelöst. Auch tagsüber verzichtete Hasard nicht auf einen Wachposten am Eingang zum Stollen. Vorsicht war immer geboten. Sie war ein Gesetz, das hier genauso seine Gültigkeit hatte wie auf See.

      Die Männer versorgten die Maultiere, dann frühstückten sie – äußerlich gelassen, aber innerlich gespannt. Es gab noch keinen Plan, wie sie vorgehen wollten, und der Seewolf hatte – was das betraf – bisher geschwiegen.

      Aber ihm entging keineswegs, daß die Kerle eine gewisse Nervosität zeigten. Matt Davies zum Beispiel putzte unentwegt seine Eisenhakenprothese, obwohl die wie stets geradezu silbern schimmerte. Bei Matt war das immer ein Zeichen, daß ihn das Fell juckte.

      Und der Klotz von Profos zerrte an seinem dunkelblonden Rauschebart, der sein Rammkinn um etliches verlängerte. Jean Ribault saß auf einer Kiste, schien aber Hummeln im Hintern zu haben.

      Ein verstecktes Lächeln kerbte sich in Hasards Mundwinkel. Er sagte: „Wenn ihr gefuttert habt, könnt ihr euch wieder aufs Ohr hauen, Leute.“

      „Was? Wie?“ Carberry ließ die Hand sinken und starrte Hasard ungläubig an. „Ich hab’ aber die ganze Nacht durchgepennt, Sir. Ich bin so ausgeruht, daß ich mindestens drei Tage lang am Ruder stehen könnte.“

      „Ich auch“, erklärte Matt Davies.

      Die Männer nickten, und Jean Ribault sagte: „Raus mit der Sprache, Mister Killigrew, Sir! Du hast doch noch was auf der Pfanne, wie ich dich kenne, und ich kenne dich jetzt seit genau sechzehn Jahren.“

      „Mit Unterbrechungen, mein Freund“, korrigierte Hasard, „aber sonst stimmt es. Was das andere betrifft, muß ich dich enttäuschen. Ich habe nichts auf der Pfanne. Ihr braucht wirklich ein bißchen Ruhe. Bis auf unseren guten Pater Aloysius seid ihr nämlich alle ziemlich angeschlagen …“

      „Du wohl nicht, wie?“ schnappte Jean Ribault.

      „Oh, ich bin noch ganz gut beieinander“, sagte Hasard gelassen, „jedenfalls so gut, daß ich mit Pater Aloysius einen kleinen Spaziergang nach Potosi unternehmen kann, um ein wenig herumzuschnüffeln und dann darüber nachzudenken, was ich auf die Pfanne zaubere, von der du sprachst.“

      „Und wir sollen hier inzwischen pennen!“ sagte Jean Ribault erbittert.

      „So ist es, mein Guter“, sagte Hasard sanft, „denn ich halte nichts davon, daß wir mit alle Mann hoch durch die Stadt ziehen und vermutlich dabei so auffallen wie buntkarierte Rübenschweine.“ Er blickte zu Carberry hinüber, der schnell wegschaute. Ihm war das immer furchtbar peinlich, wenn sein Kapitän gewisse Ausdrücke benutzte, die aus dem Provos-Vokabularium stammten und dazu dienten, den Arwenacks den Marsch zu blasen. Hasard lächelte und fügte hinzu: „Zwei Mann genügen zur Erkundung. Pater Aloysius kennt die Stadt und fällt als Dominikaner nicht weiter auf. Und ich bin dabei, weil ich meine, daß ich als euer Kapitän dazu ein Recht habe. Oder ist jemand anderer Ansicht?“

      Gott