Seewölfe - Piraten der Weltmeere 213. Burt Frederick. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Burt Frederick
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954395491
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der Kapitänskammer, daß zwei Schritte entfernt im Schapp das Geschirr klirrte.

      Die Zwillinge zuckten zusammen. Doch wenn der Seewolf geglaubt hatte, daß sie schuldbewußt den Kopf senken würden, dann hatte er sich getäuscht. Vielmehr hielten sie seinem Blick stand, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Steckte Starrsinn dahinter? Oder Stolz, der natürlich völlig fehl am Platze war? Oder bildeten sie sich etwa allen Ernstes ein, daß sie im Recht waren?

      Möglicherweise verhielt es sich aber auch so, daß sich diese beiden kleinen Halunken insgeheim eins grinsten und nicht die Bohne an Respekt hatten.

      Zugegeben, manchmal wurde er nicht schlau aus ihnen. Einfach weil ihm die Zeit fehlte, sich ständig mit ihnen zu beschäftigen. In diesem Fall aber war eine erzieherische Maßnahme mehr als angebracht. Was sie sich geleistet hatten, konnte er beim besten Willen nicht dulden. Nicht als Vater und nicht als Kapitän der „Isabella VIII.“. Konnte er sich seinen Söhnen gegenüber nicht durchsetzen, würde auch der Respekt der Crew abzubröckeln beginnen. Denn die anderen an Bord der Galeone hatten keine Ahnung davon, was es hieß, Vater zu sein, und in welche Gewissenskonflikte man dabei bisweilen gestürzt wurde.

      Denn trotz all ihrer Dreistigkeiten – Hasard mußte sich ein Grinsen verkneifen – war er letzten Endes ja auch stolz auf sie.

      In Ordnung, die Lage an Bord ließ es zu, daß er sie gehörig ins Gebet nahm. Die „Isabella“ lief unter Vollzeug vor einem handigen Nordost, mit Kurs auf Ceylon. Für die Crew bedeutete das Zeit zum Luftholen. Ben Brighton, erster Offizier und Stellvertreter des Seewolfs, führte das Kommando an Deck.

      Philip junior räusperte sich unterdrückt und wechselte einen verstohlenen Blick mit seinem Zwillingsbruder Hasard. Durch das momentane Schweigen ihres Vaters wurde ihnen offenkundig unbehaglich zumute.

      Äußerlich ähnelten sich die beiden wie ein Ei dem anderen. Schlank von Statur und schwarzhaarig, hatten sie den unverwechselbar gleichen Gesichtsschnitt wie der Seewolf. Geschmeidig wie Katzen waren sie in ihren Bewegungen, und schon jetzt, mit ihren zehn Lebensjahren, standen sie bei den kleinen Arbeiten, die sie an Bord zu verrichten hatten, ihren Mann.

      „Also dann“, erklärte er energisch, „bevor ich anfange, mir die erforderlichen Maßnahmen zu überlegen, erwarte ich eure Stellungnahme. Und keine Ausflüchte, verstanden?“

      Wie zur Unterstreichung seiner Worte ertönte ein wütendes Krächzen vom Schapp her, wo das Corpus delicti hockte – dick aufgeplustert und sichtlich beleidigt.

      Sir John, der karmesinrote Arara-Papagei, war noch immer damit beschäftigt, die letzten Wassertropfen aus seinem Gefieder zu schütteln.

      „Natürlich tut er jetzt so, als ob es ihm besonders schlecht ergangen wäre“, sagte Philip junior und deutete vorwurfsvoll auf den roten Vogel, den jeder einzelne Mann an Bord der „Isabella“ in sein Herz geschlossen hatte.

      „Dabei haben wir ihm vorher alles erklärt“, fügte Hasard junior hinzu, „er wußte genau Bescheid, wie es laufen würde. Wenn er nicht gewollt hätte, hätte er ja nicht mitzuspielen brauchen.“

      Der Seewolf glaubte, nicht richtig zu hören. Zornig preßte er die Lippen aufeinander. Er hatte das vage Gefühl, daß ihm jeden Moment die Hutschnur reißen würde. Und dann, verdammt noch mal, würde ihn nichts mehr davon zurückhalten, den beiden kleinen Strolchen gehörig den Hintern zu versohlen.

      „Dies ist meine letzte Warnung“, sagte er und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wenn ihr mich für dumm verkaufen wollt, werde ich ungemütlich: Wie, bitte sehr, kann irgend jemand einem Papagei etwas erklären?“

      Im Hintergrund wiegte sich Sir John aufgeregt von einem Bein auf das andere. Aus dem Klang des Gespräches folgerte er, daß es um ihn ging und es möglicherweise gleich hoch hergehen würde.

      „Aber Dad“, entgegnete Hasard mit leisem Vorwurf, „du hast doch nun schon bestimmt einiges von uns darüber gehört, wie man mit Zirkustieren umgeht. Ich meine, wie man mit ihnen etwas einübt und so weiter. Wenn man sich mit einem Tier richtig gut versteht, dann kann man ihm etwas beibringen.“

      „Ja, das stimmt“, bekräftigte Philip junior eifrig, „und wir kennen Sir John ja nun schon eine ganze Weile, stimmt’s?“

      Der Seewolf atmete tief durch. Er hatte schon befürchtet, daß sie auf diese unselige Vergangenheit zurückgreifen würden, um ihr ungehöriges Verhalten zu rechtfertigen. Und in dieser Vergangenheit wollte er lieber nicht herumrühren.

      „Also gut“, sagte er ergeben, „nehmen wir an, Sir John wäre als Zirkustier geeignet. Trotzdem will ich jetzt auf der Stelle hören, was euch veranlaßt hat, den armen Kerl zu mißhandeln. Für die gesamte Crew und auch für mich ist und bleibt das nämlich nichts anderes als Tierquälerei, meine Herren Söhne. Schreibt euch das hinter die Ohren. So, und jetzt heraus damit!“

      Die Zwillinge verständigten sich abermals mit einem knappen Blick. Dann übernahm Philip junior die Wortführung.

      „Es war so, Dad – also, äh …“

      „Sehr aufschlußreich“, knurrte Hasard, „ich kann mir bereits ein gutes Bild machen. Und das sieht so aus, daß euer Gewissen so schlecht ist wie ein Stück Frischfleisch nach dreißig Tagen unter der Äquatorsonne.“

      Hasard junior versetzte seinem Bruder einen Stoß in die Seite.

      „Es ist nicht so leicht zu erklären“, sagte Philip, „deshalb …“

      „Kann ich mir vorstellen. Übeltäter haben es immer schwer, eine Erklärung zu finden.“

      „Dad, wenn du mich dauernd unterbrichst …“

      „In Ordnung, ich bin ab sofort ganz Ohr.“ Der Seewolf lehnte sich zurück.

      „Wir hatten uns folgendes überlegt“, begann Philip junior, und er gab sich dabei nicht nur die Miene, sondern auch den Tonfall eines Erwachsenen, der zu einer wissenschaftlichen Abhandlung ansetzt. „Sir John ist ein ganz normaler Vogel, der dank seiner Flügel und seiner Muskelkraft fliegen kann. Wir Menschen können das nicht. Alles, was wir können, beschränkt sich auf kleine Apparate, die so eine Art Mittelding zwischen Mensch und Vogel sind. Aber diese Apparate brauchen den Wind, um sich in die Luft zu erheben. Du verstehst, was ich meine?“

      Der Seewolf schüttelte den Kopf.

      „Nur die Hälfte. Wenn du etwas weniger geschraubt daherreden würdest, mein Sohn, wäre es einfacher.“

      „Philip redet von Drachen“, erklärte Hasard junior, „jedes Kind an Land spielt mit den Dingern, wenn die Herbstwinde wehen.“

      „Richtig“, sagte Philip junior, „wir wissen, daß es ziemlich schwierig ist, so einen Drachen in die Luft zu kriegen. Meistens hapert es daran, daß die Dinger zu schwerfällig sind, und daß der Wind nicht stetig aus der selben Richtung weht. Deshalb – also, als wir Sir John beim Fliegen beobachtet haben, ist uns eingefallen, ob man nicht eine neue Drachen-Konstruktion erfinden könnte. Eine mit Flügeln, verstehst du? Nicht mehr diese eckigen Dinger, die mit Papier bespannt werden.“

      „Soweit leuchtet mir das ein“, antwortete der Seewolf. „Wenn ich versuche, mich in eure Gedanken zu versetzen, dann hätte ich an eurer Stelle jetzt angefangen, so einen Flügeldrachen zu basteln.“

      „Das wollten wir ja auch“, sagte Hasard junior, „das hatten wir auch vor. Aber zuerst …“

      „Laß mich weitererzählen“, unterbrach ihn sein Bruder. „Es war so, daß wir uns Sir John erstmal genau angesehen haben, wie seine Flügel gebaut sind und so weiter. Dann hatten wir die Idee, ihn zu dressieren. Und es funktionierte! Er hat wirklich schnell begriffen, was wir wollten. Schon nach ein paar Tagen hat er auf Kommando die Flügel ausgestreckt und still gehalten.“

      Als hätte er die Worte verstanden, stieß der Papagei einen Krächzlaut aus und spreizte die Schwingen waagerecht nach beiden Seiten. So verharrte er regungslos, wie ein Standbild seiner selbst.

      „Himmel noch mal“, sagte der Seewolf