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Es dauerte nicht lange, da wimmelte es in der Avenue von Einsatzfahrzeugen. Kollegen der City Police sorgten dafür, dass Schaulustige ferngehalten wurden.
Während Milo zunächst bis zum Eintreffen der Kollegen bei dem Toten blieb, nahm ich mir dessen Wohnungsschlüssel und sah mich in den vier Wänden dieses Mannes um, an dessen Wohnungsschild der Name Paco Montoya stand. Er schien aber auch noch ein paar andere Namen zu benutzen. Pakonyovsky war einer davon. Ein anderer lautete John Smith, von dem es einen vollständigen Dokumentensatz mit den Lichtbildern des Toten gab. Angefangen von einem britischen, einem amerikanischen und einem südafrikanischen Reisepass auf diesen Namen gab es auch noch eine Sozialversicherungskarte sowie mehrere Kreditkarten.
Paco schien sich auf das Fälschen von Dokumenten aller Art spezialisiert zu haben und machte damit offenbar gute Geschäfte. Ich zog mir Latexhandschuhe an, um so wenig Spuren wie möglich zu zerstören. Ganz war das nicht auszuschließen, aber da die Wohnung selbst ja nicht der Tatort eines Verbrechens war, an dem möglicherweise haarkleine Faseruntersuchungen am Ende einen Prozess entscheiden konnten, glaubte ich das verantworten zu können.
Dass ich dafür am Ende einen Rüffel der Kollegen einstecken musste, war wohl unvermeidlich.
Ich nahm es in Kauf.
Paco hatte auch eine ziemlich aufwendige Computeranlage. Ich fuhr den Rechner hoch. Der Rechnerzugang an sich war nicht gesichert. Paco hatte die Passwortfunktion auf Werkseinstellung gelassen. Ich aktivierte sein Emailprogramm.
Weder im Ausgangs- noch im Eingangskorb oder in der Ablage waren irgendwelche Mails gespeichert. Offenbar löschte Paco seine gesamte E-Post sofort nach Erhalt, was für jemanden wie ihn sicherlich sinnvoll war. So sah ich mir das Adressverzeichnis an. Eine dieser Adressen gehörte zu einem russischen Server. Ich tippte die Nummer der Scientific Research Division in der Bronx in mein Handy und ließ mir Dave Ontario geben.
Nach ein paar Augenblicken hatten wir die die Adresse verglichen. Es war dieselbe, an die Tasha Grath ihre verräterische Nachricht geschickt hatte, mit der sie die Mörder von Fabiano und Carter über deren Treffen informierte.
„Bingo!“, sagte ich. „Das nenn’ ich eine heiße Spur. Ich schlage vor, dass du mal kurz zu uns ins East Village fährst und dir den Rest selbst ansieht, Dave!“, schlug ich dem Kollegen vor.
Dave lachte heiser auf.
„Mal kurz – du bist gut, Jesse! Das ist bei den Verkehrsverhältnissen um diese Zeit leicht gesagt!“
„Paco Montoya, Pakonyovsky, Smith oder wie immer er sich auch sonst nennen mag – ich glaube nicht, dass er der Letzte in dieser Reihe von Morden ist!“, gab ich zu bedenken.
„Ich mach mich auf den Weg, Jesse!“, versprach Dave Ontario. „Oder vielleicht sollte einer von euren Leuten den Rechner einfach mitnehmen und hier abgeben!“
„Nein, das ist keine gute Idee“, widersprach ich. „Ich brauche nämlich unbedingt einen Zugang zu Montoyas Konten, die er über eine Online-Bank führte wie ich am Menue sehen kann. Unser Kollege Nat Norton wird auch hier sein, um die Kontobewegungen zu analysieren.“
„Bin unterwegs!“, versicherte Ontario und legte auf.
Ich wählte als nächstes die Nummer unseres Field Office in der Hoffnung, dass Nat überhaupt noch in seinem Büro saß.
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Dr. Brent Claus mit erheblicher Verspätung am Tatort ein, was mit den Verkehrsverhältnissen zur Rush Hour zu tun hatte.
Unsere Kollegen Mell Horster und Sam Folder suchten den Tatort und die Wohnung des Opfers nach Spuren ab.
Das Autokennzeichen, das ich mir gemerkt hatte, wurde natürlich sofort durch den Rechner gejagt, aber es stellte sich heraus, dass es sich um ein gestohlenes Nummernschild handelte, das eigentlich zu einem blauen Chevrolet gehörte. Die Täter hatten es offenbar vor drei Tagen gestohlen, um damit das Kennzeichen ihres Vans zu verdecken.
Eine Großfahndung setzte natürlich ein, jeder Cop in New York sollte möglichst Ausschau nach diesem Wagen halten, aber realistisch betrachtet waren unsere Chancen, ihn schnell stellen zu können gering.
Unsere Kollegen vom Innendienst unter Agent Max Carter siebten sämtliche Fälle von Autodiebstählen heraus, die von den letzten Tagen bei Vans des betreffenden Fabrikats begangen worden waren.
Innerhalb der Stadt New York traf das nur auf drei Fahrzeuge zu, im Umkreis einer dreißig Meilen Zone um den Big Apple kamen dann noch einmal drei Fälle hinzu. Ein weiteres Aussieben unserer Innendienstler durch genaue Befragung und Abgleich der Daten ergab dann nur noch zwei Fälle. Einer in Union City, einer in der Lower East Side. Auf Grund der örtlichen Nähe war der Wagen vermutlich in der Lower East Side gestohlen worden. Der Besitzer hatte ihn schon vor einer Woche als gestohlen gemeldet.
„Hey, was ist los, Jesse?“, fragte mich Milo zwischendurch, während ich fasziniert dabei zusah, wie Dave Ontario unserem inzwischen eingetroffenen Betriebswirtschaftsspezialisten Nat Norton einen Zugang zu den Online-Konten des Verstorbenen verschaffte. Da Paco von gängigen Sicherheitsmaßnahmen nicht viel zu halten schien, hatte Dave ein leichtes Spiel. Umso besser für uns, konnten wir doch so in der Jagd nach Pacos Mörder etwas aufholen.
Milos Stimme hatte mich aus den Gedanken gerissen.
„Ich habe nur über etwas nachgedacht, Milo.“
„Da ich kein Telepath bin, solltest du es mir sagen“, fand Milo. „Wie heißt es doch immer so schön? Jedes Detail kann wichtig sein. Oder hast du dich gar während der Dienstzeit irgendwelchen privaten Träumereien hingegeben?“
„Mir fiel ein, was McGregor uns sagte.“
„Jesse, der hat geredet wie ein Wasserfall. Was bitte schön meinst du jetzt genau?“
„Er hat doch gesagt, dass er aufgewacht sei, weil jemand ziemlich laut einen Wagen gestartet hätte. Ich dachte gerade an den Kavaliersstart, den der Fahrer dieses Killer-Van hingelegt hat!“
„Willst du behaupten, dass es dieselben Killer waren?“
„Nehmen wir mal an, es waren drei. Einer fuhr den Wagen, zwei verübten den Mord. Von denen ist einer tot, weil Tasha Grath sich gegen ihn wehren konnte. Monty Ribesco, von dem wir erst annahmen, er könnte der Täter sein, starb durch eine Waffe, die auch beim Carter/Fabiano-Mord verwendet wurde. Das ist doch kein Zufall!“
„Was wollte Ribesco dann am Tatort?“
„Er war Fabianos Mitarbeiter, Komplize, - je nachdem, wie du es nennen willst, Milo. Vielleicht war es seine Aufgabe, Fabiano bei dem Treffen unauffällig Deckung zu verschaffen und er hat sich einfach verspätet.“
„Oder er wollte sich verspäten,