Alterung der Gesellschaft
Die Altersstrukturen haben sich in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten deutlich verschoben. Die Gesellschaft als Ganzes altert und der Anteil der älteren Bevölkerungsschichten nimmt zu (
Abb. 1: Zusammensetzung der Bevölkerung nach Altersgruppen, 1984–2018 (links); und Veränderung der Bevölkerungszahl in der jeweiligen Altersgruppe in Prozent, 2010–2018 (rechts). Quelle: SOEP v35, eigene Berechnungen.
Migration
Die Zuwanderung aus dem Ausland, ohne die Deutschland bereits seit Mitte der 1970er Jahre schrumpfen würde, war in der Mitte der 2010er Jahre ein viel diskutiertes Thema. Der Wanderungssaldo, die Differenz aus der Anzahl der aus dem Ausland Zugezogenen und ins Ausland Abwandernden innerhalb eines Jahres, war deutlich angestiegen. Die Zuwanderung nach Deutschland erreichte im Jahr 2015, auf dem Höhepunkt der europäischen Flüchtlingskrise, mit einem Wanderungssaldo von 1,1 Mio. Menschen ihren bisherigen Höchstwert. Die Einführung der Arbeitnehmerfreizügigkeit für Bürger aller EU-Mitgliedsländer ab 2011 bzw. 2014 für Rumänien und Bulgarien und 2015 für Kroation hat ebenfalls dazu geführt, dass Deutschland in den vergangenen Jahren wieder einen deutlich höheren Wanderungssaldo zu verzeichnen hatte, als dies beispielsweise in den 2000ern der Fall war. Damit einher geht eine stärker wachsende Bevölkerungszahl. Die Effekte eines hohen Außenwanderungssaldos auf die Wohnsituation sind vielfältig. Unbestritten dürfte zunächst sein, dass eine erhöhte Zahl an Einwohnern zu mehr Nachfragern am Wohnungsmarkt führt. Kulturelle Unterschiede führen darüber hinaus zu Unterschieden in der Wahl der Wohnform. So wohnen Haushalte aus anderen Kulturkreisen häufig mit mehr Personen unter einem Dach, als es hierzulande im Mittel der Fall ist.
Zunahme der Einpersonenhaushalte
Die Entwicklung der Haushaltsstrukturen ist neben der Entwicklung der Bevölkerungszahlen entscheidend für die Wohnraumnachfrage. In Deutschland ist seit vielen Jahren ein Trend hin zur Individualisierung zu erkennen (
Beschäftigung und wirtschaftliche Entwicklung
Seit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre 2008/2009 hat die deutsche Wirtschaft eine Boomphase erlebt. Zum Ende der 2010er Jahre wurde die geringste Arbeitslosenquote seit der Wiedervereinigung verzeichnet. Insbesondere seit Mitte der 2010er Jahre profitieren weite Teile der Bevölkerung von Reallohnzu-
Abb. 2: Anzahl der Haushalte nach Haushaltsgröße, 1984–2018 (links); Anteil der Haushalte nach Haushaltsgröße in Prozent, 1990–2018 (rechts). Quelle: SOEP v35, eigene Berechnungen.
wächsen. Die wirtschaftliche Situation und Entwicklung einer Gesellschaft hat maßgeblichen Einfluss auf die Möglichkeit, Wohnraum zu konsumieren. Unter sonst gleichen Bedingungen führt eine positive wirtschaftliche Entwicklung dazu, dass mehr Wohnraum in Anspruch genommen werden kann. »Mehr« beschränkt sich dabei jedoch nicht nur auf mehr Fläche, sondern kann auch qualitativ hochwertigeren Wohnraum bedeuten.
Räumliche Unterschiede und Zusammenhang der Gesamtgesellschaftlichen Trends
Die beschriebenen gesamtgesellschaftlichen Trends sind einerseits genau das, denn sie betreffen die Gesellschaft als Ganzes. Andererseits treffen sie keinesfalls auf alle Teile der Gesellschaft in gleichem Maße zu. So altert die Gesellschaft zwar als Ganzes, ländliche Regionen Ostdeutschlands sind davon jedoch deutlich stärker betroffen als boomende Großstadtregionen. Ähnliches gilt für die Migration und die Entwicklung der Bevölkerungszahlen: Wanderungsbewegungen konzentrieren sich auf wirtschaftsstarke Regionen, diese gewinnen in der Folge an Einwohnern. Strukturschwache Regionen mit schlechten Arbeitsperspektiven verlieren insbesondere an junger Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, was den dortigen Alterungsprozess wiederum beschleunigt. Migration betrifft zudem einzelne Altersgruppen stärker als andere. Sie spielt in den ältesten Bevölkerungsgruppen kaum eine Rolle, in den jüngeren verändert sie die Bevölkerungszusammensetzung deutlich stärker. Migration wirkt sich außerdem in der kurzen Frist hauptsächlich auf den Mietwohnungsmarkt aus.
Die Zusammenhänge der gesamtgesellschaftlichen Trends sind vielschichtig und multidirektional. Für die nachfolgende Beschreibung der Wohnsituation sollte jedoch stets und mindestens berücksichtigt werden, dass sich die Gesellschaftsstrukturen in ständigem Wandel befinden und dies auch Implikationen für die Analyse der Wohnsituation hat.
Mieternation
Deutschland ist eine Mieternation. Das heißt jedoch nicht, dass die meisten Menschen in Deutschland tatsächlich zur Miete wohnen. Deutschland ist zweigeteilt. Knapp die Hälfte der Menschen wohnt im selbstgenutzten Wohneigentum, die andere Hälfte mietet. In Eigentümerhaushalten wohnen im Durchschnitt mehr Personen als in Mieterhaushalten. Daraus folgt, dass die Wohneigentumsquote auf Haushaltsebene geringer ist als auf Personenebene: 46,5 % der Haushalte sind Eigentümerhaushalte. Deutschland ist vor allem im internationalen Vergleich eine Mieternation: Innerhalb der EU-Länder hat Deutschland die geringste Wohneigentumsquote.
Die Teilung in Mieter und selbstnutzende Eigentümer vollzieht sich in Deutschland entlang verschiedener sozio-ökonomischer, aber auch geografischer Merkmale weniger symmetrisch, als es das bundesdeutsche Mittel zunächst vermuten ließe. Beispielsweise unterschiedet sich die Wohneigentumsquote in den alten Ländern auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung deutlich von der in den ostdeutschen Ländern. Seit der Wiedervereinigung kam es bei der Wohneigentumsquote, wie bei anderen sozio-ökonomischen Indikatoren auch, zu einem Konvergenzprozess. Das bedeutet: Ausgehend von einem geringeren Niveau, ist die Wohneigentumsquote im Osten stärker gestiegen als im Westen, insbesondere bis zum Beginn der 2000er Jahre. Dennoch liegt der Anteil der Personen, die in den eigenen vier Wänden wohnen, im Westen mit 51 % deutlich über dem im Osten