„Ein weiser Spruch.“
„Da Ihre Zeit ebenso knapp bemessen ist wie meine, müssen Sie mir erlauben, nun zum eigentlichen Grund meines Anrufs zu kommen. Sie erinnern sich noch an unser Gespräch, das wir in der vergangenen Woche unter vier Augen hatten.“
„Selbstverständlich“, sagte Christopher Copeland.
„Nun, die Sache wurde inzwischen aktuell. Ein Privatjet, der mit fünf Mafiosi besetzt war, wurde von einem Unbekannten mit einer Rakete, die aus Army-Beständen stammte, abgeschossen. Ich möchte, dass Sie sofort Ihre weitreichenden Beziehungen spielen lassen. Posaunen Sie in alle Welt hinaus, dass der Täter ein Mann ist, der mit dieser Tat einen persönlichen Rachefeldzug gegen die Mafia gestartet hat. Wie besprochen, werde ich mich für diese Gefälligkeit in gebührendem Maße erkenntlich zeigen.“
„Ich habe mir bereits eine kleine Backgroundstory zurechtgezimmert“, sagte Copeland.
„Wunderbar!“, lobte Brian Cusack. „Ich schätze es, wenn meine Freunde mitdenken. Lassen Sie hören!“
„Also dieser Mann ist verbittert, weil er durch das Syndikat seine Frau und seine Tochter verloren hat. Der Mob packte ihm eine Bombe unter seinen Wagen, aber nicht er stieg in das Auto ein, sondern ...“
„Ausgezeichnet“, lobte Cusack wieder.
„Ich lasse dabei offen, in welcher Stadt es zu dieser Tragödie gekommen ist. Auch den Namen des Mannes kann ich nicht nennen, denn er hat mich in meiner Wohnung anonym angerufen.“
„Großartig!“, sagte Cusack.
„Und er hat weitere Taten angekündigt.“
„Die Story ist so gut, dass sie echt sein könnte“, sagte der König von Brooklyn begeistert. „Ich wusste, dass Sie für mich genau der richtige Mann sind, Copeland. Ich glaube, ich werde künftighin öfter etwas für Sie zu tun haben. Lassen Sie Ihre Kollegen nun umgehend von diesem anonymen Anruf wissen, okay?“
„Selbstverständlich.“
„Mein Arzt wird Sie noch heute aufsuchen.“
„Vielen Dank.“
„Nichts zu danken. Ich bin aus ganz persönlichen Gründen an Ihrer Gesundheit interessiert“, sagte Brian Cusack und legte den Hörer in die Gabel. Er blickte Cyril Murray an und fragte: „Na, wie habe ich das wieder gedeichselt?“
„Bestens.“
„Ein Unbekannter. Ein Verrückter hat sich entschlossen, gegen die Mafia anzutreten. In Kürze wird das in allen Zeitungen stehen, alle Fernseh- und Rundfunkanstalten werden es berichten. Und wir haben mit dem tragischen Tod von Alfredo Sandrelli und seinen Freunden - den wir aus tiefstem Herzen bedauern - nichts zu tun.“
4
Es kam nicht oft vor, dass Roberto Tardelli mit einem zarten Kuss geweckt wurde, denn er war ein Tramp, der ständig in anderen Betten schlief. Nur wenn er in New York war, hatte er so etwas wie einen festen Wohnsitz, denn es existierte ein Dauerangebot, auf das er liebend gern zurückgriff, wenn ihn ein Auftrag in diese Metropole führte. Samantha Ford, eine junge Ärztin, mit der Roberto seit einigen Jahren befreundet war - ein Fall hatte sie damals zusammengebracht -, wäre ihm böse gewesen, wenn er sie nicht aufgesucht hätte.
Dass er dies dennoch nicht immer tat, lag daran, dass er das blonde Mädchen mit den strahlenden Veilchenaugen nicht in Gefahr bringen wollte. Wenn ihm also irgendwelche Gangster zu dicht auf den Fersen waren, wenn die Luft bleihaltig zu werden drohte, zog er es vor, in einem Hotel abzusteigen, damit Sam, wie er das hübsche Mädchen liebevoll nannte, nichts zustoßen konnte.
Ihre Lippen waren weich und warm. Er genoss den Kuss, räkelte sich und öffnete die Augen. Der Tag war noch nicht richtig angebrochen. Graues Licht lag über der Stadt.
Roberto seufzte.
„Bei strahlendem Sonnenschein kann jeder aufstehen, nicht wahr?“
„Guten Morgen“, sagte Samantha. „Der Kaffee ist schon fertig.“
„Du warst schon auf?“, sagte er erstaunt. „Ich habe nichts bemerkt.“
„Ich habe mich wie eine Einschleichdiebin aus dem Schlafzimmer gestohlen, damit du nicht aufwachst.“
„Sehr rücksichtsvoll.“
„Nun wird es langsam Zeit für dich.“
„Wie spät ist es denn?“
„Vier Uhr.“
„Eine barbarische Zeit.“
„Ich habe mir den Job im Hafen nicht ausgesucht“, meinte Samantha Ford.
„Du hast recht. Das war ich.“ Roberto arbeitete seit kurzem im Hafen von Brooklyn. Er wollte Brian Cusack kriegen, den sie den König von Brooklyn nannten und der ein Geschäftspartner der Ehrenwerten Gesellschaft war. Befreite er Brooklyn von Cusack, diesem gefährlichen Parasiten, dann verlor die Mafia eine gute Einnahmequelle, und dem Kampf gegen die Mafia hatte Roberto Tardelli gewissermaßen sein Leben gewidmet.
Die Hafenarbeit war ein hartes Brot, aber Roberto beschwerte sich nicht. Er konnte kräftig zupacken, war nicht zimperlich, und vor schwerer Arbeit war er noch nie fortgelaufen. Nur das frühe Aufstehen störte ihn, aber auch in diesen sauren Apfel biss er, nur um Brian Cusack das Handwerk legen zu können.
Während Roberto duschte, schob Samantha zwei Weißbrotscheiben in den Toaster. Obwohl sie ihren freien Tag hatte, nicht ins Krankenhaus musste und im Bett hätte bleiben können, so lange sie wollte, frühstückte sie mit Roberto.
Nach dem Frühstück zog Roberto eine warme blaue Wolljacke an und setzte eine gestrickte Mütze mit Rollrand auf.
„Sehe ich nicht zünftig aus?“, fragte er lächelnd.
„Wie ein echter Hafenarbeiter“, bestätigte ihm die junge Ärztin. „Kommst du mit deiner eigentlichen Arbeit voran?“
„Ich bin laufend am Sondieren. Es wird nicht leicht sein, Cusack ein Bein zu stellen, aber ich werde es schon irgendwie schaffen.“
Samantha begleitete ihn an die Tür.
„Ich wünsche dir einen erfolgreichen Tag.“
„Und was steht bei dir auf dem Programm?“
Samantha hob die Schultern.
„Weiß ich noch nicht. Vielleicht gehe ich ins Museum. Schade, dass wir nicht zusammen sein können.“
Roberto lächelte.
„Wir hatten die Nacht für uns, und das ist nicht immer so.“ Dann gab er ihr einen Abschiedskuss und verließ das Apartment. Er ahnte nicht, dass dieser Tag die Ereignisse gewaltig vorantreiben würde und er seinem Ziel einen Riesenschritt näherkommen sollte.
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