„Weil ich Sie nicht anmelden kann.“
„Und warum können Sie mich nicht anmelden?“ Steve konnte sich nur noch mühsam beherrschen.
Sergeant Masters sah ihn fast mitleidig an.
„Erstens haben wir jetzt keine Sprechstunde, und zweitens darf ich meinen Platz hier nicht verlassen. Wenn Sie sich ein wenig gedulden, haben Sie vielleicht Glück, und der Lieutenant kommt aus seinem Zimmer. Dann können Sie gern mit ihm reden.“
Steve sah, dass der Sergeant sich wieder über seine Akten beugte und zum Kugelschreiber griff. Aber so leicht gab Steve nicht auf.
Er griff nach dem internen Telefonbuch, das in seiner Reichweite auf dem Tresen lag. „Darf ich mal telefonieren?“
Der Sergeant brummte etwas, das man mit viel gutem Willen als Zustimmung auslegen konnte, und fügte hinzu: „Ortsgespräche kosten zehn Cent.“
Steve blätterte schnell die Seiten durch, bis er den Namen entdeckte, der ein paar Schritte weiter an der Tür stand: Lieutenant Anderson. Er wählte die dreistellige Nummer und wartete, bis sich eine freundliche Stimme meldete.
„Ja?“
„Lieutenant Anderson? Hier ist Steve McCoy. Ich bin in Ihrem Vorraum und möchte mich gern ein paar Minuten mit Ihnen unterhalten.“
„Und warum kommen Sie dann nicht herein?“, fragte Anderson und legte auf.
Verwirrt ließ Steve den Hörer auf die Gabel gleiten. Das war schon eine merkwürdige Truppe in diesem Revier. Der Sergeant hatte den kurzen Dialog offenbar nicht zur Kenntnis genommen. Jedenfalls reagierte er nicht, als Steve die Schranke hochklappte und auf die Tür zuging, hinter der der Lieutenant residierte.
Steve bemerkte zunächst einen fetten Mann, der in einer nicht mehr ganz neuen und auch nicht ganz sauberen Uniform hinter einem fast leeren Schreibtisch hockte und ihm freundlich entgegensah.
„Guten Tag, Mister ... Wie war gleich Ihr Name?“
Steve deutete eine knappe Verbeugung an.
„McCoy ist mein Name. Ich bin Ermittler für MacLarens Anwalt Dr. Highwood.“ Diese Tarnung schien ihm am Glaubhaftesten, und sie war nicht einmal ganz falsch.
Lieutenant Anderson wies mit einer vagen Geste auf einen wackligen Stuhl vor dem Schreibtisch und knöpfte sich einen weiteren Knopf seiner Uniformjacke auf. Er schwang sich mit seinem Stuhl herum und starrte auf die gegenüberliegende Hauswand.
„MacLaren“, sagte er schließlich mit leiser Stimme. „Das ist ein merkwürdiger Fall. Ich weiß nicht, ob ich darüber mit Ihnen sprechen möchte.“
Steve beugte sich vor. „Warum finden Sie den Fall merkwürdig? Sehen Sie, ich ermittle im Interesse meiner Klienten, um die Wahrheit herauszufinden. Und Sie mussten den Fall übernehmen, weil die Verbrechen in Ihrem Revier geschehen sind. Warum sollen wir nicht ein paar Informationen austauschen?“
Der Lieutenant schwenkte wieder in seinem Drehstuhl herum.
„Ich weiß nicht, wer Sie sind, Mister McCoy, und deshalb können Sie nicht erwarten, dass ich Sie jetzt mit dem Stand meiner Ermittlungen vertraut mache.“
„Davon kann auch keine Rede sein“, wandte Steve ein. „Ich habe nur den Verdacht, dass nicht alles so ist, wie es zu sein scheint. Mit anderen Worten, ich glaube, da ist eine Schweinerei im Gange.“
Anderson blinzelte und rieb sich mit dem Handrücken über seine Knollennase.
„Das ist schon möglich. Aber haben Sie auch Beweise dafür?“
Steve zuckte mit den Schultern. „Sie wissen so gut wie ich, dass man in einem solchen Fall nicht über Nacht Beweise finden kann. Aber wenn man erst mal weiß, in welcher Richtung man zu suchen hat, steht man dicht vor dem Erfolg.“
„Bis jetzt haben wir nur Indizien dafür, dass Kevin MacLaren das getan hat, was man ihm zur Last legt. Aber ich gebe zu, dass es einige Ungereimtheiten gibt. Trotzdem kann ich ihn nicht laufen lassen. Es geht schließlich um einen Mord – von dem Attentat auf den Senator gar nicht zu reden.“
Ja, es geht um Mord“, sagte Steve. Er wusste, dass es in diesem Fall sogar um zwei Morde ging, aber das wollte er dem Lieutenant nicht gleich auf die Nase binden. Er wollte zwar Informationen holen, aber keine peinlichen Fragen beantworten. „Sind Sie denn sicher, dass es MacLaren war?“
Der Lieutenant sah ihn lange schweigend an. Dann schüttelte er langsam den Kopf. „Ich bin meiner Sache nie ganz sicher, und in diesem Fall schon gar nicht. Aber ich finde noch heraus, was da stinkt.“
Steve erhob sich. „Danke. Mehr wollte ich nicht wissen.“
An der Tür drehte er sich noch einmal um. „Sie haben einen merkwürdigen Sergeant da draußen. Er ist nicht geradezu hervorragend für den Posten eines Empfangschefs geeignet.“
Anderson lächelte schwach. „Sergeant Masters ist eine Seele von Mensch, aber er hat an einem Tag im Monat schlechte Laune. Wir haben uns daran gewöhnt und nehmen Rücksicht auf ihn. Das sollten Sie auch tun. Auf Wiedersehen, Mister McCoy.“
Steve drückte die Tür hinter sich leise ins Schloss. Masters saß immer noch über seine Akten gebeugt und blickte nur kurz auf, als Steve so behutsam wie möglich an ihm vorbeiging.
„Lassen Sie sich nicht stören, Sergeant, ich finde schon allein raus“, bemerkte er grinsend. „Und wenn Sie wieder Ihren Anfall haben, versuchen Sie’s doch mal mit einem Mickey-Mouse-Film.“
Er war draußen, ehe der verblüffte Sergeant antworten konnte.
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17.
Joan MacLaren zögerte, blickte sich schnell nach allen Seiten um und trat dann entschlossen auf den Eingang des Lokals zu. Mit einer heftigen Bewegung stieß sie die Tür des „Pentangle“ auf und ging hinein. Sie war zum ersten Mal in dieser verräucherten Kneipe in der winzigen Straße parallel zur Pearl Street, ein paar hundert Meter von den Piers am East River entfernt, fast an der südlichen Spitze Manhattans.
Sie hatte sich lange umhören müssen, bevor sie die Adresse erfahren hatte, und den Namen des Mannes, an den sie sich wenden konnte.
Nach einigen Sekunden hatten sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt. Nur ein paar trübe Funzeln erhellten den langgestreckten Raum. Rechts erhob sich eine hohe Theke aus Holz, vor der eine Reihe Barhocker standen. Links standen kleine, runde Tische in Nischen.
Es waren nicht viele Gäste anwesend. An der Bar lümmelten einige junge Burschen in Lederkleidung, und an den Tischen saßen ein paar Männer und Frauen, die bestimmt nicht zur besseren New Yorker Gesellschaft gehörten.
In der Mitte tanzte ein Paar eng umschlungen zu den hämmernden Klängen einer Music-Box. Sie zeigten wenig Verständnis für den Rhythmus. Sie tanzten offenbar nach einer ganz anderen Melodie und hatten nur Interesse an sich selbst.
Joan MacLaren wandte ihren Blick ab und ging langsam zur Bar. Niemand nahm sie zur Kenntnis. Einerseits empörte sie das, andererseits war sie froh darüber.
Sie schwang sich auf einen Barhocker und legte die Beine übereinander. Ein unglaublich fetter Barkeeper watschelte auf sie zu. Vor dem Bauch trug er eine schmierige Schürze, die wohl schon der Küchenjunge der „Mayflower“ getragen hatte, mit der die ersten Siedler aus England kamen.
Er grinste sie unverschämt an, wobei einige schwärzliche Zahnstummel sichtbar wurden. „Was darf’s denn sein?“
„Einen Gin-Tonic, bitte.“
„Häh?“ Er beugte sich vor, und sein schlechter Atem kam wie eine Wolke zu ihr herüber. Auch die ledergekleideten Burschen hatten sich umgedreht