Der Verhaftete bestreitet in beiden Fällen energisch seine Schuld. Die Ermittlungen dauern an. Es wird erwartet, dass der Beschuldigte nur gegen eine sehr hohe Kaution auf freien Fuß gesetzt wird.“
Steve ließ das Blatt sinken.
„Kevin MacLaren“, murmelte er.
„Richtig.“ Der Anwalt nickte bekräftigend. „Die Sache sieht sehr mies aus, noch schlimmer, als aus diesen paar Zeilen hervorgeht. Es gibt für beide Fälle ein handfestes Motiv, und mein Mandant hat in beiden Fällen kein Alibi.“
„Reden Sie weiter. Das scheint in der Tat ein interessanter Fall zu sein“. Steve McCoy beugte sich vor. „Ich nehme an, dass Polizei und FBI ebenfalls ermitteln. Gibt es dort schon Erkenntnisse, die nicht in der Zeitung stehen?“
Der Anwalt hob die Schultern. „Das weiß ich nicht. Mein Klient hatte nur einen erlaubten Anruf, und er bat mich, das Justizministerium einzuschalten. Das habe ich getan, und wenig später hat mich Colonel Greene angerufen. Wir haben ein Treffen verabredet, und jetzt sitzen wir gemeinsam hier. Mit der Polizei habe ich noch nicht gesprochen.“
„Zu diesem Zeitpunkt gibt es eigentlich nur eine wichtige Frage“, mischte sich der Colonel ein. „Hat MacLaren die beiden Verbrechen begangen oder nicht? Die bisher vorliegenden Beweise sprechen nicht gerade für ihn.“
Highwood blickte ihn ernst an. „Ich kenne ihn sehr gut, und ich bin der festen Überzeugung, dass er es nicht getan hat.“
„Wann kann ich mit ihm reden?“, fragte Steve.
Highwood zuckte mit den Schultern. „Wann Sie wollen. Heute noch! Ich habe im Untersuchungsgefängnis jederzeit Zutritt. Außerdem will ich versuchen, ihn gegen Kaution freizukriegen. Vielleicht gelingt es mir, den Richter davon zu überzeugen, dass bei ihm keine Fluchtgefahr besteht.“
„Wieso können Sie so sicher sein, dass MacLaren die ihm zur Last gelegten Verbrechen nicht begangen hat?“
„Finden Sie es heraus. Mir scheint, dass man eine teuflische Falle aufgebaut hat, in die er ahnungslos hineingelaufen ist. Sie werden schon dahinterkommen, was ich damit meine.“
Steve sah den Anwalt nachdenklich an. „Sie sind sich Ihrer Sache ziemlich sicher, wie?“
„Allerdings.“
„Dann werden wir Ihren Mandanten gleich besuchen.“
„Ich danke Ihnen.“
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8.
Nicholas Delmonte saß in dem bequemen Drehsessel hinter dem Schreibtisch seines Arbeitgebers. Irgendwann, vielleicht schon sehr bald, würde er auch in so einem Sessel sitzen können. Er würde wie MacLaren mit vielen wichtigen Leuten reden und sich näher an die Schalthebel der Macht heranarbeiten können.
Delmonte kaute auf seiner Unterlippe. Dass man MacLaren verhaftet hatte, hatte ihm einen Schock versetzt. Er hätte es nie für möglich gehalten, dass ein so wichtiger Mann mit gewöhnlichen Verbrechern Verbindung aufnehmen könnte. Aber offensichtlich galten in diesem Land auch für die wichtigeren Leute keine besonderen Regeln. Wenn sie es versuchten, fielen sie sehr tief, wie der Fall Watergate bewies.
Delmonte war MacLarens Assistent. Gleich nach seinem College Abschluss hatte er beschlossen, die politische Laufbahn einzuschlagen. Er hatte sich alles viel einfacher vorgestellt, und dass seine Karriere nicht schneller verlief, machte ihm schwer zu schaffen. Nach sechs Jahren war er immer noch Assistent, und MacLaren war noch nicht Senator. Washington und das Weiße Haus waren weit. Wenn beides nicht in zu weite Ferne rücken sollte, musste bald etwas geschehen.
Eine Bewegung an der Tür riss ihn aus seinen Gedanken. Er blickte auf und erkannte Joan MacLaren. In einem bis zur Hüfte geschlitzten Kaminkleid lehnte sie an der Tür und betrachtete ihn spöttisch.
„Der Sessel ist noch viel zu groß für Sie“, sagte sie langsam.
Delmonte lief rot an, und sein pickliges Gesicht zuckte nervös. Er stand hastig auf und stolperte beinahe über die Beine des Sessels.
„Ich habe nur nachgesehen, ob etwas auf dem Schreibtisch liegt, das unbedingt erledigt werden muss.“
Sie lächelte und fixierte den schmächtigen kleinen Kerl, den sie wegen seiner kümmerlichen Figur und seines unsicheren Blicks verachtete. Sie wusste genau, dass er sie heimlich mit seinen Blicken verschlang. Es machte ihr Spaß, ihn aufzuregen, denn er würde es nie wagen, sie zu belästigen.
Mit leichten Schritten kam sie näher und beugte sich vor. Ihm fielen fast die Augen aus dem Kopf, als ihre festen Brüste vor ihm schwebten.
„Sie haben wieder geschnüffelt“, sagte sie leise. „Weder mein Mann noch ich schätzen das. Selbst wenn Kevin zurzeit nicht da ist, sollten Sie vorsichtig sein. Sie werden nie so sein wie er. Sie werden immer ein kleines Licht bleiben.“
Aufreizend langsam drehte sie sich um und ging wieder zur Tür. Delmonte starrte ihr nach, wobei er sich an der Schreibtischplatte festklammerte. Er wusste nicht, genau, ob er sie liebte oder hasste. Nur eines wusste er genau: Eines Tages würde er sie kriegen, ob sie wollte oder nicht.
Er ließ sich wieder in den Sessel sinken und dachte nach. Sie liebte ihren Mann nicht besonders, das war klar. Und dass sie engen Kontakt zu Carruthers hatte, war offensichtlich. Er musste unbedingt mehr darüber erfahren, denn eines Tages würde er dieses Wissen gebrauchen können.
Aber zuerst kam die Arbeit. Er zog die mittlere Schreibtischschublade auf und wühlte in den Papieren herum. Da war es!
Er legte die grüne Mappe auf den Schreibtisch und schlug sie auf. Kevin MacLaren hatte das Memorandum vor einigen Monaten verfasst. Darin war sein Programm für den Fall festgelegt, dass er Senator Clarks Nachfolger werden würde.
Delmonte hatte keine Ahnung, warum sein Auftraggeber gerade dieses Papier brauchte. Aber man hatte ihm genaue Instruktionen gegeben. Und vor allem hatte man ihm tausend Dollar versprochen. Es war ein großer Betrag für die lächerliche Aufgabe, diese grüne Mappe aus dem Schreibtisch zu holen, zumal MacLaren jetzt im Untersuchungsgefängnis saß. Er schloss die Schublade wieder und blickte auf seine Uhr. In wenigen Stunden würde er die Mappe übergeben und sein Geld erhalten.
Delmonte grinste verschlagen.
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9.
Steve McCoy schüttelte dem Mann wortlos die Hand und setzte sich auf den Stuhl neben Dr. Highwood. Das Besuchszimmer im Untersuchungsgefängnis bot einen tristen Anblick: grau gestrichene Wände, eine von Kratzern übersäte Tischplatte und die typischen Metallstühle der staatlichen Institutionen.
Kevin MacLaren sah schlecht aus. Sein Gesicht war blass, und er hatte tiefe Ringe um die Augen. Er wirkte müde und erschöpft.
„Sie wollen mir helfen?“, begann er.
Steve nickte. „Erzählen Sie, was passiert ist. Dann werde ich Ihnen sagen, wie wir weiter verfahren.“
„Ich fürchte, in meinem Fall stehen Chancen nicht sehr gut. Alle Indizien sprechen gegen mich, und die Polizei wird das Verfahren bald abschließen.“
Steve lehnte sich zurück. „Hören Sie zu, Mister MacLaren. Es interessiert mich nicht, was die Polizei in Ihrem Fall zu tun gedenkt. Ich will mir mein eigenes Urteil bilden, und das