In der 39. Straße, nahe dem riesigen Greenwood Cemetery, verlangsamte der Wagen, in dem Murray saß, seine Fahrt. Roberto ließ seine Maschine auch etwas langsamer rollen. Er beobachtete, wie das schwarze Fahrzeug auf das Gelände einer aufgelassenen Lokomotivfabrik fuhr. Was wollten die Gangster da? Wickelten sie hier irgendwelche Geschäfte ab?
Es war bekannt, aber die Polizei konnte es nicht beweisen, dass Brian Cusacks Leute im Hafen alles, was nicht niet- und nagelfest war, stahlen. Sie brachen in Lagerhäuser ein, stahlen das Frachtgut auch manchmal von den Schiffen. Die Sore verschwand zumeist auf Nimmerwiedersehen, und die Behörden zerbrachen sich den Kopf, wo sich der Umschlagplatz für alle diese gestohlenen Güter befand. War das etwa hier?
Hatte Cyril Murray Roberto Tardelli - ohne es zu ahnen - zu diesem Ort geführt? Roberto sah den schwarzen Wagen zwischen schäbigen Hallen verschwinden. Manche Gebäude waren schon arg demoliert. Zwischen ihren Mauern, dort, wo einmal Menschen gearbeitet hatten, wucherte Unkraut aus dem aufgebrochenen Betonboden. Hier konnte man tatsächlich Geschäfte abwickeln, die man unter Ausschluss der Öffentlichkeit tätigen wollte. Kein Mensch wäre auf die Idee gekommen, dass hier Diebesgut an den Mann gebracht wurde.
Roberto ließ seine Maschine weit genug von der Lokomotivfabrik entfernt stehen. Er überquerte die Straße und verschwand in einer Halle, die kein Dach mehr hatte, deren Fenster eingeschlagen waren, deren Vorderfront eingestürzt war. Das Gelände war so groß, dass man sich darauf verlaufen konnte. Nicht alle Gebäude befanden sich in einem so schlechten Zustand wie das, in dem sich Roberto Tardelli gerade aufhielt.
Er huschte durch eine kleine Wildnis, die ihn manchmal sogar überragte. Die Natur war in die Halle eingebrochen und hatte sie zurückerobert. Roberto blieb kurz stehen. Er orientierte sich, prüfte den Sitz seiner Luger, die in der Schulterhalfter steckte, setzte seinen Weg fort.
Er war nicht unbedingt ein Freund von Waffen, aber ohne seine Pistole hätte er die Lokomotivfabrik nur ungern betreten. Schließlich warfen Murray und seine Freunde nicht mit Wattebällchen, wenn man sich ihnen in den Weg stellte. Roberto stolperte über Ziegelsteine. Glassplitter knirschten unter seinen Schuhen. Er versuchte leise zu sein, aber es gelang nicht immer.
Sobald er die Halle durchquert hatte, gelangte er an ein hohes glasloses Fenster. Er lehnte sich daneben an die brüchige Mauer und peilte vorsichtig die Lage.
Zwischen zwei besser erhaltenen Gebäuden stand der schwarze Gangsterwagen. Cyril Murray und seine beiden Komplizen saßen nicht mehr in dem Fahrzeug. Sie verschwanden soeben um die Ecke des linken Gebäudes. Roberto wollte sehen, wohin sie gingen, deshalb kletterte er aus dem Fenster und folgte ihnen.
Im Schatten des langgestreckten Gebäudes eilte er auf den schwarzen Wagen zu. Plötzlich vernahm er Motorlärm. Ein Fahrzeug näherte sich. Roberto blickte sich gehetzt um. Wo konnte er sich verstecken?
Eine schmale Tür fiel ihm auf. Er öffnete sie hastig und glitt in die Fabrikhalle. Gleich neben der Tür führte eine Treppe nach oben. Roberto überlegte nicht lange. Er hastete die Stufen hinauf und erreichte ein Fenster, von dem aus er einen guten Überblick über die Szene hatte. Soeben verstummte der Motorlärm. Roberto sah einen Lastwagen, der mit Kisten beladen war.
Cyril Murray kannte den Fahrer. Er ging auf ihn zu. Der Mann sprang aus dem Laster. Murray schlug ihm auf die Schulter und fragte, wie es ihm gehe.
„Prima“, antwortete der Lastwagenfahrer grinsend.
Murray wies mit dem Daumen auf die Ladung.
„Sind das die Antiquitäten aus Europa?“
„Kistenweise altes Zeug“, sagte der Fahrer. „Die Leute, die so etwas kaufen, müssen meschugge sein.“
„Ist ’ne prima Wertanlage“, sagte Murray.
„Ja, aber nur, weil es so viele Idioten gibt, die so ziemlich jeden Preis für den Ramsch bezahlen.“
„Uns kann das egal sein. Hauptsache die Kasse klingelt“, sagte Murray. Er blickte auf seine Uhr. „Sie müssen gleich hier sein.“
Roberto nahm an, dass die rechte Hand des Königs von Brooklyn von den Leuten sprach, mit denen er das Geschäft mit den Antiquitäten abwickeln wollte. Tatsächlich tauchte gleich darauf ein Wagen auf, der mit zwei Männern besetzt war. Das Fahrzeug hielt hinter dem Lastwagen an. Zwei gut angezogene Kerle stiegen aus. Verbrecher wie Cyril Murray. Vielleicht nicht ganz so schlimm, denn ihr Geschäft war die Hehlerei, während Murray auch vor einem Mord nicht zurückschreckte.
Murray lobte die Pünktlichkeit der Geschäftsfreunde. Er wies auf den Lastwagen.
„Da ist das Zeug. Wollt ihr euch ansehen, was sich in den Kisten befindet?“
„Ist nicht nötig“, antwortete einer der beiden Hehler. „Wir lassen die Kostbarkeiten lieber verpackt. Sollte es Reklamationen geben, was ich mir nicht vorstellen kann, wenden wir uns an Cusack.“
Murray nickte zufrieden.
„Dann gehört der Plunder jetzt euch. Aber den Lastwagen kriegen wir wieder.“
„Man wird ihn so bald wie möglich hierher zurückbringen.“
„Fehlt nur noch eines“, sagte Murray. „Die Pinke.“
Der Mann, mit dem er sprach, holte einen Umschlag aus der Innentasche seines Jacketts, der prall mit Dollarscheinen gefüllt zu sein schien.
„Vertrauen gegen Vertrauen“, sagte Murray grinsend. „Ich werde nicht nachzählen.“
Roberto überlegte, was er anstellen konnte, dass die Sore nicht in irgendwelchen Kanälen verschwand. Dort unten waren sechs Verbrecher. Wenn er den Abtransport der Antiquitäten aus Europa verhindern wollte, musste er sich mit ihnen allen anlegen.
Ehe er sich entschließen konnte, aktiv zu werden, vernahm er hinter sich plötzlich ein leises Geräusch. Der Umschlagplatz wird bewacht!, schoss es ihm durch den Kopf.
Er wirbelte herum, doch er war nicht schnell genug. Ein Totschläger zuckte herab. Er ließ sich zur Seite fallen. Dadurch traf ihn das schwarze Ding nicht voll, aber seine Widerstandskraft war angeknackst.
Mit seinen Fäusten stürzte er sich auf den Mann, der sich an ihn herangepirscht hatte. Obwohl er kaum etwas sehen konnte, drosch er zu. Da hieb der Gangster noch einmal mit dem Totschläger auf ihn ein. Und diesmal raubte ihm der Treffer das Bewusstsein.
13
Tony Tornado ließ den Oldsmobile des Journalisten beim Owls Head Park stehen. Er ließ seinen Blick über das Wasser der Upper New York Bay gleiten. Es herrschte reger Schiffsverkehr. Frachter trafen ein oder verließen die Metropole. Passagierschiffe und Ausflugsboote waren unterwegs. Dazwischen tummelten sich private Motorboote und Yachten.
Der Mafioso suchte eine Imbissstube auf, verschlang mit Heißhunger einen Hot Dog und dachte an Christopher Copeland, der wahrscheinlich immer noch auf der Mülldeponie lag.
War es richtig gewesen, den Mann am Leben zu lassen? Tornado glaubte, dem Journalisten so viel Angst eingejagt zu haben, dass er niemals über das sprechen würde, was ihm zugestoßen war. Vielleicht würde er erzählen, Mugger hätte ihn überfallen und auf der Deponie abgelegt. Tornado war sicher, dass Copeland eine glaubwürdige Geschichte