Aber es ist Zeit, euch nun den gewöhnlichen Tisch mit dem Worte Pauli vorzusetzen, indem wir den heute verlesenen Abschnitt zur Hand nehmen und ihn Allen vor Augen legen. Was ist es denn also, was heute gelesen worden? „Den Reichen in dieser Welt gebiete, daß sie nicht stolz seien.” 57 Wenn er sagt: „Den Reichen in dieser Welt,” so deutet er an, daß es auch andere Reiche gibt, nämlich in jener Welt, wie jener Lazarus einer war, — arm zwar im gegenwärtigen Leben, aber reich in Betreff des zukünftigen; nicht an Gold und Silber und an dergleichen Schätzen aus zerstörbarem vergänglichem Stoffe, sondern an jenen unaussprechlichen Gütern, „welche kein Auge gesehen, kein Ohr gehört hat, und die in keines Menschen Herz gekommen sind.” 58 Denn das ist wahrhafter Reichthum und Wohlstand, wenn die Güter ebenso unverwelklich als keinem Wandel unterworfen sind. Aber der, welcher über ihn (den Lazarus) hinwegsah, war kein Reicher dieser Art, vielmehr ward er ärmer als Alle. Denn als er darnach einen Tropfen Wassers begehrte, ward ihm auch der nicht gewährt. 59 So sehr war er zur äussersten Armuth hinabgesunken. Deßhalb nennt Paulus sie die Reichen „dieser Welt”, um dich zu belehren, daß mit dem gegenwärtigen Leben auch ihr Wohlstand zerrinnt. Er geleitet sie nicht fürder und wandert nicht mit hinüber, wenn seine Besitzer von dannen gehen, sondern oft verläßt er sie selbst noch vor seinem Abscheiden. Das deutet der Apostel auch an, wenn er sagt: „Auch nicht hoffen auf den unsichern Reichthum.” Denn Nichts ist so unzuverlässig als der Reichthum, was ich oft gesagt habe und zu sagen nicht aufhören werde — daß er flüchtig und undankbar ist und ein treuloser Sklave; und wenn du ihm tausend Fesseln anlegst, er geht davon und schleppt selbst die Fesseln nach. Denn oft haben ihn die Besitzer hinter Riegeln und Thüren verschlossen und ihn mit Dienern und Wächtern umgeben; ja er verlockte die Diener selbst und lief mit den Dienern selber davon. Wie eine Kette zog er die Wächter hinter sich her, und diese Hut hatte gar nichts geholfen. Was kann treuloser sein? Und wer ist beklagenswerther, als die sich um ihn bemühen? da sie ein so gebrechliches und wandelbares Ding mit allem Eifer zu sammeln suchen und auf den Propheten nicht hören, der spricht: „Wehe denen, die auf ihre Macht vertrauen und in der Fülle ihres Reichthums sich rühmen!” 60 Sprich. warum „wehe”? „Er sammelt,” heißt es, „und weiß nicht, für wen er es sammelt.” 61 Die Mühe ist gewiß, ungewiß aber ist der Genuß. Oft mühest und mattest du dich ab für deine Feinde. Oft kommt nach deinem Tod die Erbschaft an deine Widersacher und an Solche, die dir unzählige Nachstellungen bereitet; du hast die Sünden davon, ein Anderer hat den Genuß.
5.
Aber es verlohnt sich wohl zu untersuchen, weßhalb der Apostel nicht sagt: „Den Reichen in dieser Welt gebiete, daß sie nicht reich seien, gebiete, daß sie arm seien, daß sie sich der Habe entäussern,” sondern: „Gebiete, daß sie nicht stolz seien.” Er weiß, daß Wurzel und Unterlage des Reichthums der Hochmuth ist, und daß, wer Maaß zu halten versteht, auf solche Dinge nicht vielen Fleiß verwenden wird. Denn sage mir, weßwegen führst du (Reicher) die vielen Bedienten, die Schmarotzer, die Schmeichler und alles andere Schaugepränge herum? Nicht, weil du ihrer bedarfst, sondern allein aus Hochmuth, um dadurch das Ansehen zu gewinnen, als seiest du ehrenwerther denn andere Leute. Übrigens weiß aber Paulus, daß der Reichthum nicht verwehrt ist, wenn man ihn zum nöthigen Bedarfe verwendet. Denn gleichwie ich gesagt habe, 62 daß nicht der Wein, sondern die Trunkenheit etwas Sündhaftes sei, so ist auch der Reichthum nichts Böses, sondern die Habsucht ist sündhaft, der Geldgeiz ist böse. Etwas Anderes ist ein Geiziger, etwas Anderes ein Reicher. Der Geizige ist nicht reich; der Geizige leidet vielfältigen Mangel; wer aber vielfältigen Mangel leidet, hat ja nie Überfluß. Der Geizhals ist Wächter, nicht Herr; ist Knecht, nicht Gebieter seiner Schätze. Denn lieber theilte er Jemandem wohl von seinem eigenen Fleisch mit als von dem vergrabenen Golde; und als ob Jemand ihm aufgetragen und befohlen hätte, Nichts von dem, was er auf die Seite gelegt, zu berühren: so hegt und hütet er es mit aller Sorgfalt und enthält sich seines Eigenthums, als wäre es fremdes Gut. Und es ist auch in der That fremdes Gut. Was er nemlich an Andere herauszugeben oder an Bedürftige zu vertheilen sich nimmer entschlösse, und ob er auch tausend Martern ausstehen müßte: wie könnte er glauben, daß das sein Eigenthum sei? Wie hat er das im Besitz, dessen unbefangene Nutzung und dessen Genuß er nicht hat? Dazu kommt, daß Paulus gewohnt ist, nicht Allen Alles aufzulegen, sondern sich herabläßt zu der Schwachheit der Zuhörer, gleichwie auch Christus gethan hat. Denn jenem Reichen, der herbeikam und sich mit ihm über das ewige Leben besprach, sagte er nicht: „Gehe hin, verkaufe.was du hast,” sondern ließ das bei Seite und sprach zu ihm über andere Gebote. Als Jener sodann selbst ihn herausforderte und fragte: „Was fehlet mir noch?” auch da sagte er nicht geradezu: „Verkaufe. was du hast,” sondern: „Willst du vollkommen sein, so gehe hin, verkaufe was du hast.” 63Ich stelle es deinem Willen anheim, ich mache dich zum Herrn deiner Wahl, ich lege dir keinen Zwang auf. Darum redet auch Paulus mit den Reichen nicht von der Armuth, sondern von der Demuth, um der Schwachheit der Zuhörer willen und weil er wohl wußte, daß Bescheidenheit und Freiwerden von Eitelkeit sie gar bald auch frei machen würde von der Sucht nach Bereicherung. — Ferner, indem er sie ermahnt, nicht stolz zu sein, zeigt er auch die Art, auf welche sie dahin gelangen könnten, nicht hochmüthig zu sein. Und welche ist das? Wenn sie das Wesen des Reichthums ins Auge faßten, wie unsicher und unzuverlässig er sei. Darum setzt er hinzu: „Auch nicht hoffen auf den ungewissen Reichthum.” Reich ist nicht, wer viel besitzt, sondern wer viel gibt. Reich war Abraham, aber nicht geizig. Denn er schaute nicht um nach dem Hause des Einen und forschte nicht nach dem Vermögen des Andern, sondern ging hinaus 64 und schaute sich um, ob irgend ein Fremdling, ob irgendwo ein Armer sei, daß er der Nothdurft zurechthälfe, daß er den Wanderer aufnähme. Nicht schmückte er sein Hausdach mit Gold, sondern bei jener Eiche schlug er sein Zelt auf, und mit dem Schatten ihrer Blätter begnügte er sich. Und doch war seine Wohnung so glänzend, daß es selbst Engel nicht verschmähten, bei ihm Herberge zu nehmen. Denn nicht Pracht des Hauses begehrten sie, sondern Tugend der Seele. Ihm also laßt uns nachahmen, Geliebte, und das Unsere den Armen zuwenden! Nur flüchtig hingebaut war seine Wohnung, aber sie war prächtiger als der Könige