EMP. Andrea Ross. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andrea Ross
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Научная фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783967525298
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schließlich bin ich Beamtin von Beruf. Alles muss seine logische Ordnung haben, sonst fühle ich mich nicht wohl in meiner Haut. Also, nun denn:

       Freitag, 14. Februar 2020, Valentinstag

      

      Ich wachte auf, weil die tief stehende Sonne verstohlen durch die Jalousien des Schlafzimmers blinzelte und meine Nase hartnäckig mit ihren Strahlen kitzelte. Wohlig wollte ich mich strecken wie eine Katze, mich umdrehen und einfach weiterschlafen, so wie ich es samstags traditionell immer handhabe. Doch dann fiel mir siedend heiß ein, dass heute gar nicht Samstag, sondern erst Freitag ist!

      Der Schreck über diese Erkenntnis muss mir eine wahre Riesenportion Adrenalin durch den Körper gejagt haben, panisch sprang ich aus meinem Bett. Weshalb, zum Teufel, hat eigentlich mein im Handy eingebauter Wecker nicht geklingelt? Sonst holt mich das Ding jeden Morgen zuverlässig aus den Federn. Und zwar noch weit vor dem Morgengrauen.

      Aber heute nicht! Ich stellte schnell frustriert fest, dass mein Handy tot war. Mausetot, komplett entladen. Dachte ich wenigstens zunächst. Bis ich das Ladekabel holte und feststellen musste, dass das Gerät auch damit nicht wiedererweckt werden konnte. Verflixt noch mal, ich musste auf jeden Fall verschlafen haben, und zu allem Überfluss schien noch das schicke I-Phone seinen Geist aufzugeben! Ich hasste den Tag schon in diesem Moment.

      Ziemlich genervt und noch ganz schwindelig tappte ich ins Wohnzimmer, um die aktuelle Uhrzeit herauszufinden. Danach würde ich im Amt anrufen und mir den Spott der Kollegen zuziehen müssen, die sich dann tagelang köstlich darüber amüsieren würden, dass ausgerechnet ich, die Vorzeigebeamtin, mich des Zuspätkommens schuldig machte. Peinlich!

      Aber es kam ganz anders, der lästige Anruf wurde mir erspart. Die Anzeige meines DVD-Rekorders blieb dunkel, keine blassblaue Leuchtanzeige gab wie sonst die Uhrzeit an. Auch das Festnetz-Telefon war tot.

      Ich überlegte. Versuchte, eine Erklärung zu finden. Hatten wir vielleicht über Nacht einen totalen Stromausfall gehabt, war die Sicherung draußen und die Telefonleitung gestört? Diese in letzter Zeit wegen des Klimawandels häufiger auftretenden Wintergewitter sind nicht zu unterschätzen. Genau, das musste der Grund sein! Hoffte ich wenigstens.

      Zielstrebig setzte ich meine Wanderung durch die kühle Wohnung in Richtung des Sicherungskastens fort, der ganz vorne im Flur neben der Haustüre angebracht ist. ›Heureka!‹, dachte ich erleichtert, als ich die Abdeckung geöffnet hatte und die Schalter sah. Tatsächlich zeigten sie allesamt nach unten, einschließlich des größeren Hauptschalters.

      Dass etwas so ganz und gar nicht stimmen konnte, merkte ich erst, als sich die Schalter nicht mehr in die aufrechte Position drücken ließen, nicht einmal mit roher Gewalt; sie rochen außerdem dezent nach verschmortem Plastik. Von einem derart zerstörerischen Überspannungsschaden hatte ich bislang noch nie gehört.

      Erst jetzt fiel mir auf, dass dies nicht das Einzige war, was sich an jenem Morgen beunruhigend anders anfühlte. Es war ruhig. Viel zu ruhig, totenstill geradezu! Bis auf ein verhaltenes Murmeln aus dem Treppenhaus, das wohl von tratschenden Nachbarinnen herrührte, hörte ich nämlich überhaupt nichts. Und das wohlgemerkt, obwohl meine Wohnung in der Nähe eines Krankenhauses an einer stark befahrenen vierspurigen Straße liegt.

      Verflixt, mir tut jetzt schon die rechte Hand weh! Aber ich muss trotzdem weiterschreiben, die Zeit drängt. Auch wenn ich die exakte Uhrzeit nicht kenne – die Sonne steht jedenfalls sehr tief. Es wird bestimmt bald dunkel werden. Schon wirft meine Hand lange Schatten über das Papier.

      Also weiter.

      Als nächstes zog ich mich hastig an, um wenigstens nicht mehr zu frieren; der Temperatur nach konnte ich annehmen, dass sogar die Zentral-Heizungsanlage ausgefallen war. Gleich danach musste ich einsehen, dass heute logischerweise auch die Kaffeemaschine streikte. Ohne Strom nix los. Und ohne Kaffee würde heute auch mit mir erst einmal nicht viel los sein, überlegte ich grimmig.

      Nirgends gab es in meinem modernen Haushalt eine mechanische Uhr, deshalb nahm ich mir fluchend vor, als erstes die Nachbarin zur Rechten heimzusuchen. Falls mir das Glück hold wäre, funktionierte dort die Elektrizität. Oder Martha konnte mir wenigstens schonungslos sagen, um wie viele Stunden ich mich auf der Arbeit verspäten würde.

      Als ich auf den Klingeltaster drückte, durfte ich mich bereits von Hoffnung Nr. 1 verabschieden. Kein Ton kündigte mein Kommen an, die Klingel funktionierte nicht. Seufzend krümmte ich einen Zeigefinger, um in guter alter Manier höflich anzuklopfen.

      Mich hätte fast der Schlag getroffen, als Martha Behringer unvermittelt die Türe aufriss, noch bevor ich zum Klopfen gekommen war. »Oh, hallo … also, ich wollte grade … wissen Sie es auch schon?«, fragte diese entgeistert.

      Mein Puls raste immer noch, deshalb fragte ich nur verdattert:

      »Was genau meinen Sie? Das mit dem Stromausfall?«

      Martha, die in ihren wattierten Morgenrock gewickelt türrahmenfüllend vor mir stand, ist schon lange arbeitslos. Wir Nachbarn nennen sie hinter vorgehaltener Hand gerne die »Hartzer-Martha« – in Anspielung auf die Art ihres Einkommens, welches allmonatlich vom Amt kommt. Woraus Martha sich nichts macht, denn sie hat sich ihr ereignisloses Leben ohne Familie, tägliche Arbeit oder sonstige lästige Verpflichtungen offenbar zufriedenstellend eingerichtet.

      Vermutlich hatte sie vom Stromausfall erfahren, weil der Fernseher ihr die allmorgendlichen Daily Soaps versagte. Jetzt drehte sie die Augen heraus und schob das Kinn nach vorne, was sie traditionsgemäß tut, bevor sie höchst wichtigen Tratsch in der Weltgeschichte verbreitet. Welcher selbstverständlich so streng geheim ist, dass die Hausgemeinschaft spätestens nach einer Stunde zur Gänze von den unsäglichen Neuigkeiten weiß. Manchmal habe ich schon insgeheim vermutet, sie würde einfach Sachverhalte aus ihren seichten Fernsehsendungen entnehmen, um sich wichtigmachen zu können.

      Aber ich schweife schon wieder ab! Also: Martha erzählte mir brühwarm, dass weder Steckdosen, noch die Heizung, noch akkubetriebene Geräte funktionieren würden. Dass sie gerade nach unten hatte gehen wollen, um nachzusehen, was mit den Autos nicht stimme – ob mir gar nicht aufgefallen sei, dass heute kein Mensch motorisiert auf den Straßen unterwegs sei?

      Vor fünf Minuten erst habe sie mit dem »Ecki« gesprochen, der in der Wohnung unter mir wohne. Der habe erzählt, dass noch alles ganz normal funktionierte, als er früh um 5 Uhr aus dem Nachtdienst nach Hause gefahren war. Es seien bloß jede Menge »komische Lichter« am Himmel gewesen.

      Na ja, der Ecki! Ich musste schmunzeln. Ecki alias Bruno Eckert ist nämlich ein recht unbedarfter Zeitgenosse, der unbeirrbar an UFOs und Außerirdische glaubt. Komische Lichter, na klar! Ecki interpretiert oft und gern banale Vorgänge, damit sie perfekt auf seine abgefahrenen Theorien passen. Aber andererseits war auch mir aufgefallen, dass die allgegenwärtigen Straßengeräusche total fehlten.

      »Na gut? Gehen wir nachsehen!«, schlug ich vor und begleitete meine nicht ganz salonfähige Nachbarin nach unten.

      Mensch, ich sehe fast nichts mehr! Soll ich lieber morgen weiterschreiben? Aber was ist, wenn das morgen so weitergeht und ich mit den Aufzeichnungen gar nicht mehr nachkomme? Ich gehe mal Kerzen suchen, irgendwo müssten noch welche herumliegen. Seit der Sache mit Mark, die vor zwei Monaten so kläglich den Bach hinunter ging, habe ich keine Kerze mehr angezündet. Sentimentale Romantik ist so völlig fehl am Platze, wenn man alleine lebt und dadurch nur unliebsam an eine vergangene Partnerschaft erinnert wird. Besonders an Tagen wie dem Valentinstag. Und gerade heute bin ich gezwungen, mich wider Willen doch mit Kerzen zu befassen, hurra!

      *

      So, da bin ich wieder! Am Tischplattenrand meines Schreibtisches entlang stehen nun lauter kleine Teelichter im Kreis drapiert, die mich hoffentlich befähigen werden, bei diesem flackernden, unsteten Licht weiterzuschreiben. Diese Dinger brennen angeblich für vier Stunden, das sollte mir ausreichen.

      Wie viele dieser mickrigen Flämmchen man doch benötigt, um eine einzige Glühbirne zu ersetzen! Ich habe mir gerade drei Pullover und ein dickes Paar Socken zusätzlich angezogen, denn langsam kriecht die Februar-Kälte unangenehm