Nein, dass ich froh bin, hat andere Gründe. Genauer gesagt, diese zwei: Bis zu diesem Punkt war dieses Buch echt nur Scheiße, so wie unser Zwei-Parteien-System. Bis zur Wahl hatte ich nur rumgelabert, wie recht ich doch mit allem hatte, was Trump und die Rechten anging, blablabla, mimimi, UND JETZT REISS DICH MAL ZUSAMMEN, TAYLOR. Ich benahm mich genau wie die Partei, von der ich dachte, dass ich sie unterstützte, bis ich begriff, dass das genau der Grund war, weswegen es den meisten Leuten so schwerfiel, bei eben dieser Partei ihr Kreuz zu machen. Nicht nur, dass sie mit den demokratischen Wahlkampfthemen nichts verbanden, sie fühlten sich außerdem herabgesetzt und nicht ernst genommen, weil sie nicht Teil der schicken, intellektuellen Eliten sind. Die eher bodenständigen Leute schlugen sich daher lieber auf die Seite eines egomanischen Cheeto-Maiskäsebällchens als auf die Seite des Kandidaten, der diese Type wie ein Gangmitglied in Death Wish 2 hätte wegpusten sollen.
Sie hatten keinen Bock mehr darauf, immer wieder in die Wortwahl-Falle zu tappen – dies darf man nicht sagen, jenes darf man nicht sagen … dabei ist das doch albern. „God bless you“ ist angeblich nicht mehr okay wegen des Gottesbezugs, es darf jetzt nur noch „bless you“ heißen. Man muss höllisch mit den Pronomen und den Wortendungen aufpassen, auch wenn das dann klingt, als ob man einen Sprachfehler hätte. „Merry Christmas“ geht nicht mehr durch, „motherfucker“ schon gar nicht, stattdessen muss alles furchtbar geschraubt und aufgesetzt sein. Das führt zu einem Phänomen, zu dem wir später noch kommen werden: Empathieverweigerung. Der britische Schriftsteller W.S. Gilbert hat einmal gesagt: „Wenn jeder etwas Besonderes ist, dann ist niemand mehr etwas Besonderes.“ Was an dieser Stelle so viel bedeutet wie: Wenn alles zur Beleidigung wird, dann ist nichts mehr eine Beleidigung.
So sehr sich die Meinungsforscher und Journalisten auch bemühten, ein breitgefächertes Bild von den beiden großen Parteien zu zeichnen, waren die Politiker trotzdem zu Leuten geworden, mit denen man sich nicht mehr identifizieren konnte. Persönlich denke ich zwar, dass man ein solches Identifikationsangebot auch gar nicht von einem Politiker erwarten sollte, aber ich glaube eben auch grundsätzlich, dass die meisten dieser Typen nur Scheiße labern, zwei Gesichter und vor allem viel zu tiefe Taschen haben. Bei Trump hatten wir wenigstens noch das Gefühl, das ist ein Idiot wie wir. Bei Hillary ging mir das nie so. Ehrlich, ich glaube, die meisten Amerikaner gingen immer davon aus, dass sie sowieso nur auf alle herabsieht, und deswegen haben sie sich nie die Mühe gemacht, ihr auch mal zuzuhören. Jetzt will ich nicht wieder die ganze beschissene Wahl aufarbeiten – ich denke mal, in der Zeit sind wir alle um Jahre gealtert, und das will heute keiner mehr hören. Ich finde halt nur, dass die meisten von uns, die meisten ganz normalen Leute nur versuchen, sich irgendwie durchs Leben zu schlagen, und sie wollen keine Präsidentin, die ihnen dauernd das Gefühl gibt, sie wären scheiße. Ob euch das jetzt gefällt oder nicht, ich bin überzeugt, das war genau der Eindruck, den die Leute von Hillary hatten, und wahrscheinlich von allen Demokraten. Es kommt halt nicht gut an, wenn man den Leuten dauernd reindrückt, dass man doch viel schlauer ist als sie. Das war wahrscheinlich nicht der einzige Grund, aber es hat bestimmt dazu beigetragen, dass viele ihr Kreuz woanders gemacht haben.
Wie schon gesagt, ich habe jahrelang zu den Demokraten tendiert. Allerdings denke ich jetzt doch sehr über einen völlig unabhängigen Standpunkt nach, weil es mir auch so geht wie den meisten anderen Amerikanern und ich das Gefühl habe, dass die da oben uns hier unten sowieso nicht ernst nehmen. Und da rede ich jetzt von beiden Parteien. Die Republikaner verstecken das ein bisschen besser hinter ihren Waffen und dem lieben Gott, aber man darf, Gott bewahre, eben auch auf gar keinen Fall ein bisschen anders sein. Sie wollen, dass man sich von ihnen vertreten fühlt – sie sehen sich ja als die „Partei des Volkes“! Das gilt aber nur, solange man eben auch genauso ist wie sie. Wenn nicht, bist du deine Rechte schneller los, als du „mein Bauch gehört mir“ sagen kannst. Die Demokraten sind aber nicht besser. Sie sind zwar schlau genug, in liberalen Fragen progressiv zu entscheiden und die Transgender-Gleichberechtigung oder das Recht auf Abtreibung durchzusetzen, aber dann doch nicht so schlau, dass sie kapieren, wieso manche Leute damit schlecht zurechtkommen, vor allem, wenn sie sehr religiös sind. Für die normalen Leute sind solche Themen so fremd, als ob sie mit einer Kindergärtnerin in Topeka französisch reden müssten. Die meisten haben über so etwas noch nie zuvor auch nur nachgedacht, und jetzt werden sie plötzlich gezwungen, ihnen völlig fremde Einstellungen zu unterstützen und bedingungslos zu akzeptieren, selbst, wenn sie noch nicht mal richtig wissen, was sie eigentlich bedeuten.
Es erklärt ja heute keiner mehr was – es wird einfach nur irgendwelcher Scheiß in die Welt geblökt, auf Twitter oder Facebook oder irgendwelchen dunklen Kommentarseiten, wo sich Anstand und Verstand schon lange verabschiedet haben. Das facht den Narzissmus auf beängstigende Weise an. Aber wir kommunizieren ja sowieso nicht mehr richtig. Wir hauen irgendein aufsehenerregendes Statement raus, und wehe, irgend so ein Arsch sagt dazu irgendwas, was auch nur ein bisschen abfällig klingt, dann hauen wir sofort mit echtem Digitalgift und einer dicken Portion Selbstgerechtigkeit zurück. Ihr, die ihr euch hier einloggt, lasset alle Hoffnung fahren. Und so ist es dann kein Wunder, wenn jeder, der intelligent rüberkommt, gleich als „elitärer Gutmensch“ gilt, während jeder, der eher nach Arbeiterklasse klingt und vielleicht eine etwas simplere Sicht auf das Leben hat, schnell als „weißer Abschaum“ und „rassistischer Hinterwäldler“ abgestempelt wird. Eine Bevölkerung, die derartig auseinanderdividiert wird, bevor überhaupt ein Gespräch in Gang kommt, wird unglaubliche Dinge tun … zum Beispiel einen Donald Trump nominieren und dann auch noch wählen.
Und so veränderte sich auch dieses Buch: Erst war es ein scheinheiliges Editorial, das vor allem zeigte, wie sehr meine Matschbirne zu wissen glaubte, was für alle das Beste ist. Dann wurde es zu einer tiefgehenderen Auseinandersetzung damit, was hier gerade läuft, und damit meine ich alles: die politischen Parteien, für wen sie angeblich eintreten, für wen sie wirklich eintreten, was die Leute glauben, für wen sie eintreten, wohin das alles führt und wo wir hoffentlich einmal hinkommen – kombiniert mit einer Geschichtsstunde zum Thema amerikanische Politik. Außerdem will ich mit euch eine kleine Tour durch ein paar ziemlich coole Immobilien in den Vereinigten Staaten machen, euch ein bisschen was erzählen, was ihr vielleicht schon vergessen habt oder vielleicht auch noch nie wusstet, euch an Leute und Orte erinnern, die die Phantasie anregen, ein bisschen nostalgisch und – Achtung, jetzt kommt’s – echt patriotisch werden, wobei ich allerdings nicht den Scheiß meine, den die Regierung im Spätabendprogramm raushaut. Es geht mehr darum, unterm Bett mal nach den alten Lieblingsspielzeugen zu gucken, die wir gar nicht mehr so richtig auf dem Zettel haben, und uns über die Wiederentdeckung zu freuen, bevor uns dann wieder der Zynismus in die Klauen bekommt und uns daran erinnert, dass die harte Realität leider eher darin besteht, Rechnungen zu bezahlen und Wäsche zu waschen. So wie es im richtigen Leben nun mal ist.
Wisst ihr, was mich an vielen Politikern so stört? Dass wir sie nur im Fernsehen sehen. Oder in den Zeitungen. Wir kennen die doch gar nicht. „Alter, das ist doch mit dir auch nicht anders.“ Hey, du Drecksack, halt mal die Luft an. Wann hast du denn das letzte Mal eine Rechnung nicht bezahlen können und dir ein oder zwei Wochen lang deswegen Sorgen gemacht? Wann hast du die letzte Nacht durchwacht, weil du kleine Kinder hast und kein Auge zubekommst, solange sie nicht einschlafen? Wann musstest du das letzte Mal entscheiden, ob du für die Kinder was zu essen kaufst oder lieber erst die Stromrechnung bezahlst? Hast du solche Scheißzeiten überhaupt schon mal erlebt? Wenn ja, zeig mal die Fotos. Oder ein Video. Erzähl mal, wie du ein Sandwich machst, wenn du nichts hast, was aufs Brot drauf könnte. Ich? Ich kann mich an all sowas erinnern. Ein gutes Gedächtnis ist ein Fluch und ein Segen zugleich. Und ich kann dir sagen, wenn du mir ein paar Scheiben Brot gibst und mich in eine Küche steckst, in der sich nichts finden lässt, was auch nur annähernd wie „Sandwich-Belag“