Manchmal waren sonntagmorgens ein paar Typen bei meinem Papa zu Besuch. Sie brachten Bagels mit und unterhielten sich. Ohne, dass sie dies als störend empfand, saugte Mama um sie herum und schob den Staubsauger sogar unter ihre Beine, während sie miteinander sprachen. Warum konnte sie mit dem Putzen nicht warten, bis sie das Haus verlassen hatten? Vielleicht war das ihre Art, mit seinen zwielichtigen Freunden und seinem schäbigen Leben zurechtzukommen – sie saugte alles weg.
Eines Tages fuhren wir nach Staten Island, um uns Häuser anzusehen. Ich war gerade sieben Jahre alt, und alles kam mir sehr schnell vor. Eben noch hatten wir Immobilien besichtigt, und im nächsten Augenblick verabschiedeten wir uns schon von Bensonhurst und fuhren westwärts über die Verrazano-Narrows-Brücke nach Staten Island, ein im Vergleich zu Brooklyn geradezu ländliches Idyll.
Ich war sehr glücklich, dass wir nun in der »Vorstadt« lebten. Ich hatte nur eine gute Freundin in Brooklyn gehabt und war ohnehin zu jung, um allzu sehr an meinem alten Wohnort zu hängen. Für mich bedeutete der Umzug, dass wir es geschafft hatten – das große Geld. Unser neues Haus verfügte sogar über Plüschteppichboden, sodass sich meine Mutter mit ihrem Staubsauger dort wunderbar austoben konnte.
Zurück ließen wir meine Tante Diane, die Zwillingsschwester meiner Mutter, und ihren neuen Ehemann Sandy, der völlig anders war als mein Vater, kein Typ von der Straße. Sie wussten jedoch, wo sie uns finden konnten. Und das taten sie auch. Sie zogen in das Haus am Leggett Place, das an unseres angebaut war. Ihre Tochter, meine Kusine Gina, war damals noch ein Baby. Mein Cousin Anthony war noch nicht auf der Welt.
Alles an dem Umzug war aufregend. Mein Vater kaufte eine komplett neue Einrichtung, also kamen ständig Lastwagen und Umzugshelfer zu uns. Sie brachten eine riesige, nagelneue, noch in Folie verpackte Couchgarnitur oder Betten und Kommoden für die Schlafzimmer. Mein Zimmer war gelb und weiß, mit einem Himmelbett, das mit total neuem Bettzeug im Prinzessinnenstil ausgestattet war. Um unser neues Heim zu etwas ganz Besonderem zu machen, mauerte mein Vater im Innenbereich Blumentröge aus Ziegelsteinen.
Das erste Haus auf Staten Island lag am Leggett Place, etwa drei Meilen westlich von der Verrazano Bridge. Es war ein Neubaugebiet, in dem viele der geplanten Gebäude noch gar nicht existierten, umgeben von Farmland. Das Beste war aber, dass dort viele junge Familien mit Kindern lebten, die etwa in Gerards und meinem Alter waren. Wir machten alles gemeinsam. Gerard und ich schauten immer erst aus dem Fenster, um zu sehen, wer draußen war, bevor wir uns zu den vielen anderen Kindern gesellten, die dort spielten oder mit ihren Fahrrädern auf der Straße herumfuhren.
Auch die Mütter gluckten zusammen und redeten über ihre Lieblingsthemen – aktuelle Ereignisse, Kindeserziehung oder Rezepte. Wenn jemand ins Haus ging, um das Abendessen zuzubereiten, schauten die anderen Mütter, ob nicht noch jemand zum Tratschen draußen war. Abends nach dem Essen besuchten wir uns gegenseitig in unseren Hobbykellern, bis es Zeit war, ins Bett zu gehen. Die meisten Leute in der Nachbarschaft waren Italiener. Viele von ihnen waren, genau wie wir, von Brooklyn nach Staten Island gezogen.
Etwa ein Jahr nach dem Umzug zogen meine Tante Fran, Onkel Eddie, meine Kusinen Lilian und Rena sowie meine Vettern Bud und Jerry direkt gegenüber ein. Ich war hellauf begeistert. Papa sagte uns, er habe gewollt, dass seine Schwester hierher ziehe, damit wir näher beisammen lebten. Sogar meine Großeltern zogen bei ihnen ein, in eine kleine, separate Erdgeschosswohnung. Damals wusste ich noch nicht, dass Onkel Eddies Baufirma Pleite gegangen war. Meine Großeltern hatten ihr Haus in Ronkonkoma, also ihren Alterssitz, verkauft, um ihm finanziell aus der Patsche zu helfen. Es brachte meinen Vater fast um, dass sie ihr Haus verkaufen und in eine Einliegerwohnung ziehen mussten, um Eddie zu helfen. Fran gehörte zur Familie, also tat mein Vater, was er konnte, um seiner Schwester unter die Arme zu greifen. Er nahm einen Kredit in Höhe von dreißigtausend Dollar auf und half ihnen beim Umzug, beim Möbelkauf und der Regelung ihrer finanziellen Probleme. Mein Vater musste unser eigenes Bauprojekt auf Eis legen, und für eine geraume Zeit wurden auch keine neuen Möbel mehr angeschafft. Zum Glück waren die neuen Betten unter den ersten Dingen gewesen, die eingetroffen waren.
Es gefiel mir, dass Eddie, Fran und die anderen Garafolas gegenüber wohnten. Wir besuchten uns immer gegenseitig. Endlich lebten »unsere Leute« im Viertel, und wir hatten viel Spaß miteinander. Anfangs hatte es meinen Vater traurig gestimmt, dass seine Eltern aufgrund von Eddies misslicher Lage zum Umzug gezwungen gewesen waren. Am Ende aber funktionierte alles ganz prächtig. Meine Großeltern schienen recht zufrieden zu sein. Nicht zuletzt war mein Vater das Baby meiner Großmutter, sodass die neue Nähe zu ihm ein Bonus für sie war. Als mein Großvater acht Monate später starb, war mein Vater sehr erleichtert, dass meine Großmutter nun so nahe bei uns wohnte und nicht allein in Ronkonkoma zurückgeblieben war.
Mein Bruder Gerard aß für sein Leben gern, also war es perfekt für ihn, dass er Verwandte in der Nachbarschaft hatte, die ihm gerne etwas auftischten. Er ging zum Essen erst zu seiner Oma, dann zu Tante Fran, dann kam er nach Hause und aß dort noch einmal. Allen erzählte er, er habe noch nichts gegessen, sodass er insgesamt drei Mahlzeiten bekam. Manchmal stahl er von einer hinter dem Neubaugebiet gelegenen großen Farm einen großen Kürbis oder eine Tomate, die meine Großmutter in die Soße geben konnte. Einmal setzte der Bauer Gerard bis nach Hause nach und rief ihm hinterher, er solle das gestohlene Gemüse wieder hergeben. Auch Großmutter war draußen und herrschte den Bauern an: »Lassen Sie die Finger von meinem Enkel!« »Er hat mein Gemüse gestohlen!«, schrie der Kerl zurück. Meine Großmutter blieb jedoch hartnäckig, und sowohl der Kürbis als auch die Tomate landeten in ihrer Soße. Sie war köstlich!
Wir alle mochten Oma Kay. Dass sie auf der anderen Straßenseite lebte, machte es einfacher, sie zu besuchen. Sie machte die beste Soße der ganzen Welt. Ich war dreizehn, als sie starb. Seit dem Tod meines Großvaters war sie nicht mehr ganz dieselbe gewesen. Sie war sehr traurig und wurde krank. Sie war es auch gewesen, die meinen Spitznamen »K.G.« erfunden hatte. Zu meinem dreizehnten Geburtstag hatte sie mir eine Halskette mit meinen diamantbesetzten Initialen geschenkt. Alle bekamen diese diamantenen Initialen zu ihrem sechzehnten Geburtstag, aber ich bekam meine schon mit dreizehn. Sie kaufte auch mein gesamtes Porzellan und mein Silberbesteck mit eingravierten Initialen, das ich einmal zur Hochzeit erhalten sollte. Sie muss gespürt haben, dass sie keine drei Jahre mehr zu leben hatte. Am Abend vor ihrem Tod gingen wir alle ins Krankenhaus und verabschiedeten uns. Am nächsten Morgen war sie einer Herzattacke erlegen. Papa war traurig, ließ sich aber nicht hängen.
Toniann war meine beste Freundin am Leggett Place. Sie lebte zwei Häuser weiter und war zwei Jahre älter als ich, was jedoch keinen von uns beiden störte. Wir waren etwa in derselben Altersgruppe und besuchten dieselbe öffentliche Schule. Ihre Eltern arbeiteten beide. Ihr Vater war ein gewöhnlicher Arbeitnehmer, der von neun bis fünf weg war, und ihre Mutter Friseurin. Wir übernachteten regelmäßig zusammen. Im Verlauf unserer Teenagerjahre verloren wir jedoch den Kontakt.
Ich wurde zu einem »schlechten« Mädchen, stahl mich aus dem Haus und ging in Nachtclubs, als ich vierzehn war. Sie machte solche Sachen nicht, also traf sie sich mit den guten Mädchen, während ich mich mit jenen umgab, die gern Schwierigkeiten machten.
Ich erinnere mich daran, wie mich Toniann einmal so aufbrachte, dass ich fast weinte. Alle Italiener nahmen es sehr wichtig mit ihrem Essen, und auch wir Gravanos bildeten da keine Ausnahme. Toniann bat mich, das Wort »Ricotta« zu sagen. Ich dachte mir nichts dabei, also sagte ich das Wort genauso, wie sie es gesagt hatte: »Ricotta«. Sie erwiderte dies mit verletzendem Spott: »Da sieh mal an, du bist ja gar keine Italienerin! Die Italiener sagen Ri-koh-da.« Ich war verwirrt. Ich wusste zwar, dass