»Ich bin ein zorniger Gott, spricht der Herr!«
Die von Grund auf erregte Jeanne konnte es in dem Stuhl nicht mehr aushalten. Katharina blieb ruhig sitzen, sie faltete ihre fleischigen Hände, die voller Ringe und Grübchen waren.
»Ihr seid zornig«, sagte sie, »weil ihr arm seid. Der Krieg ist euer Geschäft. Ich biete euch Geld, dann braucht ihr ihn nicht mehr.«
Dieses Übermaß von Unverständnis und Mißachtung brachte Jeanne zum Äußersten. Sie hätte auf die Dicke mit Fäusten losgehen wollen. Sie stammelte: »Und wieviel Geld bekommen die Geliebten meines Gatten, damit sie ihn weiter verführen, gegen die Religion zu kämpfen?«
Katharina nickte nur - grade als ob sie dies und nichts anderes erwartet hätte. Endlich war es heraus. Eine eifersüchtige Frau, diese Glaubensheldin! Eine Antwort war nicht notwendig, die Blonde mit dem Ziegengesicht hätte doch nichts gehört, sie war aus Mangel an Selbstbeherrschung gegen die Wand getaumelt und wie ohnmächtig auf die große Truhe hingesunken. In diesem Augenblick öffnete sich eine Tür, die bemalt, vergoldet, aber mit Eisen beschlagen war. Die Wache stieß ihre Hellebarden auf den Boden, und den Saal betrat der König von Navarra, an der Hand seine beiden Kinder.
Antoine von Bourbon wiegte sich in den Hüften als der schöne begehrte Mann, der er war. Er tat es für alle Fälle, ohne bis jetzt zu erkennen, was hier vorging. Die Fenster lagen in tiefen Nischen, es herrschte Dunkelheit für jeden, der eintrat. An der entfernten Wand glaubte er eine Bewegung zu bemerken, sofort griff er nach seinem Dolch. Da lachte die Königin Katharina von Herzen, wenn auch nur leise in sich hinein.
»Gehen Sie tapfer drauflos, Navarra! Sie sollen sehen, daß ich keinen Mörder versteckt halte - erst recht nicht für einen Mann wie Sie.«
Er hätte die freimütigste Geringschätzung heraushören sollen, aber dafür war er zu eitel. Deshalb verschmähte er es, sich um die verdächtige Wand noch länger zu bekümmern, sondern verneigte sich vor Katharina. Dann sagte er mit Anstand:
»Dies ist mein Sohn Henri, er bittet um Ihre Gunst, Madame.« Die kleine Schwester wurde nicht beachtet, aus Scham schlug sie die Augen nieder.
Henri betrachtete die Frau und vergaß zu grüßen. Hier saß mitten in einem großen Zimmer, an der Stelle, auf die das meiste Licht fiel, die schreckliche und böse Katharina von Medici, das war sie. Über seinen Reiseerlebnissen, den neuen Bekanntschaften im Garten und besonders wegen der Melonen hatte er sie so gut wie ganz vergessen; erst jetzt fiel ihm wieder ein, wie sie hätte aussehen müssen. Sie mußte Klauen, einen Buckel, eine Hexennase haben, und so war er auch bereit, sie wiederzuerkennen; leider machte sie es ihm schwer, sie war so gewöhnlich. An der hohen, graden Lehne ihres Sessels erschien sie klein, auch fett war sie, hatte schwammige weiße Wangen und Augen wie Kohlen, die nicht brannten. Sie enttäuschte Henri.
Daher machte sein munterer Blick die Runde durch den Saal, und was fand er? Oh! Er sah schärfer als sein Vater, außerdem liebte er mehr. Daher stürmte er dorthin, wo Jeanne lag oder kauerte.
»Mama! Mama!« rief er und dachte, noch laufend: ›Also doch! Sie hat ihr etwas getan.‹
»Was hat die böse Madame Catherine dir getan?« fragte er leise und dringend, während er seine Mutter küßte.
»Nichts. Mir war nur schlecht geworden. Jetzt stehen wir beide auf und sind ganz besonders artig.« Dann tat sie auch gleich, was sie beschlossen hatte.
Jeanne kam herbei, den Arm um ihren kleinen Sohn, sie lächelte ihrem Gatten entgegen und sagte: »Hier ist unser Sohn« - ließ Henri aber nicht aus ihrem Arm.
»Ich habe ihn dir mitgebracht, damit du ihn einmal wiedersiehst, mein lieber Mann, denn du kommst selten nach Haus. Besonders will ich ihn auch der Königin von Frankreich vorstellen als ihren kleinen Soldaten, der ihr ebenso dienen soll wie sein Vater.«
»Das ist recht«, erwiderte Katharina gutmütig. »Wenn es aber nach mir geht, leben wir im ganzen Königreich friedlich wie eine Familie.«
»Dann müßte ich wohl meinen Acker bebauen?« fragte der Kriegsmann Antoine, wenig befriedigt.
»Sie sollten sich mehr um Ihre Frau kümmern. Sie liebt Sie und erleidet Schwächeanfälle, weil Sie ihr fehlen. Ich kann ihr zwar ein kleines Mittel eingeben.«
Jeanne erschauerte; sie wußte genug von den kleinen Mitteln dieser Giftmischerin! »Oh! das ist nicht nötig«, versicherte sie schnell.
Sie hatte sich noch zusammennehmen müssen, während sie von der Truhe aufstand und herkam; jetzt aber ging die Verstellung schon von selbst, nicht schlechter als bei Katharina. Diese gab sich mütterlich.
»Ihrer Frau, Navarra, habe ich meine Freundschaft angeboten, und ich glaube auch, daß sie mir genauso wohlwill wie ich ihr.«
Jeanne dachte inständig und schnell: ›Mein Sohn soll groß werden, ich werde mit euch noch fertig. Ich werde mit euch fertig, mein Sohn wird groß sein. Ich, die Nichte Franz' des Ersten - und diese Krämerstochter!‹
Ihre entzückte und zarte Miene veränderte sich hierbei nicht im geringsten blieb doch auch das Gesicht Katharinas bei allem, was sie denken mochte, mütterlich. Nur damit verriet die Medici sich, daß sie von den beiden Kindern so gut wie keine Kenntnis nahm, nicht einmal von dem ängstlichen kleinen Mädchen. Wenn eine Frau schon Mütterlichkeit spielt.
»Ich bin aus ganzem Herzen Ihre Freundin!« rief Jeanne, begeistert, weil sie die andere ertappt hatte.
Vergangene Liebe
Antoine von Bourbon freute sich aufrichtig über den Verlauf der Unterredung. Als sie in ihrem Zimmer allein waren, umarmte er zuerst seine Frau, dann seinen Sohn. Ihm zeigte er aus dem Fenster ein kleines Pferd, das vorübergeführt wurde. »Es ist deins. Du darfst es gleich reiten.« Schon sprang Henri fort. Die kleine Schwester folgte ihm, um ihn zu bewundern.
Jeanne bekam jetzt ein ganz anderes Gesicht als das entzückte, das sie der Medici gezeigt hatte. Ihr Gatte bemerkte es in seiner großen Zufriedenheit noch nicht. Indessen sah sie ihn an wie zerstreut und sagte:
»Wie heißt doch nur die Frau, mit der du jetzt meistens gesehen wirst? Die dich auf deinem Feldzug begleitet hat und wahrscheinlich auch hierher?«
»Dir wird so vieles zugetragen.« Er lächelte sogar noch selbstzufrieden, das ertrug sie nur mit Mühe.
»Hast du denn alles vergessen?« fragte sie plötzlich mit voller, tiefer Stimme. Jeanne überraschte in gewissen Augenblicken mit einer Stimme wie eine Orgel, zu groß, zu klingend für diese schwache Brust. Ihr Gatte hörte sie und war ergriffen, sogleich erinnerte er sich an alles, woran sie wollte, daß er gedenke. Es bedurfte keiner Worte mehr. Sie hatten einander viel und lange geliebt.
Er hatte sie bekommen, nachdem Jeanne ganz allein darum gekämpft hatte, keinem anderen zu gehören. Bevor sie ihn kannte, war sie mit Gewalt verheiratet worden, man trug sie in die Kirche, sie behauptete, nicht gehen zu können; ihr Kleid wog wirklich zu schwer vom vielen Edelgestein. Aber das größere Gewicht hatte ihr Wille, obwohl sie damals noch ein Kind war. Sie verheirateten sie mit Gewalt - gleichviel, der Tag erschien, wenn auch nach Jahren, und Jeanne wurde glücklich mit ihm, durch den sie es sein wollte. Die Reihe der blühenden Tage lief ab, auch kam das frühe Verblühn, ihr eigenes und das ihres Glücks. Jetzt war nichts übrig als nur ihr Sohn, aber das hieß mehr, als sie je vorher besessen hatte. Wollte Antoine dies nur begreifen! Sie hatten den Sohn!
Die Ergriffenheit des Mannes durch ihre Stimme konnte natürlich nicht lange vorhalten, und seine Erinnerungen an die Zeiten der Leidenschaft wurden von dem Anblick der Armen nicht unterstützt. Er lebte zu sehr von den heute drängenden Aufgaben, einer Belagerung, einem Ränkespiel, einer jungen Frau. Zwar wollte er Jeanne eine halbe Minute, nachdem sie gesagt hatte: »Hast du denn alles vergessen?« noch umarmen, aber es galt schon nicht mehr der Einigkeit ihrer alten Gefühle, es war nur höflich, daher wies sie ihn zurück.
Antoine