Proverbi italiani
Herausgegeben von Judith Krieg und Nicoletta Grillo
Reclam
2018 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG,
Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH,
Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Made in Germany 2018
RECLAM ist eine eingetragene Marke
der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
ISBN 978-3-15-961364-2
ISBN der Buchausgabe 978-3-15-019940-4
[7]Vorbemerkung
In Sprichwörter sind alltägliche Erfahrungen und Beobachtungen eingeflossen, wie Menschen sie im Laufe der Jahrhunderte gesammelt haben; in der bildhaften Sprache des Sprichworts, in der häufig vorliegenden semantischen Mehrdeutigkeit und in der charakteristischen, einprägsamen Form werden solche Erfahrungen auf den Punkt gebracht und übertragbar zugleich, teils auch mit erkennbarer didaktischer Funktion. Für Lernende einer Sprache sind Sprichwörter Pflicht und Kür: Will man sich Gespräche und Texte wirklich in ihren Bedeutungsnuancen erschließen und mehr Sicherheit im Ausdruck erlangen, so sollte man sich zumindest die geläufigsten dieser tradierten kommunikativen »Codes« einprägen. Gleichzeitig macht die Bildhaftigkeit der ›Satzmetapher‹ Sprichwort auch ihren Reiz aus und eröffnet den Lernenden einen kreativen Zugang zur Fremdsprache, wobei die einprägsame Struktur auch als Erinnerungsstütze dienen mag. Und nicht nur das: Wer sich mit Sprichwörtern beschäftigt, stößt gleichsam auf Sedimente der Kulturgeschichte eines Landes, einer Region oder Sprache. Hierin liegen auch Verständnisschwierigkeiten begründet, immer wieder bedarf es der Kenntnis des kulturellen Kontextes, um Bedeutungen zu verstehen.
Der Band Proverbi italiani richtet sich in diesem Sinne an Lernende, die sich ein Repertoire an Sprichwörtern aneignen, und außerdem an alle, die sich für die italienische Sprache und Kultur interessieren, Freude daran haben und sich tiefergehend mit ihren Charakteristika auseinandersetzen möchten. Italienische Sprichwörter werden hier [8]verstanden als Kommunikationsmittel, als Verständnis- und sprachliches Verfeinerungsinstrument und als kulturelle Fundgrube. Um die Anwendung zu erleichtern, sind die Sprichwörter alphabetisch geordnet. Angeführt werden über 800 Sprichwörter in ihrer authentischen Form, wobei heute wirklich noch Bekanntes und Geläufiges im Zentrum steht. Auf ein Sprichwort folgt jeweils die Erklärung der über den Grundwortschatz hinausgehenden Vokabeln. Darauf folgt, wenn möglich, eine deutsche Entsprechung des Sprichworts. Existiert eine solche nicht und erschließt sich die Bedeutung nicht unbedingt von selbst, dann folgt eine kurze Erklärung, gegebenenfalls mit Informationen zum kulturgeschichtlichen Hintergrund. Angegeben werden biblische und in einigen Fällen auch lateinische Vorlagen, da in Italien die lateinischen Originalversionen in der alltäglichen und schriftlichen Kommunikation noch viel verbreiteter sind als im deutschen Sprachraum und Lernende, Lesende oder Reisende damit konfrontiert werden könnten.
[11]A
1. A bocce ferme si saprà chi guadagna.
la boccia (meist pl.): Bocciaspiel, -kugel. | fermo/a: stillstehend, angehalten. – D: »Wenn das Spiel aus ist, sieht man, wer gewonnen hat.«
2. A buon cavalier non manca lancia.
il cavaliere: Ritter. | la lancia: Lanze. – Sinn: Ein fähiger Mensch wird sich immer zu helfen wissen.
3. A buon consiglio non si trova prezzo.
D: »Guter Rat ist teuer.« / »Guter Rat ist Goldes wert.«
4. A buon intenditor poche parole.
l’intenditore: hier: Zuhörer, Gesprächspartner. – D: »Wo Verstand ist, da braucht es nicht viele Worte.«
5. A buona volontà non manca facoltà.
la facoltà: Fähigkeit. – D: »Wer will, der kann.« / »Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg.«
6. A carnevale ogni scherzo vale.
valere: hier: gelten. – Sinn: Zur Karnevalszeit sind Dinge erlaubt, die sonst nicht durchgehen.
7. A casa Poltroni è sempre festa.
il poltrone: Faulenzer, Faulpelz. – D: »Faule haben allzeit Feiertag.« Vgl. Nr. 418.
8. A caval donato non si guarda in bocca.
donare: schenken. – D: »Einem geschenkten Gaul sieht man nicht ins Maul.«
9. A chi batte forte, si apron le porte.
bạttere: hier: anklopfen. – Sinn: Beharrlichkeit und Nachdruck zahlen sich aus.
10. [12]A chi compra non bastan cent’occhi e a chi vende ne basta uno solo.
D: »Kauf bedarf hundert Augen, Verkauf hat an einem genug.«
11. A chi ha, sarà dato.
Biblischen Ursprungs: »Denn wer da hat, dem wird gegeben werden …« (Matthäus 25,29) Vgl. Nr. 636 und Nr. 715.
12. A ciascuno il suo mestiere.
D: »Jeder bleibe bei seinem Handwerk.« Vgl. Nr. 167.
13. A mali estremi, estremi rimedi.
il male: Unglück, Übel. | il rimedio: Abhilfe, Heilmittel. – D: »Außerordentliche Übel erfordern außerordentliche Mittel.« / »Teufel muss man mit Teufeln austreiben.« L: »Extremis malis, extrema remedia.« Vgl. Nr. 243.
14. A pagare e a morire si è sempre in tempo.
Sinn: Unangenehme Dinge werden gerne aufgeschoben.
15. A pensar male ci si indovina.
Sinn: Wer Schlechtes von den Menschen denkt, trifft damit meist ins Schwarze.
16. A pensar troppo non si fa nulla.
nulla: nichts. – Sinn: Wer zu viel grübelt, kann keine Entscheidungen mehr fällen.
17. A rubar poco si va in galera, a rubar tanto si fa carriera.
la galera: Gefängnis, Knast.– D: »Die Kleinen fängt man, die Großen lässt man laufen.« Vgl. Nr. 417.
18. A San Martino ogni mosto diventa vino.
Sinn: Am Martinstag wird in Italien traditionell das Ende der Erntezeit begangen und der vino nuovo, der »Neue Wein«, verkostet.
19. [13]A sentire una campana sola si giudica male.
giudicare: urteilen. – D: »Man muss immer zwei Seiten hören.« / »Eines Mannes Rede ist keines Mannes Rede, man muss sie hören alle beede.« Antiken Ursprungs, bekannter römischer und später mittelalterlicher Prozessgrundsatz: »Audiatur et altera pars.«
20. A star fermi si fa la muffa.
stare fermo: still stehen, untätig sein. | la muffa: Schimmel. – D: »Wer rastet, der rostet.«
21. A testa bianca, spesso cervello manca.
D: »Alter schützt vor Torheit nicht.« Vgl. Nr. 879.
22. A tutto c’è rimedio, fuorché alla morte.
il rimedio: Abhilfe, Heilmittel. | fuorché qu/qc: außer, bis auf jdn./etwas. – D: »Gegen den Tod ist kein Kraut gewachsen.«
23. L’abito non fa il monaco.
l’ạbito: