„Ist das ein Fehler?“
„Manchmal schon.“
Laurence Quickley erzählte von seinem neuen Job, den er in vier Wochen antreten würde.
„Gratuliere“, sagte Bount. „Das ist sehr erfreulich für Sie.“
„Ja, in einem Monat geht es vielleicht wieder aufwärts.“
„Vielleicht? Sicher sogar.“
„Sie kennen noch nicht alle meine Schwierigkeiten, Mister Reiniger“, sagte Quickley mit kummervoller Miene. „Der Name des Mannes, von dem ich mir Geld lieh, ist John Ryder.“ Er machte eine kleine Pause und musterte Bount Reiniger, doch in Bounts Gesicht tat sich nichts. Er hörte diesen Namen zum ersten Mal. Das wunderte Quickley, wo doch Bount Reiniger ständig mit Ganoven zu tun hatte. „Der Name Ryder wird in der Unterwelt als große Nummer gehandelt“, sagte Laurence Quickley. „Man sah Ryder als eine Art Kronprinz an, er wäre der kommende Mann gewesen, die Wachablöse, die neue Generation, verstehen Sie?“ Bount stippte die Asche von der Pall Mall und nickte. „Von diesem Mann habe ich Geld genommen“, sagte Laurence Quickley. „Heute weiß ich, dass es weniger gefährlich gewesen wäre, wenn ich dem Teufel meine Seele verkauft hätte. Ryder rief mich an und setzte mich unter Druck, aber ich konnte keine Wunder erwirken, das sagte ich ihm auch. Daraufhin ...“
Quickley unterbrach sich, griff nach dem Glas und leerte es rasch.
„Daraufhin?“, fragte Bount.
„Er lauerte mir in der Tiefgarage jenes Bürohauses auf, in dem sich meine neue Firma befindet, hatte zwei Komplizen bei sich und erklärte mir, dass seine Geduld ein Ende habe ...“
Bount erfuhr die Einzelheiten des Gesprächs, und voller Bitterkeit berichtete Laurence Quickley, was danach passierte.
„Ich ... ich hatte den Tod vor Augen“, keuchte Quickley mit grauen Flecken an den Wangen. „Dieser Kerl stand vor mir und zielte mit seinem Revolver auf meinen Kopf. Ich glaubte nicht, dass ich es schaffen würde, aber ich wollte es wenigstens versuchen. Da waren ja auch noch die beiden anderen Verbrecher ...“
„Die sich noch ruhig verhielten“, sagte Bount.
„Ja, aber sie konnten sich jeden Augenblick für Ryder einsetzen. Als John Ryder abdrückte, warf ich mich zur Seite, die Kugel verfehlte mich, dafür aber erwischte ich den Verbrecher voll mit dem Wagen.“ Stockend berichtete Quickley, welches Ende der Gangster genommen hatte. „Die beiden anderen feuerten keinen einzigen Schuss auf mich ab“, sagte er verständnislos.
„Der Schock lähmte sie. Das rettete Ihnen das Leben“, meinte Bount Reiniger.
„Das nehme ich auch an ... Nun ist Ryder tot.“
„Sind Sie sicher, dass er nicht mehr lebt?“
„Sie hätten sehen sollen, mit welcher Wucht ich ihn erwischte, Mister Reiniger. Wie eine Rakete stieg er hoch, und knallte hinter dem Wagen auf den Beton. Das überlebt keiner. Können Sie sich vorstellen, was das heißt? Ich habe einen Mann umgebracht, auf den die Unterwelt große Stücke setzte. Das tut man nicht mit einem Schulterzucken ab und sagt: ,Der arme Teufel hatte eben Pech.‘ Diese Leute haben mich mit Sicherheit schon auf die schwarze Liste gesetzt.“
„Wer sind sie?“, wollte Bount wissen.
„Ich habe keine Ahnung. Ich kenne ja nicht einmal die beiden Typen, die Ryder bei sich hatte.“
„Beschreiben Sie die Männer!“, verlangte Bount Reiniger, und Quickley kam seiner Aufforderung sogleich nach. Bount kramte in seinem Gedächtnis herum, kam aber zu dem Schluss, dass ihm diese Burschen nicht bekannt waren.
Es gab leider mehr Verbrecher in New York, als er kannte. Er merkte sich die Beschreibung. Sollten ihm die Ganoven über den Weg laufen, würde er sie erkennen, vor allem den mit dem gelben Pferdegebiss.
„Wenn Ryder nicht mehr lebt, müssen Sie sich der Polizei stellen“, sagte Bount Reiniger.
Quickley schüttelte erschrocken den Kopf.
„Das wage ich nicht, Mister Reiniger. Jedenfalls jetzt noch nicht!“
„Sie haben den Tod eines Menschen verschuldet.“
„Ich habe den Mann nicht absichtlich umgebracht, das wissen Sie jetzt. Er wollte mich töten, man könnte es als Notwehr ansehen.“
„Man wird Sie bestimmt nicht bestrafen, aber Sie müssen sich melden und den Sachverhalt klären. Man wird Ihre Aussage prüfen und Ihnen keine weiteren Schwierigkeiten machen. Wenn Sie aber nicht zur Polizei gehen, wird man denken, Sie hätten ein schlechtes Gewissen.“
„Das habe ich nicht, brauche ich nicht zu haben“, verteidigte sich Quickley leidenschaftlich. „Ich habe nur eines: Angst! Ich schäme mich nicht, Ihnen das zu gestehen.“
„Das ist keine Schande“, sagte Bount. „Es ist kein Vergnügen, auf der Abschussliste eiskalter Gangster zu stehen.“
„Der Schatten des Todes würde selbst im Police Headquarters auf mich fallen, Mister Reiniger. Diese Leute würden einen Dreh finden, an mich heranzukommen und John Ryders Tod zu rächen.“
Ganz unberechtigt war die Befürchtung des Mannes nicht. Hundertprozentig sicher war Quickley bei der Polizei nicht.
Wenn ich darauf bestehe, dass er sich stellt, und es stößt ihm etwas zu, trifft mich die Schuld, dachte Bount Reiniger. Wenn ich ihn decke, besteht die Gefahr, dass man mir wegen Verschleierung die Lizenz wegnimmt. Es ist manchmal verdammt schwierig, die richtige Entscheidung zu treffen.
„Wann verlor John Ryder sein Leben?“, erkundigte sich Bount.
„Gestern.“
„Sie müssen untertauchen.“
„Ich bin bereits untergetaucht, fuhr gar nicht mehr nach Hause.“
„Welche Sicherheitsvorkehrungen haben Sie getroffen?“, wollte Bount wissen.
Quickley hob die Schultern.
„Zunächst fuhr ich zu meiner Frau und erklärte ihr, in was für einer fatalen Lage ich mich befinde. Sie sagte sofort, wenn ich dächte, bei ihr unterkriechen zu können, hätte ich mich geschnitten, aber diese Absicht hatte ich nicht. Mir ging es vor allem um Claires Sicherheit. Die Gangster wissen, wie sehr ich meine Tochter liebe. Ich könnte mich noch so gut verstecken, wenn sie sich meine kleine Claire schnappen, können sie von mir alles verlangen. Sogar, dass ich mich von der Aussichtsterrasse des Empire State Buildings in die Tiefe stürze. Ich riet Rebecca, mit Claire sofort die Stadt zu verlassen. Meine geschiedene Frau bekam einen hysterischen Anfall. Wieso hätte sie denn immer noch keine Ruhe von mir?, schrie sie. Und: ,Wie kommst du dazu, mich in solche Schwierigkeiten zu bringen?‘ Schließlich sagte sie, es gebe einen Mann, zu dem sie ziehen könne, aber Claire könne sie nicht mitbringen. Da schnappte ich das Kind kurzerhand und brachte es zu Verwandten. Gestern schien mir das noch eine gute Lösung zu sein, aber heute kommen mir erste Zweifel. Ich frage mich, ob ich ein Recht habe, auch noch meine Verwandten in diese Sache mit hineinzuziehen.“
„Wo haben Sie die Nacht verbracht, Mister Quickley?“, fragte Bount und drückte die Zigarette in den Aschenbecher.
„In einem Motel beim La Guardia Airport.”
„Unter Ihrem richtigen Namen?“
„Wo denken Sie hin? Ich nannte mich Larry Quinn. L. Q. Die Initialen behielt ich bei.“
„Sie sollten in dieses Motel nicht zurückkehren.“
„Hätten Sie einen besseren Unterschlupf für mich?“, fragte Quickley hoffend.
„Ich glaube schon“, sagte Bount. „Kommen Sie!“ Er erhob sich, legte Geld auf den Tisch und verließ mit Quickley das Lokal. Wenn er nicht bezahlt hätte, wäre es dem schlappen Kellner auch nicht aufgefallen.
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