Ich erzähle diese Geschichte nicht, um zu prahlen oder ein falsches Image von mir in die Welt zu setzen. Für die folgende Sammlung an Einsichten und aufrührerischen Gedanken ist sie einfach sehr wichtig. Schon von Beginn an soll klar sein, dass ich weiß, wovon ich rede, wenn ich über „Sünden“ schreibe. Hier spricht kein Novize – auch die Jahrzehnte haben meine Hände nicht rein gewaschen. Denk nur mal drüber nach: In einer Nacht – verdammt, in nur fünf Stunden – habe ich jede einzelne der so genannten Sieben Todsünden abgerissen. Wie ein tollwütiger Baseballspieler bin ich durch das unmoralische Spektrum aus Völlerei, Habgier, Lust, Trägheit, Zorn, Neid, Eitelkei gerannt. Bis zum heutigen Tag erinnere ich mich mit Freude und einem wissenden Lächeln an diese verblüffende Verkettung von Ereignissen.
Was mich wieder zu der Idee hinter diesem Buch bringt, die ich wie eine Sommerliebschaft in den Armen gehalten habe. Nach der Einleitung und einem Räuspern bitte ich um eure Aufmerksamkeit, die ich auf eine kleine Tatsache lenke, die niemand wahrhaben will, sei es aus Gewohnheit oder einem schrägen Schuldbewusstsein. Ich weiß, dass ihr der Wahrheit begegnen, einen Schuss in die empfindlichen Stellen des Gehirns vertragen könnt. Ich glaube an euch, und deshalb vertraut mir:
Die Sieben Todsünden sind totaler Blödsinn:
Alle noch da? Oder ist vielleicht jemand zu Scientology konvertiert, weil ich dieses kleine Nugget der Realität in die Luft warf? Nein, dann können wir ja fortfahren.
Jahrhundertelang wehten diese so genannten „Waffen gegen die Moral“ wie beängstigende Fahnen vor den Augen von zigmillionen Menschen. Sie wurden von der Rechten oder den Verteidigern des Glaubens als legitimierende Drohmittel eingesetzt, um damit die Massen vom eigentlich normalen Freidenkertum abzuhalten, Menschen mit einem offenen Bewusstsein durch den feuergestählten Daumen zu unterdrücken. Wenn die Welt auf- und abspringt und ein wenig zu viel feiert, lassen diese Spaß-hassenden Arschgesichter die goldenen Kontrollregeln auf uns los, um uns von dem Partyzug zu stoßen. Ich werde nie verstehen, warum sich die meisten Menschen nicht einfach um die eigenen Angelegenheiten scheren, aber eins ist mir klar: In neun von zehn Fällen ist die Sünde eine Frage der Auslegung, und meiner Ansicht nach ist der Begriff Sünde nur gerechtfertigt, wenn du andere Menschen verletzt. So, und wenn niemand verletzt wurde – wie sollst du dann gesündigt haben?
Klar, die Sieben Todsünden können Schmerz und Bosheit in uns auslösen – sogar in den edelsten Charakteren. Sie können die größten Denker und die unbeirrbarsten Seelen überwältigen. Aber sie können ein Individuum auch beeinflussen und zu den ungewöhnlichsten Taten in den entscheidenden Momenten des Lebens befähigen. Sie als vernichtende Waffen zu bezeichnen, und uns alle damit zum schlimmsten Abschaum in der Menschheitsgeschichte zu erklären, ist ein Hohn der Gerechtigkeit. Wir alle erleben diese Gefühle und müssen kämpfen, um in einer Welt der Raubtiere Höflichkeit, Rechtschaffenheit und Anstand zu bewahren. Aber es gibt Zeiten, in denen es zu unseren Menschenrechten gehört, sich von diesen „Sünden“ wie eine warme Welle in der Karibik umspülen zu lassen. Es gibt Zeiten, und ich sage das mit Nachdruck, in denen wir uns als Spezies ungezwungen und lustvoll den Emotionen hingeben sollten, die mit den „Sünden“ Hand in Hand gehen. Um Himmels willen, wir sind verflucht noch mal einfach nur Menschen: Wir sind nicht perfekt! Es sind unsere Eigenarten, die den Charakter und die Individualität ausmachen. Ich weiß nicht, ob ich persönlich einem Menschen trauen könnte, in dessen Keller nicht eine Leiche liegt. Wir werden dadurch definiert, dass wir uns würdevoll über unsere Niederträchtigkeit erheben. Aber wir werden mit Sicherheit zu besseren Menschen, wenn wir diesen Weg in die Tat umsetzen.
Es steht geschrieben: „Der, der ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.“ Genau hier kann ich mit meiner Argumentation andocken. Wir sind nicht an unserem Menschsein schuldig – wir waren noch nie schuld! Ein Problem taucht auf, wenn wir zu Karikaturen dieser beschissenen Regeln werden, vergleichbar mit dem Politiker, der die Familienwerte lobpreist, aber zurücktreten muss, weil er eine unbedeutende, scharfe Nummer mit einer Nutte im Erfrischungsraum eines Truck-Stops geschoben hat. Oder der Filmstar, der dem trügerischen Glauben erlegen ist, dass er allein wegen seiner markanten, sich schön abzeichnenden Wangenknochen über den ungeläuterten Menschen steht. Nein, diese Typen sind keine Sünder: Es sind dumme Scheißer.
Ich versuche euch nicht zu retten, sondern predige Mäßigung. Einige Motherfucker unter euch sind tatsächlich verrückt. Ich habe überhaupt keine Bedenken, darauf hinzuweisen. Aber was ist, wenn du gerne fickst? Wen interessiert es, ob jemand den Besitz von Geld genießt, gerne ein gutes Essen verspeist, seinen Gefühlen freien Lauf lässt oder seine habgierige Natur auslebt, um sich zu ungeahnten Höhen empor zu schwingen? Wen juckt es, wenn du an deinem einzigen freien Tag einfach nur pennen willst – oder der Meinung bist, du wärst das schärfste, heißeste, geilste, was die Sexwelt zu bieten hat?
Wer kümmert sich um so was? Mich geht das alles nichts an. Es ist deine freie Entscheidung. Wenn du damit klar kommst und niemanden verletzt, kann ich dir von ganzem Herzen gratulieren. Zumindest hältst du keine Vorlesungen vor irgendwelchen verlorenen Partyfreaks, in denen du erklärst, wie sie die Schnellstraße zum Himmel erreichen können. Der einzige Sinn dieser angeblichen Sünden liegt in der Kontrollfunktion.
Denk mal drüber nach: Vor tausend Jahren lebten die Aristokraten beispiellos exzessiv. Eigentlich hätten sie schon auf der Erde in lichterlohen Flammen verbrennen müssen. Aber da sie der herrschenden Klasse angehörten, wurden ihre Taten als gottgewollt gewertet. Anschuldigungen, sie seien verdorben und lasterhaft, wurden ihnen nicht zur Last gelegt. Nur wenn sie einen Gleichgestellten ermordeten, mussten sie sich mit zögerlichen und vorsichtigen Nachfragen abplagen. Wenn sie gleich zur Geburt ihren theokratischen Freifahrtschein erhielten, ja, wo liegt für uns, die wir in der Moderne leben, der Unterschied? Die alte Logik ist natürlich eine Reflektion mittelalterlicher Ignoranz. Aber sie unterscheidet sich von der Definition der Grundpfeiler, auf denen die Vereinigten Staaten von Amerika aufgebaut wurden, markiert also eine alte Epoche, die wir längst vergessen haben müssten. Wir sind alle gleich. Was für den einen Sünde ist, ist für den anderen ein Hochgenuss. Blaues Blut verklumpt sich jeden Tag, um die Wünsche und Bedürfnisse der oberen Kruste zu erfüllen. Und wenn wir in der Mittel- oder Unterschicht uns so verhalten, sollen wir im Hause des christlichen Butzemanns schmoren? Warum sollen wir für unsere Ausgelassenheit an Wochenenden verdammt werden, wenn diese für die oberen Zehntausend zum ganz normalen Tagesablauf gehört?
Und so lasse ich verlauten: „Bis hierher und nicht weiter!“ Begehre das Leben mit jeder Faser deines Körpers. Schätze die Geister, die dir das Gefühl der Lebendigkeit und Energie schenken. Faulenze an deinen freien Tagen, wenn du schon die Woche mit dem Geldverdienen verbringst, um die Familie über Wasser zu halten. Nimm dir das, was du willst, denn schon morgen kann es gegen ein Gesetz verstoßen. Schlag dir die Vorsicht aus dem Kopf und befreie dich von den Fesseln des Aberglaubens. Glaube, wenn du willst, aber handele nach deinem Glauben. Die Tage der Furcht sind vorüber. Sie werden niemals wiederkehren.
In diesem Buch finden sich einige wenige eskapistische Stellen, ein bisschen Spaß und viele Gedanken über die Freiheit der Seele. Wir alle werden zu Hoffnungsträgern mit Tiefgang, wenn uns eine Ahnung überkommt, warum wir hier sind. Warum also sollten wir uns das Leben mit vermeidlichen Unterschieden unnötig schwer machen, wenn wir doch alle gleich fühlen? Nur weil wir etwas denken, ist das noch lange keine Sünde. Es macht uns nicht zu Sündern, nur weil wir etwas begehren und uns das holen. Und nur weil wir etwas fühlen, sind wir erst recht keine Sünder. Es liegt eine unvergleichliche Vitalität darin, den Verlockungen des Lebens nachzugeben. Lass deinem Geist freien