Da der Darm auf die Ängste und Sorgen des Alltags und auf emotionale Traumata äußerst empfindlich reagiert, sind Arthritispatienten besonders anfällig für Rückfälle aufgrund von gegenwärtigen oder länger zurückliegenden, stressbeladenen Ereignissen. Das habe ich bei vielen Patienten, die ich über Jahre begleitet habe, immer wieder beobachtet. Kaum jemandem ist bewusst, dass Stressphasen dem Körper nicht nur psychisch, sondern auch physisch viel abverlangen, was sich insbesondere im Darm niederschlägt, wo die gesunde Darmflora aus dem Gleichgewicht gerät. Entscheidend während der sechsmonatigen Stabilisierungsphase ist daher, dass Sie lernen, solche Belastungen ganzheitlich anzugehen. Für die dauerhafte Heilung von Darm und Gelenken ist das unverzichtbar, und es beugt zugleich Rückfällen vor, damit Sie auf Dauer symptomfrei leben können.
Auch wenn mehr Verständnis für den Einfluss von Stress und Trauma auf die eigene Erkrankung und ein besserer Umgang damit für die Behandlung von grundlegender Bedeutung sind, wird der psychosomatische Anteil erst in Schritt 3 einbezogen, damit Sie sich ganz darauf konzentrieren und Ihre Lebensweise dauerhaft umstellen können – weil es wirklich so wichtig ist. Die sechsmonatige Stabilisierungsphase ist auch der richtige Zeitpunkt, um in Abstimmung mit Ihrem Arzt eventuell einzelne Medikamente zu reduzieren oder abzusetzen. Hierauf kommen wir später noch zu sprechen.
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Wie ich bereits erwähnte, sind seit der Veröffentlichung von Autoimmunerkrankungen erfolgreich behandeln zahlreiche neue Untersuchungen zu den Zusammenhängen zwischen Darm und Gelenken erschienen. Und das ist erst der Anfang. Es gibt auch neue, aussagekräftige Studien über die gesunden Bakterien, die in und auf unserem Körper leben. Auf der Haut, in der Lunge und im Verdauungstrakt schützen uns diese Bakterien vor Umwelteinflüssen und beeinflussen ihrerseits jeden Aspekt unserer Gesundheit. Hierzu erscheinen immer mehr Studienergebnisse. Die Darmbakterien, deren Anzahl die Menge unserer eigenen Körperzellen Schätzungen zufolge um hundert Billionen übersteigt, leben im Verdauungstrakt und haben bei der Stärkung des Immunsystems eine Schlüsselrolle inne. Fast täglich bestätigen neue Studien oder Fallgeschichten, was wir Funktionsmediziner bereits über die Darmbakterien wissen: Ein Ungleichgewicht bei diesen Bakterien ist ein direkter Antrieb für Arthritis, und man kann umgekehrt Arthritis heilen, indem man die Darmflora repariert. Ein Ungleichgewicht kann auf einem übermäßigen Wachstum unerwünschter Bakterien oder aber auf zu wenig hilfreichen Bakterien beruhen. Uns muss bewusst sein, dass eine Entzündung im Darm beginnen, aber sich an völlig anderen Orten wie den Gelenken, Muskeln, dem Gehirn oder den Fettzellen bemerkbar machen kann.
Angesichts zunehmender Verdauungsprobleme ist es kein Wunder, dass auch entzündlich bedingte Arthritisformen im Anstieg begriffen sind, denn beides geht Hand in Hand. Diesen Zusammenhang zwischen Darm und Arthritis müssen wir genau beobachten und zur wirkungsvollen Arthritisbehandlung zunächst den Darm reparieren. Praktisch jeder neue Patient, der mich aufsucht, leidet unter Verstopfung, Aufstoßen, gastroösophagealem Reflux (GERD) – dabei steigt Magensaft in der Speiseröhre auf und erzeugt ein brennendes Gefühl, das sogenannte Sodbrennen – oder Reizdarmsymptome. In den letzten Jahren wurden auch neue Krankheitsbilder identifiziert, darunter eine Sonderform des Reizdarmsyndroms, bei der Bakterien sich im Dünndarm ausbreiten, wo sie gar nicht hingehören. Diese chronische Darmerkrankung wird als SIBO bezeichnet (englisch: small intestinal bacterial overgrowth). Viele Experten glauben, dass die zunehmende Verbreitung von SIBO auf den massiven Einsatz von Säurehemmern (Antazida) und Protonenpumpenhemmern (PPI) zurückgehen. Diese Arzneimittel sollen die Magensäure eindämmen, um Sodbrennen und Reflux zu lindern, haben aber unerwünschte Nebenwirkungen. Viele Erkenntnisse aus diesen neuen Forschungen wurden von der Standardmedizin und den Medien aufgegriffen. Bis zum Nachweis, dass der Darm letztlich mit jedem Teil des Körpers in Verbindung steht, dauert es sicher nicht mehr lange. Gegenwärtig bin ich bereits damit zufrieden, dass die Verbindung zwischen Darm und entzündlich bedingter Arthritis sehr stark und auch schon relativ bekannt ist.
Im Behandlungsprotokoll für Arthritis hebe ich solche neuen Erkenntnisse hervor und erkläre ihre Relevanz mit verständlichen Worten. Diese Fortschritte in den wenigen Jahren seit der Veröffentlichung meines ersten Buches eröffnen neue Wege für verbesserte funktionelle Behandlungen und natürlich für bessere Behandlungsergebnisse. Im Behandlungskonzept für Arthritis kombiniere ich meine Analyse aktueller Forschungsarbeiten und Behandlungsansätze mit meiner ausgiebigen Erfahrung in der Darmsanierung. Die ausgezeichneten gesundheitlichen Fortschritte meiner Patienten belegen erkennbar, dass diese Behandlung hilft, und zwar gut.
Bei meinen Arthritispatienten beginnt die Behandlung immer mit einem Plan wie diesem. Nach den ersten drei Monaten jedoch wird das weitere Vorgehen individuell festgelegt. An diesem Punkt brauchen die Patienten Hilfe, um festzustellen, wie die Darmbehandlung weitergehen sollte und wie sie trotz aller Unwägbarkeiten des Lebens nicht wieder aus dem Gleichgewicht geraten und erneut erkranken. Schließlich leben wir nicht im luftleeren Raum. Unser Leben ist temporeich, wir schlafen nicht immer genug, vieles ist stressig, und natürlich möchten wir auch Urlaub machen und Geburtstag feiern. Der Behandlungsplan ist ein guter Wegbegleiter, wenn Sie solche Klippen umschiffen müssen. Einen Anhaltspunkt liefern die Geschichten von elf meiner Patienten mit Arthritis. Da das Leben den Darm so stark beeinflusst und der Darm wiederum so starken Einfluss auf unsere Entzündungsbereitschaft hat, müssen wir dieses Gleichgewicht durchschauen, um widerstandsfähiger zu werden. Am besten erkennt man dies aus der Sicht anderer Arthritispatienten, bei denen jeweils individuelle, aber überlappende Begleitumstände und Auslöser für den Teufelskreis Stress-Darm-Arthritis vorliegen. Jede und jeder von ihnen setzt auf dem Weg zur Gesundung etwas andere Schwerpunkte. In diesen Geschichten finden Sie hoffentlich Elemente, die in Ihnen etwas zum Klingen bringen und Ihnen bei Ihrer persönlichen Suche weiterhelfen. Zusätzlich setze ich darauf, dass es Sie beflügelt, wenn Sie hören, wie reale Menschen mithilfe dieses Behandlungskonzepts stärker und gesünder wurden. Und das Fazit? Sie können Ihre Arthritis dauerhaft verbessern, und Sie dürfen sich eine erhöhte Lebensqualität erhoffen. Fangen wir also an!
Teil 1
Welche Arthritis haben Sie?
Es gibt mehr als ein Dutzend verschiedene Arthritisformen. Um die individuell beste Vorgehensweise zu ermitteln, kommt es auf die richtige Diagnose an. In der Praxis sehe ich zumeist drei Hauptkategorien, die unterschiedlich zu behandeln sind. Die rheumatischen Gelenkerkrankungen umfassen insbesondere rheumatoide Arthritis („Gelenkrheuma“) und Spondyloarthritis (Psoriasisarthritis und ankylosierende Spondyloarthritis) sowie Arthritis im Zusammenhang mit anderen Autoimmunkrankheiten, zum Beispiel dem Sjögren-Syndrom oder Lupus. Bei einer Autoimmunerkrankung greifen die Immunzellen körpereigenes Gewebe an, schädigen es und rufen Entzündungsprozesse hervor. Es gibt mehr als 100 verschiedene Autoimmunerkrankungen, auf die ich in meinem ersten Buch näher eingegangen bin.
Die zweite Gruppe ist die Arthrose oder Osteoarthritis. Sie ist besonders verbreitet und zählt zu den führenden Ursachen für körperliche Behinderung. Eine dritte, sehr große Kategorie