Kinder sind verschieden. Das gilt auch für ihre Konzentrationsfähigkeit. Deren Dauer und Intensität kann bei Kindern gleichen Alters höchst unterschiedlich sein. Sie kann unter, aber auch über dem Durchschnitt liegen. Aber kein Kind kann sich eine Schulstunde lang, die üblicherweise 45 Minuten dauert, ununterbrochen konzentrieren. Übrigens können das auch Erwachsene nicht. Auch die Konzentrationsspanne Erwachsener ist begrenzt. Phasen intensiver Konzentration müssen immer wieder von Phasen der Erholung abgelöst werden.
Die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit willentlich auf eine Sache auszurichten, hängt aber nicht nur von Alter und Entwicklungsstand ab. Auch andere – innere und äußere – Bedingungen spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Zu den inneren Bedingungen gehören die seelische und körperliche Verfassung und die aktuelle Stimmungslage. Kinder können ihr konzentratives Potenzial nur dort voll ausschöpfen, wo sie aus einer gelösten und gelassenen Grundhaltung heraus tätig sind. Zu den äußeren Bedingungen gehören in besonderem Maße Ablenkungen in der Umgebung. Erzeugt das, was dort passiert, vielleicht Unsicherheit oder Angst? Oder ist das, was dort passiert, vielleicht spannender und interessanter als das, worauf man sich konzentrieren soll? Denn die wichtigste Bedingung ist immer die positive Einstellung, das Interesse, die Motivation, sich mit dem, worauf man sich konzentrieren soll, auch tatsächlich intensiv beschäftigen zu wollen.
Wer gut drauf ist, kann sich besser konzentrieren
Die Entwicklung der Konzentrationsfähigkeit von Kindern kann positiv beeinflusst werden. Die Hilfen müssen aber frei sein von Dressur, Ermahnung und Strafe. „Nun pass doch endlich auf.“ „Wer jetzt nicht still sitzt, darf nachher nicht spielen.“ – Solche Mahnungen machen kein Kind konzentrierter. Konzentration lässt sich nicht erzwingen. Aber Konzentration lässt sich anbahnen und „angewöhnen“. Dazu müssen Kinder zunächst einmal Bedingungen erhalten, bei denen sie sich konzentrieren können.
Konzentrationsfördernde Bedingungen sind ein geregelter Tagesablauf, gesunde Ernährung, ausreichende Bewegung, genügend Schlaf, frische Luft. Solche Bedingungen sind auch Vertrauen und Zuversicht in die konzentrativen Fähigkeiten des Kindes, Lob und Anerkennung, wenn Konzentration gelingt und nicht Schimpfen und Enttäuschung, wenn sie nicht gelingt. Das natürliche Streben der Kinder nach Selbstständigkeit, nach „alleine machen“ muss unterstützt werden. Alles, was das Kind von sich aus intensiv tut, sollte gefördert und Wiederholungen zugelassen werden. Kinder brauchen Zeit und Muße. Ganz wichtig ist es auch, dass Erwachsene positive Modelle und Vorbild sind, dass sie klare Anforderungen stellen, die lösbar sind, dass sie Orientierung geben, den Kindern zuhören und ihre Interessen und Bedürfnisse berücksichtigen. Kinder, die mit sich und der Welt zufrieden sind, haben die besten Chancen, ihre Konzentrationsfähigkeit optimal zu entwickeln.
Konzentration braucht alle Sinne und den ganzen Körper
Auf Grundlage eines insgesamt positiven Entwicklungsklimas kann die Konzentrationsfähigkeit gezielt gefördert werden. Jede handelnde Auseinandersetzung mit unserer Umwelt ist mit Wahrnehmung verbunden. Eine funktionierende Sinneswahrnehmung und -verarbeitung ist die Voraussetzung für geistige und motorische Leistungen und damit auch für unsere Fähigkeit zur Konzentration.
Dabei ist nicht nur das Funktionieren der einzelnen Sinne wichtig. Die verschiedenen Sinnesreize müssen auch angemessen koordiniert werden. Die einzelnen Wahrnehmungskanäle erscheinen uns häufig als getrennte Systeme, aber unser Gehirn verarbeitet und bewertet die verschiedenen Impulse und führt sie zusammen. Die Sinnesimpulse werden im Gehirn miteinander verglichen sowie mit Erinnerungen, emotionalen Bewertungen und persönlichen Einstellungen verknüpft. Das Gehirn muss alle Empfindungen ordnen, damit wir uns sinnvoll bewegen und verhalten können. Diese Sinnes- und Gehirnleistung wird als „sensorische Integration“ bezeichnet. Sensorische Integration muss durch beständige Auseinandersetzung mit vielen Dingen dieser Umwelt entwickelt werden. Wenn die sensorische Integration nicht optimal gelingt, kann das zu Konzentrationsschwierigkeiten führen.
Die gezielte Konzentrationsförderung besteht deshalb überwiegend aus Wahrnehmungsförderung. Dabei ist es sinnvoll, von der Einzelerfahrung zur komplexen Aktivität voranzugehen. Die Aufmerksamkeit wird zunächst ganz gezielt auf einen Sinnesbereich gelenkt. Die verschiedenen Sinneswahrnehmungen werden bewusst isoliert trainiert und nach und nach in komplexeren Übungen miteinander kombiniert. Empfehlenswert sind getrennte Konzentrationsübungen für die verschiedenen Sinne auch, um Kinder mit unterschiedlichen Lernvorlieben anzusprechen. Die einen fassen besser über das Auge auf, die anderen über das Ohr und wieder andere brauchen die Berührung, sie müssen im Wortsinn „begreifen“.
Kinder nehmen aber Informationen nicht nur über ihre Sinne, sondern auch über eigene Bewegungen auf. Neben grobmotorischen Aktivitäten sind auch das feinmotorische Hantieren oder die räumliche Wahrnehmung von Bedeutung. Außerdem unterstützt Bewegung dabei, die Konzentration zu halten oder zurückzugewinnen. Schon minimale körperliche Aktivitäten erhöhen die Leistungsfähigkeit des Gehirns. Die konzentrative Leistung wird besser, wenn motorische und sensorische Gehirnareale zusammenarbeiten.
Konzentration lässt sich spielend fördern
Bewusstes Üben kann die Konzentrationsfähigkeit stärken. Für kleine Kinder kommen hierfür besonders das Spiel oder spielerische Übungen in Frage. Denn Spielen ist die ursprüngliche Aktivität des Kindes. Das Kind fragt nicht, warum und wozu es spielt. Das Kind spielt einfach, weil es ihm Freude macht. Im Spiel ist das Kind ganz bei der Sache, in seine Tätigkeit versunken. Bis ins Schulalter erhält die kindliche Aufmerksamkeit ihre stärksten Anregungen aus Neugier und Spielinteresse.
Beim Spielen lässt sich dementsprechend die Konzentrationsfähigkeit des Kindes gut erkennen, üben und verbessern. Neben dem vom Kind selbst gewählten Freispiel bietet das strukturierte Spiel die Möglichkeit, Konzentration durch gezielte Angebote zu fördern. Besonders wichtig ist dabei die Abwechslung zwischen Anspannung und Entspannung, zwischen Ruhe, Aktivität und Bewegung. Bewegungsmangel wird vom Kind durch eine unmittelbar darauf einsetzende übersteigerte motorische Aktivität kompensiert. Unruhe und Unkonzentriertheit ist dann eine besondere Form der Ermüdung. Jede Anstrengung muss folglich wohl dosiert sein. Geistige Anspannung ermüdet genauso wie körperliche Anstrengung. Bewegung kann zur Konzentrationsförderung und zum Stressabbau beitragen. Bei allen Spielen muss man sich dabei immer an den Bedürfnissen und Interessen der Kinder orientieren. Ihre Neugier, ihr Bewegungsdrang können aufgegriffen werden, um Konzentration zu fördern. Die Übungen sollten Spaß machen und abwechslungsreich sein. Langeweile ist für Konzentration tödlich. Der Spaß kann Kindern auch vergehen, wenn beim Spielen zwischendurch ausschließlich auf Konzentrationsspiele gesetzt wird. Wenn der Zweck zu sehr im Vordergrund steht, werden Kinder bald eine Abneigung dagegen entwickeln.
Gut dosiert und mit Einfühlungsvermögen lässt sich Konzentration also „spielend“ üben. Wenn Kinder unruhig werden, kann ein Spiel helfen, Ruhe und Aufmerksamkeit wieder möglich zu machen. Damit Konzentration nachhaltig gefördert wird, reichen solche Ad-hoc-Interventionen aber nicht aus. Dafür lohnt es sich durchaus, regelmäßig Konzentrationsspiele durchzuführen, die die Kinder gerne spielen. So können auch Kinder, denen Konzentration schwer fällt, die Erfahrung machen, dass Üben Spaß macht und hilft. Allerdings darf man nicht zu schnell zu viel erwarten. Manchmal wird auch das schönste Spiel keine Konzentration herbeizaubern können. Und bei manchen Kindern wird es eine Weile dauern, bis der Erfolg wahrnehmbar wird. Wichtig sind unermüdliche Aufmunterung und Anerkennung auch kleiner Verbesserungen. Die Konzentrationsförderung unruhiger Kinder braucht einen langen Atem.
Darauf konzentriert sich die Auswahl der Spiele
Es gibt eine große Zahl geeigneter und erprobter Spiele, die die Konzentration positiv beeinflussen: Memories, Puzzles, Lottospiele, klassische Gesellschafts-spiele, Rollenspiele etc. Solche Spiele brauchen Material und Vorbereitung, es können nur kleine Gruppen von Kindern miteinander spielen und die Spieldauer ist im Allgemeinen relativ lange.
Die Spiele in diesem Buch wurden dagegen nach