Wie diese und andere Beispiele veranschaulichen, verwerfen politische Korrektheit und Identity Politics den Gedanken, dass es irgendeine Wahrheitsbehauptung geben kann, die eine stärkere Kraft entfaltet als die Gefühle oder Meinungen des oder der jeweilig angesprochenen Individuums oder Gruppe, vor allem wenn der Einzelne oder die Gruppe für unterdrückt oder benachteiligt gehalten wird. Die Wirklichkeit selbst wird nichts anderes als das, was sich das jeweilige Individuum oder die jeweilige Gruppe einbildet. Individuelle Entscheidungsfreiheit und Gruppenidentität sind maßgebend, und die Wirklichkeit selbst muss danach umgeformt werden. Letztendlich ist die einzige objektive Wahrheit meine subjektive Einschätzung davon, was für mich wahr ist.
Diese Überzeugung, die den Kern von Identity Politics und politischer Korrektheit ausmacht, die Überzeugung, dass Freiheit das Recht ist, die Existenz einer objektiv-allgemeingültigen Wahrheit zu leugnen und für mich selber zu entscheiden, was für mich wahr ist, ist eine völlige Umkehrung von der traditionellen Idee, dass die Freiheit in der echten, objektiven und dauerhaften Wahrheit verankert sein muss. Und es ist eine der Hauptursachen der Balkanisierung der amerikanischen Gesellschaft durch Identity Politics und politische Korrektheit, also eine zentrale Quelle der Entfremdung, die den Hintergrund von der Wahl im November formte. Es ist Donald Trumps enormer Verdienst, dass er das erkannt hat, und sich weigert, sich von den politisch Korrekten sagen zu lassen, wie er denkt und was er sagt, und wie er es sagt. Grundsätzliche und entschlossene Ablehnung der politischen Korrektheit ist genau das, was wir gegenwärtig in Amerika brauchen.
Schauen Sie mal auf die berühmt-berüchtigte Bemerkung Hillary Clintons über die Hälfte der Donald-Trump-Anhänger, also ungefähr 25 Prozent der 320 Millionen Amerikaner, die sie alle in ein „Körbchen der Erbärmlichen“ warf, indem sie ihnen ein Etikett aufgedrückt hat, das direkt aus dem politisch korrekten Drehbuch der Identity Politics stammt. Sie sagte: „Man kann die Hälfte der Trump-Anhänger in das hereinstecken, was ich das ‚Körbchen der Erbärmlichen’ nenne, wisst ihr, rassistisch, sexistisch, homophob, xenophob, islamophob, und so weiter und so fort.“
Wie man anhand dieses Zitats von Hillary Clinton sehen kann, sind politische Korrektheit und Identity Politics dazu da, um diejenigen, die nicht linientreu sind, als Xenophobe, Rassisten, Homophobe, Frauenfeinde, Islamophobe, usw. zu diffamieren. Wie die oben genannten Beispiele über illegale Einwanderung und die Homoehe veranschaulichen, werden durch Verleumdung die Grenzen gezogen, außerhalb derer man nicht denken darf. Durch Rufmord wird die subjektive Wahrheit einer jeden Gruppe als vermeintlich objektive Wahrheit durchgesetzt, die jeder nicht nur respektieren, sondern selber aktiv unterstützen muss, um nicht wie ein Leprakranker in biblischen Zeiten in die Wüste geschickt und aus der guten Gesellschaft verbannt zu werden.
Noch eine Bemerkung: Wir wissen aus schmerzlicher Erfahrung, dass der Mensch an einer Tendenz zur gegenseitigen Abgrenzung aus ethnischen, religiösen, und anderen Gründen leidet. Und wir wissen, dass diese Tendenz oft in Gewalt mündet. Siehe Bosnien, Kosovo, Nordirland, die Streitigkeiten unter Schiiten, Sunniten und Kurden, usw. Warum würden wir diese Tendenz zur gegenseitigen Abgrenzung und Kategorisierung der Menschen nach ethnischer Zugehörigkeit noch verschlimmern wollen? Warum würden wir durch Identity Politics und politische Korrektheit ständig an diesen potenziell explosiven Unterschieden zwischen Menschen kratzen wollen, und damit das friedliche Zusammenleben der Menschen riskieren?
Verwaltungsstaat und Postmodernismus
Wir haben gesehen, dass der Postmodernismus mit dem Begriff der lebendigen Verfassung sowie der politischen Korrektheit zusammenhängt. Wie ist aber die postmoderne Ablehnung der allgemeingültigen Wahrheit mit dem Wachsen des Verwaltungsstaates verbunden?
Der Kern von der Verbindung zwischen dem Verwaltungsstaat und der Ablehnung der objektiven Wahrheit zugunsten der subjektiven Wahrheit von Identity Politics, die jeder Mensch für sich selber schafft, ist Folgender: In einer Welt ohne die Autorität der objektiven Wahrheit hat nur der Staat die notwendige Macht, um seine Autorität durchzusetzen. Im Prinzip folgt jeder Relativist der berühmten Aussage Mao Zedongs: „Die politische Macht kommt aus den Gewehrläufen“. So wird das sogenannte unbegrenzte Recht des Individuums oder der marginalisierten Gruppe, sich zu entscheiden, was für sie wahr ist, zum unbegrenzten Recht des Staates zu bestimmen, für welche Wahrheit man sich entscheiden darf oder nicht. Zumindest wird es das Recht der „Experten“, der Bürokraten, der Richter, dafür zu sorgen, dass sie (die Experten, also diejenigen, die es besser wissen) die Vorschriften und Gesetze machen, die die politisch inkorrekten Massen innerhalb der Grenzen der politischen Korrektheit halten.
Der Verwaltungsstaat und das Schwinden der Demokratie, Herrschaft durch Juristen, Identity Politics, politische Korrektheit und die postmoderne Aushöhlung der Freiheit: Für all das legt Donald Trump ein erstaunliches Gespür an den Tag. Seine intuitive Scharfsicht, sein Urteilsvermögen lässt hoffen, dass er ein ungewöhnlich guter Präsident sein könnte, so sehr es viele Europäer im Moment schmerzt, das anzuerkennen. Trump ist der richtige Mann zur richtigen Zeit, wie andere erfolgreiche Politiker oft bezeichnet wurden. Wie könnte das für Europa relevant sein? Als Ansatz auf eine Antwort möchte ich jetzt zu den Herausforderungen in Europa übergehen, die denen Amerikas ganz ähnlich sind.
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