Jede Aussage ist ein Vermittler von WAHRHEIT, aber keine ist jemals wahr.
Der Geist (im weitesten Sinn des Wortes) besteht aus Konzepten und Erscheinungen. REALITÄT selbst kann er weder greifen noch begreifen.
Allerdings wird hier durch diesen Sprachgebrauch der Geist dafür verwendet, eher jene Erfahrung hervorzurufen, in der BEWUSSTSEIN sich selbst erkennt, als sie zu beschreiben.
In diesem Hervorrufen entsteht ein vorübergehender Ausdruck des ‚Das-was-nicht-benannt-werden-kann‘. Wie eine Blume, die einen Moment lang blüht und den Duft ihres Ursprungs im Garten des NICHTWISSENS verströmt.
Klar sehen
Diese Betrachtungen dienen lediglich dazu, die essenzielle Natur der Erfahrung klar zu sehen. Es wird nicht versucht, sie zu verändern oder zu manipulieren, einen glücklichen oder friedlichen Zustand hervorzurufen, sich von Leiden zu befreien oder die Welt zu verändern. Es geht nur um das klare Sehen der wahren Natur unserer gegenwärtigen Erfahrung.
Dieses klare Sehen ist kein intellektuelles Verstehen, auch wenn es vorübergehend in intellektuellen Begriffen formuliert wird, wo die aktuelle Situation das erfordert. Vielmehr ist es direktes, intimes und unmittelbares Erkennen unserer selbst: wie wir in der und als die formlose Weite der Präsenz ruhen und gleichzeitig in der Energie und Lebendigkeit jeder Geste, jeder Nuance von Körper, Geist und Welt tanzen.
Klar zu sehen, was ist, hat eine tiefe Wirkung auf das Erscheinungsbild von Körper, Geist und Welt. Allerdings ist das nicht Zweck dieser Untersuchung. Sie verfolgt keinen Zweck, kein Ziel.
Selbst das Ziel, klar zu sehen, stellt sich letztlich als zu viel heraus. Es ist nur ein Dorn zum Entfernen eines Dornes, und wenn selbst die letzte Spur des Werdens sich im Verstehen aufgelöst hat, so wird auch dies aufgegeben und nur SEIN verbleibt.
Meistens ist dieses Untersuchen allerdings ein Vorspiel für das Offenbaren des SEINS. Wir beginnen mit Erfahrung und halten uns an sie. Wir beginnen nicht mit einer Theorie, einem Modell, einer Landkarte oder einer Lehre, um dann zu versuchen, unsere Erfahrung an dieses Modell anzupassen. Überhaupt nichts wird als gegeben vorausgesetzt.
Wir beginnen mit Erfahrung, wir enden mit Erfahrung. Wir ermöglichen der nackten Klarheit der Erfahrung selbst, sich von der Bürde der Dualität zu befreien.
Wir betrachten einfach die Tatsachen der Erfahrung. „Stimmt dies für meine Erfahrung jetzt im Moment?“ Dies ist der einzige Bezugspunkt.
Die wenigen Kernüberzeugungen und vorgefassten Ideen, die wir über die Natur unserer selbst und die Natur der Welt haben, werden in dieser unvoreingenommenen Untersuchung offengelegt. Wir machen nichts mit diesen Überzeugungen. Wir versuchen nicht, sie zu zerstören, sondern wir wollen sie nur offenlegen.
Überzeugung und Zweifel sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Wenn eine Überzeugung aufgedeckt wird, so stellt sie sich entweder als richtig heraus (sie wird dann zur Tatsache und der implizite Zweifel ist somit aufgelöst) oder sie stellt sich als falsch heraus (Überzeugung und Zweifel finden dann ihr Ende).
Alle Gefühle und Verhaltensweisen, die auf dieser aufgedeckten Überzeugung beruhten, werden sich in angemessener Zeit ganz natürlich auflösen, da sie nicht länger von der Überzeugung genährt werden. Sie sterben an Vernachlässigung.
Diese Gefühle und Verhaltensweisen sind auf der Körperebene das Gegenstück zu den Überzeugungen und ihr Auflösen wird auf die gleiche Art erreicht. Was auf der Ebene des Geistes ein Abklären war, ist auf der Ebene des Körpers ein Erforschen.
Bei dieser Erforschung werden Gefühle und Verhaltensmuster aufgedeckt und dabei wird ihre Macht, zu trennen oder aufzuteilen, als nicht existent aufgezeigt. Trennung wird nicht nur als Illusion verstanden, sie wird als Illusion empfunden.
Die Gefühle, nicht länger von den Überzeugungen genährt, werden aufgedeckt und als das gesehen, was sie sind. Sie vergehen in der scharfen Präzision des klaren Sehens.
Das Auflösen von Überzeugungen und Gefühlen hat eine tiefgreifende Wirkung auf unser Leben, unsere Ideen, unsere Beziehungen, unsere Körper, unsere Arbeit, die Welt, einfach auf alles.
Und doch ist das Ziel dieses Abklärens und Erforschens nicht, etwas zu ändern. Das Ziel ist, klar zu sehen, was ist, und klares Sehen ist der Schrein, auf dem SEIN aufleuchtet.
Diese Art der Untersuchung ähnelt dem Anfertigen mehrerer MRT-Aufnahmen des gleichen Apfels. [MRT = Magnetresonanztomografie] Bei jeder Aufnahme liegt die Schnittebene im Apfel etwas anders, jede zeigt einen neuen Bereich, einen neuen Blickwinkel.
Der Apfel wird in diesem Prozess jedoch nie angerührt. Er bleibt immer, wie er ist, ganz, unberührt, unverändert, ungeteilt. Er scheint nur aufgeteilt zu werden und dieses scheinbare Aufteilen erlaubt ein vollständigeres Bild seiner wahren, ungeteilten Natur.
Genau so ist es mit unserer Erfahrung. Die Betrachtungen in diesem Buch sind wie MRT-Aufnahmen von unserer Erfahrung. Sie nähern sich der Erfahrung aus verschiedenen Richtungen an, öffnen sie, erforschen sie. Und doch bleibt unsere Erfahrung dabei immer eins.
Sie ist immer ein nahtloses, einheitliches Ganzes ohne Aufteilungen und ihre Natur ist immer reines BEWUSSTSEIN. Dies ist eine Erfahrungstatsache und es ändert sich nie, auch wenn wir denken, es wäre anders.
Die hier angewandte Art des Hinterfragens entstammt der Wahrheit direkter Erfahrung und führt daher dorthin zurück. Sie führt zur REALITÄT der Erfahrung, zur Erfahrung von BEWUSSTSEIN, das sich wissentlich oder bewusst selbst erkennt. Sie ist gleichzeitig rücksichtslos und sanft und äußerst einfach.
Manchmal wird diese Art des Hinterfragens als intellektuell und abstrakt angesehen und scheint wenig Verbindung mit unserer alltäglichen Erfahrung zu haben. Dies hat seine Ursache jedoch nur darin, dass unsere herkömmlichen, dualistischen Konzepte von der Natur der REALITÄT selbst so eng mit abstrakten und fehlerhaften Ideen verwoben sind, dass sie einer akribischen Dekonstruktion bedürfen.
Wird diese Herangehensweise als intellektuell und abstrakt angesehen, so wurde noch nicht erkannt, dass die Annahmen, die als normale Annahmen des gesunden Menschenverstandes betrachtet werden, selbst nur intellektuell und abstrakt sind – das heißt, sie haben mit den Tatsachen der Erfahrung wenig zu tun.
Am Ende dieses Buches wird hoffentlich klar sein, dass es tatsächlich unsere herkömmlichen Sichtweisen sind, die wenig mit unserer aktuellen Erfahrung von Moment zu Moment zu tun haben.
Und ich hoffe, dass im Kontrast dazu die hier formulierten Aussagen als einfache und offensichtliche Aussagen über die Natur unserer Erfahrung verstanden werden, soweit dies in den engen Grenzen unseres Geistes möglich ist.
So wird es zum Beispiel meist als unbestreitbare Tatsache des gesunden Menschenverstandes angesehen, dass der Körper und die Welt als physische Objekte in Raum und Zeit unabhängig und getrennt vom BEWUSSTSEIN existierten. Jeder Denkansatz, der andeutet, dass dies nicht der Fall sei, dass es vielleicht nur die Erfahrung von BEWUSSTSEIN gibt, das sich selbst in Objekten und als Objekte erkennt, wird manchmal als intellektuell und abstrakt angesehen.
Jedoch ist genau diese Idee selbst, dass der Körper und die Welt als Objekte in Raum und Zeit unabhängig und getrennt vom BEWUSSTSEIN existierten, intellektuell und abstrakt. Sie basiert nicht auf Erfahrung. Und die Idee, dass es nur die Erfahrung von BEWUSSTSEIN gibt, das sich selbst in Objekten und als Objekte erkennt, wird aus dem gleichen Grund zu einer selbstverständlichen, offensichtlichen und unbestreitbaren Tatsache der Erfahrung.
Physische Objekte erscheinen weiterhin, aber deren Erscheinen wird nicht länger mit REALITÄT verwechselt.
Es wäre sowieso ein Missverständnis, zu glauben, dass das Erscheinen von Objekten aufhören müsste, damit REALITÄT sich offenbaren könne. Es ist nur so, dass diese fehlerhafte