Mit steigenden Inflationsraten wurden die Spannungen im System fester Wechselkurse immer offensichtlicher. Je länger das System existierte, desto häufiger wurden Anpassungen der Wechselkurse. Verteidiger des Bretton Woods-Systems hätten dies auch genauso formuliert, als Anpassung der Wechselkurse. Dahinter verbirgt sich allerdings nichts anderes als eine Währungskrise, wie sie sich gegen Ende der 60er Jahre häuften. Tabelle 1 zeigt diese Anpassungen für die größeren europäischen Staaten nach 1960.
Jede dieser sogenannten Anpassungen war jedoch in Wirklichkeit eine kleine Krise, wie von heutigen Anhängern fester Wechselkurse gerne übersehen wird. Die Entscheidung über eine Auf- oder Abwertung schafft immer Gewinner und Verlierer und ist damit hochpolitisch. Regierungen neigen dazu, erst dann auf- oder abzuwerten, wenn es nicht mehr anders geht. Genau das ist die Definition einer Währungskrise, wie es sie aber nach Meinung vieler Kapitalismuskritiker damals gar nicht gab.
Für weniger entwickelte Staaten waren Auf- und Abwertungen in der Zeit von Bretton Woods ein weit häufigeres Vorkommnis. Tabelle 2 zeigt insgesamt 48 Währungskrisen in Entwicklungsländern und auch weniger entwickelten Staaten Europas, bei denen die Wechselkurse um mindestens 14 Prozent stiegen oder fielen. Abwertungen um geringere Beträge sind nicht aufgelistet. Das bedeutet, es gab in dem Vierteljahrhundert des Bretton Woods Systems im Schnitt rund zwei Währungskrisen pro Jahr.
Die Behauptung, Währungskrisen wären das Produkt flexibler Wechselkurse oder gar des Devisenhandels, ist entweder ein Zeichen von Ignoranz, oder reine Propaganda.
1954 | Mexiko |
1955 | Argentinien, Nicaragua, Pakistan |
1957 | Kolumbien |
1958 | Türkei, Peru |
1959 | Uruguay, Argentinien, Spanien |
1960 | Korea |
1961 | Costa Rica, Ecuador, Jugoslawien |
1962 | Israel, Argentinien, Kolumbien, Ägypten, Philippinen, Chile |
1963 | Uruguay |
1964 | Korea, Venezuela, Tunesien |
1965 | Kolumbien, Jugoslawien |
1966 | Indien |
1967 | Brasilien, Ghana, Israel, Jamaika, Kolumbien, Malawi, Peru, Sierra Leone, Spanien, Sri Lanka, Trinidad und Tobago, Zaire |
1970 | Argentinien, Ecuador, Indonesien, Philippinen, Türkei |
1971 | Ghana, Israel, Uruguay, Jugoslawien |
Tabelle 2: Währungskrisen mit mindestens 14 Prozent Kursänderung in weniger entwickelten Ländern zur Zeit der festen Wechselkurse des Bretton Woods-Systems. Nach: Sebastian Edwards, Julio Santaella: Devaluation Controversies in the Developing Countries: Lessons from the Bretton Woods Era. In: A Retrospective on the Bretton Woods System: Lessons for International Monetary Reform. University of Chicago Press, Chicago 1993
Obwohl nach den Regeln des Systems von Bretton Woods der offizielle Kurs des Dollars zu Gold bei 35 Dollar pro Feinunze lag, wurde Gold in Europa zu Preisen von bis zu 40 Dollar ge- und verkauft, also weit über der Parität. Wenn Amerikanern der private Besitz von Gold nicht verboten gewesen wäre, hätte sich der Goldpreis zweifellos auch auf der anderen Seite des Atlantiks ähnlich entwickelt. Die Käufer ahnten offenbar, dass die Tage von Bretton Woods gezählt waren und zahlten freiwillig einen höheren Preis, um im Fall eines Zusammenbruchs des Systems Gold als Sicherheit zu besitzen.
Zentralbanken versuchten in konzertierten Aktionen, durch Verkäufe ihrer Goldreserven den Goldpreis auf 35 Dollar zu drücken. Diese Verkäufe ermöglichten Zentralbanken ein lukratives Geschäft: sie konnten Gold auf dem Markt für bis zu 40 Dollar an Privatpersonen verkaufen und anschließend 35 der so erworbenen Dollar bei der amerikanischen Zentralbank in Gold umtauschen. Die Differenz von bis zu fünf Dollar war ihr Gewinn und gleichzeitig für die amerikanische Zentralbank ein Verlust.
Insbesondere die französische Regierung machte von dieser Möglichkeit im großen Stil Gebrauch, wodurch die amerikanischen Goldreserven bedrohlich schrumpften. Es ist nicht verwunderlich, dass sich die amerikanische Regierung diese französischen Tricksereien nicht lange bieten lassen wollte. Man sieht: Es waren keine finsteren Finanzspekulanten, die das System missbrauchten, sondern Regierungen.
Es war also nur eine Frage der Zeit, bis das System fester Wechselkurse, das auf Gold beruhte, zusammenbrechen würde. Es war klar, dass Gold gegenüber dem Dollar zu billig war. Und da der Dollar und alle anderen Währungen fest aneinander gekoppelt waren, war Gold in allen Währungen zu billig. Eine Abwertung des britischen Pfunds im Jahr 1967 um 14,3 Prozent hatte aller Welt verdeutlicht, dass feste Wechselkurse nicht auf alle Ewigkeit fest sein würden. Briten, die rechtzeitig Gold gekauft hatten, konnten dadurch einen Verlust ihrer Ersparnisse um 14,3 Prozent verhindern. Wer konnte, sparte von nun an in Gold statt Geld.
Die Abwertung des Pfunds von 1967 war bei weitem nicht die erste Abwertung im System der doch eigentlich festen Wechselkurse. In den Jahren vorher hatten bereits viele andere Staaten abgewertet und Deutschland aufgewertet. Die Höhe der Abwertung durch ein so großes Land wie Großbritannien war jedoch ein Schock. Sie hatte Signalwirkung und zeigte, dass die Tage weltweit fester Wechselkurse gezählt waren.
Auch in Deutschland führten feste Wechselkurse zu wirtschaftlichen Spannungen, die heute längst vergessen sind und deshalb ignoriert werden. Deutsche Exportüberschüsse und niedrigere Inflation als im Rest der Welt sorgten für Aufwertungen der D-Mark in den Jahren 1961 (5 Prozent) und 1969 (9,3 Prozent).
Beide Aufwertungen geschahen nicht in einem Vakuum, sondern waren lange erwartet. Die Politik zögerte jedes Mal, denn jede Aufund Abwertung hat Gewinner und Verlierer. In Erwartung der Aufwertungen erlebte Deutschland starke Kapitalzuflüsse in den Monaten vor den Aufwertungen. Die damaligen Regierungen ergriffen die gleichen Maßnahmen, die auch heute noch von Staaten angewandt werden, die verzweifelt Währungen auf unrealistischem Niveau zu halten versuchen. Die Devisenmärkte wurden für mehrere Tage geschlossen, Diskontsätze und Mindestreserven erhöht oder gesenkt. Dazu kamen Durchhalteparolen der Politik. Regierungssprecher Conrad Ahlers erklärte 1969 zum Gelächter der anwesenden Journalisten, die D-Mark würde endgültig, eindeutig und ewig nicht aufgewertet. Am Tag nach der Wahl endete diese Ewigkeit und Deutschland gab zeitweise die Wechselkurse frei.6
Trotz der eigentlich festgesetzten Wechselkurse konnte nun der Markt den Wert der D-Mark ermitteln. Als sich der Wert um 3,70 Mark pro Dollar stabilisierte, entschied die Bundesregierung, zu festen Wechselkursen bei 3,66 Mark pro Dollar zurückzukehren. Dies entsprach einer Aufwertung um 9,3 Prozent. Bemerkenswert ist, dass der neue feste Wechselkurs also vom freien Markt bestimmt worden war. Wenn man also den Devisenmarkt braucht, um das jeweilige Niveau der Wechselkurse zu bestimmen, auf dem sie dann festgesetzt werden, dann können Devisenmärkte genauso gut kontinuierlich das Niveau festlegen. So lassen sich die Folgen einer plötzlichen krassen Abwertung mindern.
Am 5. August 1971 war es dann endgültig soweit. Präsident Nixon erklärte, dass der Dollar nicht mehr in Gold gewechselt werden könne. In seiner Rede machte er für diese Entscheidung natürlich nicht das unhaltbare System fester Wechselkurse und Goldkonvertibilität verantwortlich. Er fand andere Schuldige:
In den letzten Wochen haben Spekulanten einen Krieg mit allen Mitteln gegen den Dollar geführt.
Richard M. Nixon, 15. August 1971
Von Defiziten, Inflation, den Tricksereien der französischen Zentralbank oder den grundsätzlichen Problemen fester Wechselkurse sprach er dabei natürlich nicht. Dass die sogenannten Spekulanten letztlich europäische Zentralbanken waren, war Nixon dann doch zu heiß. Trotzdem wussten alle, wovon er sprach.
Nixons Entscheidung wird von Kritikern als der Anfang einer langen Phase von Deregulierung in den angelsächsischen Ländern gesehen, sogar von der Grundwertekommission der SPD. Doch hatte Bretton Woods keineswegs ein