Das Dresdner Mercure-Hotel lässt sich gleichfalls nicht lumpen und bietet »Style und Design, Wohlfühl-Atmosphäre, persönlichen Service und beste Citylage. Hier lebt man als Vier-Sterne-Gast«. Dass eine Innenstadtlage automatisch eine »beste Citylage« sein oder doch wenigstens genannt werden muss, ist längst Pflicht und Ehrensache; eine »Wohlfühl-Atmosphäre« klingt entfernt nach hundehaufiger Reklame für Romika-Schuhe: »Reintreten und sich wohlfühlen.« Und als »Vier-Sterne-Gast« kann man es sich nicht einfach gut gehen lassen, da muss man etwas leisten, sonst wird ein Stern aberkannt und der Gast degradiert, wahrscheinlich zum Drei-Sterne-General.
Über die Stadt Chemnitz – früher: Karl-Marx-Stadt, noch früher: Chemnitz – wird auf einer Ansichtskarte verbreitet, sie sei »toll – super – nett – riesig – fantastisch – zauberhaft – liebenswert – einmalig – herzlich – prima«. Wer diesen Adjektivbeschuss überlebte, kann selbst nachschauen, wie ihm die sächsische Stadt gefällt. In Mode- und Mediensprech wäre sie aber unbedingt »mega«.
»Mega« ist überall, fällt aus jedem Mund, dringt in jedes Ohr. Kamerad Mitmensch macht zehnmal am Tag eine »Mega-Erfahrung« und findet das, wie es von ihm verlangt wird, entsprechend »mega-geil«. Die Nachrichtenillustrierte Der Spiegel klassifiziert einen Film als »Mega-Blockbuster« – ließe sich das gegebenenfalls noch steigern? Mit »SuperMegaDollyBlockwartBuster«? Oder muss es in Zeiten der gratis-in-die-Schuhe-schieberischen 68er-Dämonisierung statt Blockwart besser gleich »ErnstBlochwart« heißen?
Ohne Megaphon-Geschrei geht gar nichts mehr – je brüllendlauter, desto mega. Wer das griechische »mega« korrekt mit »groß« oder »Million« übersetzt, ist ein Altmodiker und damit »mega-out«; wer »MEGA« für die Abkürzung von »Marx-Engels-Gesamt-Ausgabe« hält, liegt zwar völlig richtig, wird aber in einer von Kenntnisfreiheit und stolzer Ignoranz durchprägten Informationsgesellschaft auf den Schrottplatz verwiesen. »Max ist tot!«, frohlockte bereits 1989 Norbert Blüm. Max? Welcher Max? Das Geheimnis seiner Botschaft erschloss sich in Blüms Mundart: Auf hessisch ist Marx eben: Max. Und vor allen Dingen: tot – also garantiert kein bisschen mega.
Mit Mayo rutscht die Info besser
Es gibt Abkürzungen, die so schmerzen wie eine Amputation am lebenden Wort ohne Narkose. Wenn aus einer Information eine »Info« wird, bekommt man es mit Geiz zu tun, mit Geiz an Gedanken. Wer Sachverhalte zu kniepigen »Infos« verknappt, muss diese zur Kompensation dann tüchtig auswalzen und nennt das »Kommunikation«, denn wer nichts wird, wird Kommunikationswirt. Wenn er ausgelernt hat, kann er fließend kommunizieren, ohne dabei von der geringsten Sinnbeimengung gestört zu werden, und sagt also: »Diese Info muss kommuniziert werden.« Kommu, die kleine Nikation, ist schließlich die mediale Info, und das ist logo; logo kommt aber nicht von Logik, sondern von Logorrhöe.
Info ist der schabbelige Rest von Information; ein höchst verwunderlicher Rest wohnt indes auch dem Info-Wort »Restjugoslawien« inne, das seit einigen Jahren kursiert und grassiert. Wenn es ein »Restjugoslawien« gibt, müsste es folgerichtig auch Restjugoslawen geben. Weil es aber offenkundig allzu unhöflich wäre, jemanden einen »Restjugoslawen« zu nennen – »Guten Abend, Herr Girrschitsch, Sie sind ein vitaler, fleißiger Restjugoslawe …« – sagt man das lieber nicht, das klänge gleich nach Versehrtensport, nach Arm oder Bein ab, jedenfalls nicht gut, sondern nach Krieg. Den die Nato gegen Serbien vulgo Restjugoslawien zwar führte, dessen Folgen man aber lieber verschweigt. Und so kommt es zu der erstaunlichen Tatsache, dass es Restjugoslawien gibt, nicht aber einen einzigen Restjugoslawen. Der dann ohnehin bloß mit »Reststrommengen« hausieren ginge, von denen auch niemand sagen kann, was sie bedeuten.
Vom Restjugoslawen und der Reststrommenge ist es nur ein kleiner Schritt zum »Resto«; ein Resto ist das, was von einem Restaurant übrig bleibt, wenn das Schischi-Publikum mit ihm fertig ist. Für alle, die ins Resto essen gehen möchten, kann man einmal den Küchenboden kehren und das Ergebnis mit Schauspielergrandezza servieren: Meine Herrschaften! Exklusiv der schäbige Rest – möge er munden wie die Pest! Woraufhin die Kundschaft mit den Zungen schnalzt und aufstöhnt vor eingebildeten Wonnen: Aaah, Resto al Pesto – Maître, Sie verwöhnen uns, Sie sind zu gütig …!
Nach dem Besuch im Resto können die Schaumacherkarren erklommen werden, in denen Damen und Herren vom Sterne Möchtegerne sich herumkutschieren lassen und die nicht Limousinen, sondern »Limos« heißen müssen, was sehr gut zu ihren Insassen passt. Damit der Matsch sich runde und auch besser in die Gehörgänge hineinflutsche, braucht es ein Gleitmittel: Mayo. Mit Mayo rutscht die Info besser. Man soll niemanden und nichts unterschätzen, auch keine Mayonnaise. Im holländischen Lokal »De Prins« in Essen sah ich, wie weit man es als Lebensmittel bringen kann: Eine »Mayo des Monats« wurde dort feilgehalten und prämiiert. Fasziniert von der Welt und ihren Möglichkeiten stippte ich eine Fritte in den weißen Schlabber, hielt inne und dachte: Wenn nun auch nichts mehr aus mir werden will oder soll – einen Ehrgeiz hätte ich noch, eine Ambition, ein Ziel: in diesem Resto einmal Mayo des Monats sein, und das als Info kommunizieren, aber logo.
Mein Schuh, meine Welt
»Mein Schuh. Meine Welt.«, steht auf einer Einkaufstüte; eine Frau trägt sie flinken Schrittes davon. Obwohl ich mit Werbung aufwuchs, mit dem Lenor-Gewissen, mit Ariel für den porentief reinen Arier, mit Redleffsen, dem Würstchen mit dem Reißverschluss, und mit Joghurt, so wertvoll wie ein kleines Steak, und mir also die Mischung aus Idiotie und Infamie, die man Reklame nennt, durchaus geläufig ist, vermag ich dieses kaum zu fassen: »Mein Schuh. Meine Welt.« Sicher, die Welt riecht nicht immer gut und manchmal vielleicht sogar auch nach Käsfuß mit Musik, aber dass sie auf die Größe eines Schuhs zusammenschnurrte, das kann tatsächlich nur ein Werbetexter ersonnen haben, einer, der die Welt, in seinen Worten gesprochen, »herunterbricht« auf das Banale, Gewöhnliche, Vulgäre, das er aus ihr macht. Klein und käuflich muss sie sein, nur dann passt sie in seinen Schrumpfkopf hinein.
Längst hat die Werbung ein gigantisches Konsumenten-Ich entwickelt. »Füttere mich!«, brüllt es, und mehrmals täglich und im Idealfall rund um die Uhr quengelt es: »Wo ist mein Geschenk?« Der nahezu harmlose »Konsumterror«, von dem in den Sechziger und Siebziger Jahren die Rede war, ist lange tief verinnerlicht; der Terrorist ist inzwischen der Konsument selbst, er ist sein Kern, er sitzt in seinem Inneren und gibt keine Ruhe – das ist das Ich, das übrig blieb, Millionen von Ichs, die Arbeits-, Jubel- oder Konsum-Masse sein dürfen und sonst nichts, und die darauf mit noch weiter übersteigertem Ich-Ich-Ich-Gespreize reagieren.
Der Versuch, sein Ich aus anderen Quellen als dem Konsum zu speisen und zu formen, ist am Rande der Strafbarkeit angesiedelt und wird als antisozialer Akt bewertet. Gesellschaftliche Abstrafung ist allerdings nur in seltensten Fällen notwendig; von klein auf wird dem heranreifenden Konsumenten zu verstehen gegeben, dass er seine Welt, sein Leben, sein Ego allein im Konsumismus finden und ausprägen kann, im bewusstlosen Haben, im hemmungslosen Greifen. Die Beute ist der Konsument selbst; in der erworbenen Ware hält er sich selbst in der Hand, sein Leben, seine Welt.
In dem Wissen, dass Beutejäger und Beute längst unteilbar eins sind, bewirbt ein stammhirnauslöschender Sender sich und sein Programm analog mit der Parole »Mein RTL«; je weniger dem Konsumenten das eigene Leben gehört, desto lauter muss er »Meins! Mein Leben! Meine Welt!« behaupten. Allein im Konsum ist ihm das Recht auf eine Existenz zugebilligt; zurückgeworfen auf nichts als die Konsumkraft, lautet sein verzweifeltes Credo: Ich konsumiere, also bin ich.
»Bei