Der Wirt öffnete auf unser Klopfzeichen erfreut, und im Handumdrehen hatte er drei große Biere gezapft. Er versuchte wie immer, uns in ein Gespräch zu verwickeln, worauf vor allem McGuffin sonst freudig angesprungen war. Doch diesmal hockten wir schweigend auf den Barstühlen und hielten uns anderthalb Stunden lang an unserem Glas Bier fest. Am Ende wurde es dem Wirt zu bunt, und er warf uns hinaus. Wenn er schon seine Lizenz riskiere, müsse es sich wenigsten lohnen, rief er uns hinterher.
Später gestand Sparky, dass sein Joint diesmal nicht sein selbst angebautes Gras enthalten hatte, sondern Opium, das er in einer chinesischen Spelunke in Belfast günstig erstanden hatte. Ob er noch bei Sinnen sei, wollten wir wissen. Gegen das Betäubungsmittelgesetz konnte man schließlich täglich verstoßen, aber gegen das Ausschankverbot nur zwei Mal im Jahr. Beim Wirt waren wir unten durch. Er glaubte, dass uns der Katholizismus übermannt hatte und wir wegen Gewissensbissen sein Bier verschmäht hatten. Unser Argument, dass wir abends gegen das karfreitägliche Fleischverbot verstoßen und einen Truthahn verspeist hatten, ließ er nicht gelten. Es gebe ja keine Zeugen. Wahre Rebellen hätten das Tier in aller Öffentlichkeit vor der Kirche verzehrt, meinte er.
DAS BUNTE SALZ DER ERDE
Wer betrunken Auto fährt, muss zu Recht den Führerschein abgeben. Ein ähnliches Verfahren sollte es auch für Computer geben – vielleicht ein Röhrchen, in das man pusten muss, bevor man das Gerät einschaltet. Übersteigt der Alkoholwert ein Promille, ist der Computer automatisch gesperrt. So könnte man keinen Unfug anrichten. Ich spreche aus Erfahrung.
Einmal – ich weiß gar nicht mehr, was ich gesucht hatte – landete ich auf einer Seite mit exotischen Blumensamen. Ich interessiere mich nicht für Blumen. Aber die abgebildeten Pflanzen sahen recht hübsch aus. Ein paar Tage später kam ein kleines Päckchen: Blumensamen. Was hatte ich bloß getan? Zum Glück konnte ich das geheim halten. Ich pflanzte die Dinger in meinem Büro, nach zwei Wochen keimten zwei der 50 Samen. Die Pflanzen blühten drei Tage lang und gingen dann ein. Das kann man ihnen nicht vorwerfen, ich habe keine grünen Finger.
Manche Verkäufer bei Ebay bauen offenbar auf die Trunkenheit der potentiellen Kundschaft. Die Firma Mondevana aus Bergisch-Gladbach zum Beispiel bietet den grottenschlechten Asterix-Band »Gallien in Gefahr« gebraucht (»wie neu«) für 151 Euro an. So betrunken kann niemand sein. Auf meine nüchterne Nachfrage, ob man noch bei Trost sei, kam keine Antwort. Vor allem in den USA glauben die Händler offenbar, dass die Kundschaft bei Internetkäufen den Verstand abschaltet. Ich hatte ein Taschenbuch über den irischen Betrüger Paul Singer aus den sechziger Jahren gesucht. Zwei US-amerikanische Händler boten es an. Der eine wollte 741,78 Euro für ein sehr gutes Exemplar, der andere einen Cent mehr für ein lediglich gutes Exemplar. Ich fand das Buch in einem Dubliner Antiquariat für zwei Euro.
Leider bin ich nicht immer so wachsam. Einmal geriet ich auf eine Seite mit Angeboten für Salz und Pfeffer. Ich war fasziniert: Schwarzes Salz aus Hawaii, rotes aus der australischen Wüste, gelbliche Kristalle aus dem Himalaja und fette Salzklunker aus dem Trockenmeer, die man in Wasser auflösen musste. Oder man konnte sie raspeln, es gab dafür passende Salzreiben. Ich kaufte alles mit ein paar Klicks. Eine Woche später kam das Päckchen an. Die Salzreibe erwies sich als Muskatreibe, sie war lediglich umbenannt worden.
Anfangs war es ganz witzig, wenn man Freunden das farbenfrohe Zeug anbot. Besonders dekorativ sah das schwarze Vulkansalz auf Eiern aus. Ich begann, beim Kochen sehr sparsam mit dem Salz umzugehen, so dass die Gäste nachsalzen mussten. Dann konnte ich meine Batterie an Salzstreuern auffahren. Aber schon bald ging meinen Gästen das bunte Treiben auf die Nerven. Sie verlangten nach normalem weißen Salz. Habe ich nicht. Das graue Meersalz aus der Bretagne, das ich ihnen als ungeschältes weißes Salz unterjubeln wollte, fiel durch. Man habe die Nase voll von meinem exotischen Quatsch, wurde mir beschieden. Das ist misslich, weil der exotische Quatsch noch mindestens zehn Jahre reicht, um Speisen zu versalzen. Ganz zu schweigen von dem Sack mit tasmanischem Urwaldpfeffer.
AN DEN SCHWÄNZEN KANNST DU SIE ERKENNEN
Wenigstens weiß man jetzt, wo das Rindfleisch abgeblieben ist, das in Hamburgern und Lasagne durch Pferdefleisch ersetzt worden war: Es steckt in Lamm-Currys. Die schottische Aufsichtsbehörde für Lebensmittel hat 129 indische Restaurants im ganzen Land untersucht. Bei einem Drittel enthielten die Lamm-Currys kein Lamm, sondern billiges Rindfleisch. Von wegen heilige Tiere! Da war der Geiz stärker als der Glaube – immerhin ein Beispiel für eine gelungene Integration. Die Behörde veröffentlichte aber nicht die Namen der Restaurants. Datenschutz geht vor Verbraucherschutz.
In den englischen Midlands hat die dortige Behörde ebenfalls indische Restaurants getestet. Sämtliche der untersuchten Lamm-Kababs enthielten jede Menge Farbstoff sowie eine Mischung aus Schwein, Rind, Huhn und ein bisschen Lamm – aber kein Pferd. Das steckt ja in Hamburgern und Fertiggerichten. Die Witze über Ketten wie Würgerking, wo Spezialburger »My little Pony« für Mädchen angeboten werden, haben bei britischen Schülern solch nachhaltigen Eindruck hinterlassen, dass nicht mal mehr die Hälfte in den Schulkantinen isst. Die meisten bringen stattdessen Sandwiches aus Formschinken, der zwischen zwei Scheiben des britischen elastischen Weißbrots gepresst ist. Der Nährwert ist zwar gleich Null, aber wenigstens wiehert das Sandwich nicht.
Sind die Leute in der Lebensmittelindustrie zu blöd, um die Tiere zu unterscheiden? Rinder haben Hörner, Pferde einen Schweif, Schweine einen Ringelschwanz und Schafe ein wolliges Fell. Ist doch ganz einfach. Das schafft auch die Fleischmafia. Deshalb zeigen die Fälle viel mehr »den internationalen Verschiebebahnhof von Lebensmitteln und die kreativen kriminellen Energien der Fälscher«, wie der Kulinarpapst Manfred Kriener neulich schrieb – »mit rumänischen Ross-Schlächtern, niederländischen und zypriotischen Zwischenhändlern, italienischen Rezepturen und deutschen, französischen und britischen Opfern.«
Kriener ist deshalb so empört, weil er selbst zu den Opfern gehört. Im Januar kaufte er bei einem Metzger in Oberschöneweide vermeintliche Ochsenbäckchen. Erst beim Zubereiten merkte er, dass ihm der kreativ kriminelle Schlächter Hamsterbacken angedreht hatte. Sie waren noch mit den für das Nagetier typischen Wintervorräten gefüllt. »Mit einer Chateau-Lafitte-Sauce haben die Hamsterbacken aber hervorragend geschmeckt«, sagte Kriener.
Selbst die Haustierhandlungen machen bei dem bösen Spiel mit. Der Nachbarsjunge hatte sich drei Goldfische gekauft und wunderte sich, dass die Tiere leblos im Aquarium herumtrieben. Es stellte sich heraus, dass der kreative kriminelle Tierhändler ihm aus Mohrrüben geschnitzte Goldfischimitate untergejubelt hatte.
Eine Frage ist noch offen: Rindfleisch wurde durch Pferdefleisch ersetzt und Lammfleisch durch Rindfleisch. Wo wird denn nun das Lammfleisch auftauchen? In Bio-Eiern? Oder ist das alles eine große Lammverschwörung, und die Viecher sind gar nicht geschlachtet worden, sondern laufen auf der Trabrennbahn?
BÜFFEL HABEN KEINE FLÜGEL
Es war eine jener Buchvorstellungen, zu denen man gehen muss, weil man jemanden kennt, der den Autor kennt. Bei solchen Anlässen werden meist billige Weine und »finger food« gereicht. Letzteres besteht aus Würstchen, Hühnerflügeln, Zwiebelringen und anderen fettigen Häppchen. Danach soll man dann das neue Buch in die speckige Hand nehmen und zur Kasse tragen. Genauso gut könnte man auf einer Vernissage Farbbeutel verteilen.
Noirín war gegen ihren Willen von ihrer Freundin Yvonne, die große Stücke auf den Nachwuchsschriftsteller hielt, in die Dubliner Buchhandlung geschleppt worden und hatte entsprechend schlechte Laune. Die besserte sich nicht, als ihr eine Frau vom Partyservice ein Tablett unter die Nase hielt und sie fragte, ob sie einen »Buffalo Wing« möchte. »Büffel haben keine Flügel«, blaffte Noirín die überraschte Kellnerin an. Vielleicht kämen die Hühner ja aus Buffalo, mutmaßte sie, doch Noirín ließ das nicht gelten: »Die Tiere sollen aus Buffalo im Staat New York importiert worden sein? Das glauben sie doch selbst nicht.« Sie wisse