Ebenso wenig, wie der Engländer mit Tennisbällen fertig wird, schafft er es, Alltagsprobleme zu bewältigen. Frank zum Beispiel. Es war nicht sein Tag. Am Morgen wollte er eine Tüte Milch öffnen, um ein paar Tropfen davon in seinen Kaffee zu schütten, aber das Tetrapack ließ sich nicht so einfach bezwingen. Als er endlich seinen Zeigefinger in die kleine Öffnung gebohrt hatte, rutschte er ab und goss sich einen Liter Milch über die Hose. Beim Versuch, der weißen Dusche auszuweichen, warf er die Kaffeetasse um.
Nachdem Frank sich umgezogen hatte, klingelte der Postbote und brachte ihm ein Päckchen von einem Musikversand: die nicht mehr ganz so neue und deshalb herabgesetzte CD von U2. Frank fand den Zipfel des Bändchens nicht, mit dem man die Zellophanhülle aufreißen konnte, und rückte der Verpackung mit einem Messer zu Leibe. Dabei brach der Deckel der CD-Box am Scharnier ab, und die CD fiel auf den Fußboden. Frank beobachtete ungläubig, wie die Scheibe durch die Küche rollte und im Abflussgitter hinter der Waschmaschine verschwand. Was danach geschah, weiß ich nicht, da Frank mich hinauswarf, nachdem ich erklärt hatte, dass diese grässliche Band aus Dublin nun an ihrem Bestimmungsort angekommen sei.
Frank ist nicht ungeschickter als andere Engländer. Er hat, wie die meisten seiner Landsleute, lediglich Schwierigkeiten mit Objekten des täglichen Bedarfs. Ein paar clevere Geschäftsleute haben das ausgenutzt und das Unternehmen »User Vision« gegründet, das die Benutzerfreundlichkeit von Produkten untersucht und sich von den Herstellern dafür gut bezahlen lässt. Weit oben auf der Liste der Frustobjekte stehen Digitalkameras, gefolgt von Auto-Kindersitzen und Mobiltelefonen. Ein Unternehmen hat bereits darauf reagiert und ein Handy auf den Markt gebracht, mit dem man weder fotografieren, noch sich rasieren, sondern lediglich telefonieren kann.
Aber auch Dosenöffner, Waschmaschinen und Einwegwindeln treiben den Engländer zur Weißglut – ebenso wie Klebeband, bei dem nur die wenigsten der Testpersonen das Ende der Rolle fanden. Überraschenderweise stellte es die meisten auch vor eine unlösbare Aufgabe, ein Osterei auszuwickeln. Möglicherweise muss der Osterhase dafür büßen, denn Gewehre gehören nicht zu den Objekten, mit denen der Engländer seine Schwierigkeiten hat.
Am Abend schaute ich noch einmal bei Frank vorbei. Die CD hatte er aus dem Abfluss befreit, musste dazu aber das einzementierte Abflussgitter mit einem Schlagbohrer zerstückeln. Weil das eine Weile dauerte, hatte er den Videorecorder eingeschaltet, um seine Lieblingssendung aufzunehmen. Als er sie ansehen wollte, stellte er fest, dass er versehentlich einen Dokumentarfilm über Schönheitsreparaturen an einem Einfamilienhaus aufgenommen hatte. Das sei typisch englisch, meinte ich: »User Vision« habe herausgefunden, dass die Engländer den Videorecorder zum schwierigsten Objekt im Haushalt gewählt haben. Millionen seiner Landsleute würden jetzt beim Tapezieren eines Einfamilienhauses zusehen, weil sie das Gerät falsch bedient haben, erklärte ich Frank, bevor er mich erneut vor die Tür setzte.
Aber eins kann der Engländer: Großbritannien ist das Land der Wichser. So hoffte jedenfalls das Centre for Sex and Culture. Die in San Francisco beheimatete Organisation veranstaltete in London ein »Wankathon« und hatte dazu aufgerufen, massenhaft zum Masturbationsmarathon in die Drop Studios in der Clerkenwell Road zu kommen – für einen wohltätigen Zweck.
Jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin sollte sich Sponsoren suchen, die das Massenonanieren bezuschussen. Normalerweise sammeln Schulkinder auf diese Weise Geld für einen guten Zweck – natürlich nicht fürs Masturbieren. Sie lassen sich von den Nachbarn und Verwandten die Zusage für eine Spende geben, wenn sie im Freibad zehn Bahnen schwimmen oder in den Bergen fünf Kilometer laufen. Meistens geht das Geld an irgendwelche kirchlichen Organisationen. Mit dem »Wankathon« will der Klerus freilich nichts zu tun haben, die Marie-Stopes-Klinik dafür um so lieber. »Es ist vollkommen richtig, dass wir uns mit dieser risiko- und folgenlosen sexuellen Aktivität assoziieren«, begrüßte die Familienplanungsklinik das Ereignis.
In dem Aufruf hieß es zweideutig: »Kommt für einen guten Zeck.« In den Drop Studios gab es weiches Licht, weiche Möbel, entspannende Musik sowie drei Zonen: eine für Frauen, eine für Männer und eine gemischte Zone. Jede Zone enthielt auch Einzelwichserzellen für scheue Teilnehmer, die aber nicht beim offiziellen Wettbewerb mitmachen können. Wer die meisten Orgasmen hatte, und wer am längsten masturbieren konnte, bekam einen Preis – vermutlich eine Armbinde und einen Hund, denn Wichsen soll ja blind machen. Als Trostpreis wurde wohl eine Brille vergeben.
Die Regeln waren streng: Pro Stunde waren höchstens fünf Minuten Atempause – oder wie immer man es nennen möchte – erlaubt. Der bisherige Rekord stand bei achteinhalb Stunden. Diese Zeit konnte jedoch niemand überbieten: Das »Wankathon« dauerte von 14 bis 22 Uhr, also lediglich acht Stunden. Der Marathon der anderen Art wurde für Channel 4 aufgezeichnet. Offenbar hatte man sich bei dem unabhängigen Fernsehsender mit dem Thema angefreundet. Der Unterhaltungsredakteur Andrew MacKenzie erklärte, dass man eine kleine Serie daraus machen werde: »Die Woche der Wichser.«
MacKenzie, der 2005 die »Penis-Woche« veranstaltet hatte, sagte: »Das sind genau die provokanten Programme, die Channel 4 nachts um elf ausstrahlen sollte. Viele Menschen masturbieren, aber nicht so viele reden darüber.« Die Produktionsfirma Zig Zag fügte in einer Presseerklärung hinzu: »Es wird Zeit, dass wir herausfinden, ob die Oberlippe das einzige ist, das in Großbritannien steif sein darf.« Er dementierte, dass eine Folge der dreiteiligen Serie »Woche der Wichser« den damaligen Premierminister Tony Blair beim Regieren zeigen sollte.
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