Reformatorische Theologie im 21. Jahrhundert. Ulrich H. J. Körtner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ulrich H. J. Körtner
Издательство: Bookwire
Серия: Theologische Studien NF
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783290176532
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evangelischen Glaubens.

      Ob es eine protestantische Kultur im traditionellen Sinne noch gibt, ist in der gegenwärtigen theologischen und kulturwissenschaftlichen Diskussion umstritten. Schon Tillich hielt in einem Text aus dem Jahr 1937 das »Ende der protestantischen Ära« nicht für ausgeschlossen.42 Angesichts der gesamteuropäischen Entwicklung zu Beginn des 21. Jahrhunderts wird heute intensiv über die europäische, religiöse, kulturelle und politische Zukunft des Protestantismus nachgedacht. Die Gemeinschaft evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) ist einer der Orte, an dem die Diskussion darüber geführt wird. Prominente Theologen wie Trutz Rendtorff, Friedrich Wilhelm Graf oder Wilhelm Gräb treten explizit für einen neuen Kulturprotestantismus ein, stoßen mit ihren Ansichten aber auch auf theologische Kritik.43 Rendtorff hat die Kirche als »Institution der Freiheit« definiert, welche das Fundament der modernen, pluralistischen Gesellschaft sei.44 Demgegenüber hat Jürgen Moltmann unter Aufnahme einer Wendung Hegels den Protestantismus als »Religion der Freiheit« interpretiert, die zum |25| Exodus aus bestehenden, lebensfeindlichen, gesellschaftlichen Strukturen führe.45

      Zum Abschluss dieses Kapitels ist nun noch der Begriff des Reformatorischen zu demjenigen des Evangelischen ins Verhältnis zu setzen. Wie schon gesagt wurde, werden die Begriffe evangelisch und protestantisch häufig synonym verwendet, wogegen Karl Barth in seiner Auseinandersetzung mit dem Neuprotestantismus für eine theologische Unterscheidung plädiert hat: »Nicht alle ›protestantische‹ ist evangelische Theologie. Und es gibt evangelische Theologie auch im römischen, auch im östlich-orthodoxen Raum, auch in den Bereichen der vielen späteren Variationen und auch wohl Entartungen des reformatorischen Neuansatzes.«46

      Evangelisch ist für Barth die inhaltliche Näherbestimmung dessen, was ökumenisch bzw. katholisch heißt. Ökumenisch bzw. katholisch ist eine evangeliumsgemäße |26| Theologie, wobei Barth zugleich auf den Unterschied zwischen der einen Theologie und den vielen Theologien, d. h. auf das Problem der Einheit und Pluralität christlicher Theologie aufmerksam macht. Als evangelisch bezeichnet Barth sachlich »die ›katholische‹, die ökumenische (um nicht zu sagen: die ›konziliare‹) Kontinuität und Einheit all der Theologie […], in der es inmitten des Vielerlei aller sonstigen Theologien und (ohne Werturteil festgestellt) verschieden von ihnen darum geht, den Gott des Evangeliums, d. h. den im Evangelium sich kundgebenden, für sich selbst zu den Menschen redenden, unter und an ihnen handelnden Gott auf dem durch ihn selbst gewiesenen Weg wahrzunehmen, zu verstehen, zur Sprache zu bringen.«47

      In diesem Sinne lässt sich auch der Begriff des Reformatorischen inhaltlich weiter präzisieren. Reformatorische Theologie ist gleichbedeutend mit evangelischer Theologie, soweit und sofern mit evangelisch das Evangeliumsgemäße im Sinne der reformatorischen Rechtfertigungslehre gemeint ist. Auch wenn diese Theologie faktisch bis heute im Vergleich mit dem römischen Katholizismus systemsprengend wirkt, ist Evangeliumsgemäßheit doch das innere Kriterium guter Theologie, die sich auch in anderen konfessionellen Traditionen antreffen lässt. Evangeliumsgemäße Theologie ist so gesehen ökumenische Theologie, welche nach der Identität christlichen Glaubens in der Pluralität und den Gegensätzen der Kirchen und Konfessionen fragt. Wenn Evangeliumsgemäßheit als Sachkriterium reformatorischer Theologie bestimmt wird, bedeutet dies, dass alle sich reformatorisch, protestantisch oder evangelisch nennende Theologie stets darauf hin zu prüfen ist, ob und in wieweit sie diesem Kriterium entspricht. Reformatorische Theologie kann demnach nur als selbstkritische Theologie betrieben werden, die nicht schon durch den Ausweis historischer Kontinuitäten legitimiert ist, sondern sich durch alle neuzeitlichen Transformationsprozesse hindurch befragen lassen muss, inwieweit sie ihren Grund und Gegenstand trifft oder verfehlt.

      Die Mitte reformatorischer Theologie, so sagten wir bereits, ist die reformatorische Rechtfertigungslehre, wobei in der bedingungslosen Vorgabe des Heils und damit in der klaren Unterscheidung zwischen dem empfangenden und dem tätigen Wesen des Glaubens bzw. zwischen Soteriologie und Ethik das spezifische Reformatorische jeder reformatorischen Rechtfertigungslehre besteht.48 Eine Bestandsaufnahme reformatorischer Theologie im 21. Jahrhundert hat darum mit einer zeitgemäßen Interpretation reformatorischer Rechtfertigungslehre zu beginnen.

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