Theodor Fontane
Frau Jenny Treibel
Impressum
ISBN 978-3-86408-086-9 (epub) // ISBN 978-3-86408-087-6 (pdf)
Digitalisat basiert auf der auf der Erstausgabe basierenden Ausgabe von 1951 aus der Bibliothek des Vergangenheitsverlags; bibliografische Angaben:
Fontane, Theodor, Frau Jenny Treibel, Berlin 1951
Bearbeitung: Mireya Hütsch, Akmaral Gaparova, Lisa Schulze, Ranka Zgonjanin
Einleitendes Essay von Lisa Schulze / Akmaral Gaparova
Die Marke „100% - vollständig, kommentiert, relevant“ steht für den hohen Anspruch, mehrfach kontrollierte Digitalisate klassischer Literatur anzubieten, die – anders als auf den Gegenleseportalen unterschiedlicher Digitalisierungsprojekte – exakt der Vorlage entsprechen. Antrieb für unser Digitalisierungsprojekt war die Erfahrung, dass die im Internet verfügbaren Klassiker meist unvollständig und sehr fehlerhaft sind.
E-Book-Formate von readbox publishing, Dortmund www.readbox.net
© Vergangenheitsverlag, 2012 – www.vergangenheitsverlag.de
Inhaltsverzeichnis
Theodor Fontane, Frau Jenny Treibel
Einleitendes Essay: Ein historischer Abriss über Fontanes Leben und seine Zeit im Hinblick auf den Berliner Zeitroman „Frau Jenny Treibel“
1888. Deutschland durchlebte ein Jahr mit drei Kaisern und Theodor Fontane begann einen seiner erfolgreichsten Romane zu schreiben. Er kreierte seine Jenny Treibel, die als typische Bourgeoise genug Stoff für einen Berliner Zeitroman lieferte und ein treffendes Portrait nicht nur seiner Zeit, sondern insbesondere auch der Berliner Verhältnisse ist. Berlin erblühte als kulturelle und wirtschaftliche Hauptstadt. Preußen war so stark wie nie zuvor. Nach dem siegreichen deutsch-französischen Krieg folgte die Gründung des Deutschen Reiches. Frankreichs Kriegsentschädigungen begünstigten das durch die Industrialisierung angekurbelte Wirtschaftswachstum. Firmen wurden gegründet. Die finanzielle Situation der Fabrikanten und Industriellen verbesserte sich ungemein. Eine neue Schicht – das Bürgertum – entstand. Viele zog es in die Stadt, hin zu den besten Industriestandorten. So hatte die Reichshauptstadt ein rasches Bevölkerungswachstum zu verzeichnen. Fortschritt wurde großgeschrieben. 1876 war das Rohrpostsystem betriebsbereit. Als das erste innerstädtische System dieser Art wurde es über 400 Kilometer lang werden und war damit eines der größten der Welt. Der Buchhandel blühte dank ausgereifter Drucktechniken. Auch Zeitschriften wurden beliebt. Sie verbanden Unterhaltung mit Informationen und wurden damit zu einem vielseitigen und weit verbreitetem Medium. Die Herausgeber konnten ihre Autoren gut bezahlen, weil das Bürgertum häufig Abonnements abschloss. Man definierte sich eben nicht nur über Vermögen, sondern auch über Bildung. Über letzteres versuchten sich die Bürger vom Adel abzugrenzen, vor allem das Bildungsbürgertum, das – trotzdem es bei Weitem kein so großes Einkommen wie das Besitzbürgertum hatte – gezwungen war, eine standesgemäß aufwändige Lebensweise zu führen. „Bildung“ wurde zu einer Tugend: „Nicht Geburt oder Herkunft [sind] die entscheidenden Faktoren für den Wert eines Menschen, sondern Tiefe des Gefühls, Versenkung ins Buch, Bildung der einzelnen Persönlichkeit.“1
Fontane war 1888 schon ein alter Mann. Geboren wurde er am 30. Dezember 1819 in Neuruppin, einer kleinen märkischen Stadt nordwestlich von Berlin. Er plante in die Fußstapfen seines Vaters zu treten und ging ab 1836 in die Apothekerlehre. Literarische Neigungen zeigten sich allerdings schon damals. Früh begann Fontane Gedichte, Novellen und Erzählungen zu schreiben. Seine Vorliebe für Balladen entdeckte er 1844, als er in der Berliner Autorenvereinigung Tunnel über der Spree u.a. Paul Heyse, Felix Dahn und Theodor Storm kennenlernte. 1849 gab er seinen Beruf als Apotheker auf, weil er wahrscheinlich schon in seinem Lehrherrn das ihm missfallende Bürgertum erkannte: „Diese Geheimbourgeois[...] sind die weitaus schrecklicheren, weil ihr Leben als einzige große Lüge verläuft. [...]jeder erscheint sich als ein Ausbund von Güte, während in Wahrheit ihr Tun durch ihren Vorteil bestimmt wird, was auch alle Welt einsieht, nur sie selber nicht. Sie[…] beweisen sich und andern in einem fort ihre Selbstsuchtslosigkeit“2.
Sein Interesse am Journalismus führte ihn nach England, wo er als Pressebeauftragter für zwei preußische Zeitungen arbeitete. Er schrieb mehrere Bücher über das englische Leben, darunter Ein Sommer in London (1854) und Jenseits des Tweed (1860). Fontane war fast 60 Jahre alt als 1878 sein Romandebüt Vor dem Sturm veröffentlicht wurde. Dieser sollte seinen großen literarischen Erfolg als Romanautor einleiten. Bewusst richtete sich der Dichterin den folgenden Romanen gegen die Vorliebe der deutschen Erzähler des 19. Jahrhunderts für abgelegene, provinzielle Handlungsorte. Nur die Schilderungen der Entwicklung in der Großstadt könne die Gesellschaft seiner Zeit ausreichend genug darstellen. So schloss er zur modernen europäischen Erzähltradition auf.3 Humoristische und ironische Elemente in seiner Klarheit und abgerundeten Schreibform, wie Fontane sie professionell beherrschte, sind typisch für den „poetischen Realismus“. Deutschland folgte damit erst verspätet den französischen und russischen Vorreitern, wie Honoré de Balzac (1799-1850), Gustave Flaubert (1821-1880), Fjodor M. Dostojewski (1821-1881) und Iwan Turgenjew (1818-1883). Inhaltlich sind auch Fontanes Romane fixiert auf zeitgenössische soziale Probleme, wie zum Beispiel die schwierige Rolle der Frau innerhalb des häuslichen Lebens. Sie ist ein zentrales Thema in L’Adultera (1882), Irrungen, Wirrungen (1888) und Effi Briest (1895). Letzterer ist wohl sein bekanntester Roman. Er gibt sich darin als guter Beobachter von Menschen