Die Kapitel 5 und 6 verknüpfen die Feuerwehr mit interkulturellen Kernkonzepten. Kapitel 5 führt in die Grundlagen »Interkultureller Öffnung« ein. Dabei werden zunächst die mit dem Konzept verbundenen Vorstellungen und Perspektiven erklärt. Mithilfe eines Typenmodells wird daraufhin analysiert, wie sich die Feuerwehr gegenwärtig zu kultureller Vielfalt positioniert. Daraus abgeleitet werden die für eine weitere interkulturelle Öffnung der Feuerwehr notwendigen Schritte. Eine Darstellung möglicher Öffnungsmaßnahmen in den Bereichen Organisationsentwicklung und Personalentwicklung rundet das Kapitel ab. Kapitel 6 fokussiert auf Interkulturelle Kompetenz als individuelle Voraussetzung für eine interkulturelle Öffnung, [12]aber auch als Grundlage für erfolgreiches Handeln in Einsätzen, in denen der Faktor Kultur eine Rolle spielt. Nach einer kurzen Darstellung grundlegender Überlegungen wird der Frage nachgegangen, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten für Feuerwehrmänner und -frauen in kulturellen Überschneidungssituationen besonders relevant sind. Besonders aufschlussreich sind hier die Ergebnisse einer empirischen Studie, die zu diesem Zweck durchgeführt wurde.
Bei den Kapiteln 7 und 8 geht es schließlich um den Ausbau interkultureller Kompetenzen bei Feuerwehrangehörigen. Auf Grundlage der Kapitel 4, 5 und 6 werden in Kapitel 7 Zielhorizonte für interkulturelle Trainings bei der Feuerwehr formuliert und insgesamt neun Trainingsbausteine zur Förderung interkultureller Fähigkeiten vorgeschlagen. Da das Ingangsetzen von persönlichen Entwicklungsprozessen bei Weiterbildungsteilnehmenden nicht allein von Inhalten und Methoden abhängt, widmet sich Kapitel 8 den strukturellen Voraussetzungen für erfolgreiche Weiterbildungen sowie individuellen Widerständen gegen das interkulturelle Thema. Es beschreibt, wie sich die Rahmenbedingungen für Seminare und Trainings optimieren lassen und mit welchen Strategien und Handlungsschritten einer Skepsis oder Ablehnung von Weiterbildungsteilnehmenden begegnet werden kann.
Kapitel 9 resümiert die in den vorherigen Kapiteln dargestellten Herausforderungen und Perspektiven und wagt einen Ausblick auf die Zukunft der Feuerwehr in einer durch kulturelle Vielfalt gekennzeichneten Gesellschaft.
Dieses Buch wäre ohne die Unterstützung vieler Personen nicht denkbar. Mein Dank gilt an erster Stelle den Co-Autor*innen Rolf Schamberger, Ilka Volkmer, Susanne Hotop, Corinna Mailänder, Maruschka Güldner und Rainer Leenen für ihre Mitwirkung und die angenehme Zusammenarbeit. Ein besonderer Dank geht auch an die Feuerwehr Lemgo und ihren Leiter Klaus Wegener für das Zurverfügungstellen historischer Aufnahmen, die das Kapitel 1 illustrieren. Anne Pin danke ich für ihre tatkräftige Unterstützung bei der empirischen Studie zu feuerwehrspezifischen interkulturellen Kompetenzen, die in Kapitel 6 dargestellt ist. Diese Studie wäre ohne die Mitwirkung der 21 Angehörigen von Freiwilligen Feuerwehren in Hessen, die sich von ihr und von mir befragen ließen, nicht möglich gewesen. Vielen Dank für diese Mitwirkung!
Der Hessischen Landesfeuerwehrschule, dem Landesfeuerwehrverband Hessen sowie dem Hessisches Ministerium des Innern und für Sport danke ich für die vertrauensvolle und außergewöhnliche Kooperation der letzten Jahre, besonders für die Bereitschaft, gemeinsam mit mir Weiterbildungsangebote immer weiter zu optimieren. Meinen Kolleginnen und Kollegen vom Kölner Institut für interkulturelle Kompetenz e. V. gilt mein Dank für die fortlaufende Inspiration bei der Beschäftigung [13]mit interkulturellen Fragestellungen und ganz konkret für die Tipps und Hinweise bei der Endredaktion des Buches. Besonders gerührt hat mich das spontane Entgegenkommen von 20 Feuerwehrangehörigen, die sich bereit erklärt hatten, das Manuskript dieses Buches durchzusehen und mir Rückmeldung zu geben. Herzlichen Dank euch allen! Euch und all den anderen leidenschaftlichen Feuerwehrmännern und -frauen, die ich in den vergangenen Jahren kennenlernen durfte und die mein Verständnis der Feuerwehr vertieft haben, ist dieses Buch gewidmet.
Alexander Scheitza, April 2020
[14]1 Eine kurze Kulturgeschichte der deutschen Feuerwehr
Rolf Schamberger
1.1 Interkulturelle Wurzeln
Der 1818 in Heidelberg geborene Carl Metz gilt zu Recht als der führende Pionier in der Entwicklung des von Südwestdeutschland ausgehenden freiwilligen Feuerwehrwesens in Deutschland. Der in Mannheim ausgebildete Mechaniker kehrt nach Wanderjahren im französischen Elsass 1840 zurück in seine Heimat und beginnt seine berufliche Laufbahn als Werkführer in der seit 1838 bestehenden Betriebswerkstätte der Badischen Staatsbahn in Heidelberg (vgl. Feuerwehrverband BW (Hrsg.), 2018). Bereits zwei Jahre später gründet Metz in der Stadtmitte Heidelbergs seine eigene Fabrik, in der er bald auch kleinere Löschgeräte produziert. Die Spezialisierung auf Löschgeräte geschieht vermutlich aufgrund des Hamburger Brandes vom 5. bis zum 8. Mai 1842, einer Katastrophe, wie sie sich in deutschen Städten in diesem Umfang seit dem Dreißigjährigen Krieg nicht mehr ereignet hat. Der, ungeachtet einer vorhandenen Löschmannschaft, auswärtiger Hilfe und Sprengversuchen unter Artillerieeinsatz über Tage hinweg nicht eindämmbare Brand führt vor Augen, wie hoch und dringend der Reformbedarf hin zu einer effektiven Methodik der aktiven Brandbekämpfung ist. Heinrich Heine bringt es 1844 rückblickend in seinem Gedicht »Deutschland ein Wintermärchen« auf den Punkt:
»Baut eure Häuser wieder auf, Und trocknet eure Pfützen, Und schafft euch bessere Gesetze an, Und bessere Feuerspritzen!«
Der Weg von den städtischen Löschmannschaften, Rettungs- und Löschgesellschaften, oder wie sie sich auch immer nennen, hin zu einer effektiven Feuerwehr, die als Ausbildungs-, Ausrüstungs- und Organisationssystem in der Lage ist, dem überfallartig auftretenden Brand ebenso überfallartig entgegenzutreten, basiert in den deutschen Landen auf einem interkulturellen Transfer. Am 1. Juli 1810 endet der Ball anlässlich der Hochzeit des französischen Kaisers Napoleon Bonaparte mit der österreichischen Prinzessin Marie-Louise mit einem verheerenden Brand, dem über 20 Menschen zum Opfer fallen (manche Quellen sprechen von bis zu 90!). Dies schockiert Bonaparte derart, dass er das Pariser Pompier-Corps straff unter energi[15]scher Kommandoführung als vollständig militärische Formation reorganisiert. Carl Metz kopiert später nicht nur die technische Ausrüstung der Franzosen, sondern ebenso die Organisation der Brandbekämpfung. Gemeinsam mit dem Stadtbaumeister Christian Hengst aus Durlach formt er 1846 die älteste Feuerwehr Deutschlands: das Durlacher Pompier-Corps. Der französische Name Pompier-Corps weist augenscheinlich auf den Ideen- bzw. Impulsgeber hin (vgl. Schunck, 1996).
Der heute gebräuchliche Name »Feuerwehr« ist erstmals in der Karlsruher Zeitung No. 318 vom 19. November 1847 nachweisbar. Was ist geschehen? Am 28. Februar 1847 ist im Hoftheater in Karlsruhe ein verheerender Brand ausgebrochen, der