11. Ein guter Lehrer. Altes und Neues
Der Meister sprach: »Das Alte üben und das Neue kennen: dann kann man als Lehrer gelten.«
Vergleiche Matth. 13, 52: Darum gleicht ein Lehrer, der für das Himmelreich geschickt ist, einem Hausherrn, der aus seinem Schatze Altes und Neues hervorbringt.
12. Der Edle. I: Selbstzweck
Der Meister sprach: »Der Edle ist kein Gerät.«8
Es ist unvereinbar mit der Würde des höheren Menschen, sich als bloßes Werkzeug für die Zwecke andrer gebrauchen zu lassen. Er ist Selbstzweck.
13. Der Edle. II: Worte und Taten
Dsï Gung fragte nach dem (Wesen des) Edlen. Der Meister sprach: »Erst handeln und dann mit seinen Worten sich danach richten.«9
Als Dsï Gung den Meister fragte, welcher Zug am bezeichnendsten für einen vornehmen Charakter sei, antwortete dieser: daß einer seine Prinzipien erst selbst praktisch zur Ausführung bringt, bevor er sie lehrhaft entwickelt.
14. Der Edle. III: Universalität
Der Meister sprach: »Der Edle ist vollkommen und nicht engherzig. Der Gemeine ist engherzig und nicht vollkommen.«
Schon durch die Weite seines inneren Horizonts scheidet sich der vornehme Charakter von der Masse. Seine Interessen sind umfassend, aufs Ganze gerichtet, während die geistige Kapazität der Massenmenschen nicht über den engsten Partei- und Familienkreis hinausgeht.
15. Lernen und Denken (Begriff und Erfahrung)
Der Meister sprach: »Lernen und nicht denken ist nichtig. Denken und nicht lernen ist ermüdend.«10
Die von der Vergangenheit überkommenen Begriffe sich aneignen, ohne sie mit eignem Gedanken- und Erfahrungsinhalt zu füllen, führt zu totem Formalismus; umgekehrt hat es aber auch seine Gefahren, losgelöst von den gesicherten Resultaten der überlieferten Wissenschaft bloßen abstrakten Gedankengängen zu folgen.
16. Irrlehren
Der Meister sprach: »Irrlehren anzugreifen, das schadet nur.«
Die Wahrheit ist in sich übereinstimmend, während irreleitende Systeme notwendig an Inkonsequenzen kranken. Darum ist es am besten, man läßt derartige Systeme an ihren eignen Inkonsequenzen zugrunde gehen. Jede Polemik bringt nur Verwirrung und macht den Schaden größer.11
17. Das Wissen
Der Meister sprach: »Yu12, soll ich dich das Wissen lehren? Was man weiß, als Wissen gelten lassen, was man nicht weiß, als Nichtwissen gelten lassen: das ist Wissen.«
Der Meister rief den Schüler Dsï Lu, der etwas oberflächlich war, zu sich heran und sprach zu ihm: »Die Vorbedingung für alles wirkliche Wissen ist ein präzises Unterscheidungsvermögen für die Grenze zwischen dem, was man wirklich weiß, und dem, was man bloß meint. Das, was man weiß, als sichere Grundlage festzuhalten und das Übrige weiterer Forschung vorbehalten, das ist die Methode, um zu wirklichem klaren Wissen zu gelangen.«13
18. Wie man eine Lebensstellung erwirbt
Dsï Dschang wollte eine Lebensstellung erreichen. Der Meister sprach: »Viel hören, das Zweifelhafte beiseite lassen, vorsichtig das Übrige aussprechen, so macht man wenig Fehler. Viel sehen, das Gefährliche beiseite lassen, vorsichtig das Übrige tun, so hat man wenig zu bereuen. Im Reden wenig Fehler machen, im Tun wenig zu bereuen haben: darin liegt eine Lebensstellung.«
Der Schüler Dsï Dschang wollte lernen, auf welche Weise man sich eine gesicherte Lebensstellung verschaffen könne. Der Meister antwortete: »Um eine Stellung im Leben zu erreichen, dazu ist es notwendig, daß man sich einen reichen Wissensstoff erwirbt, das so gewonnene Material kritisch sichtet und taktvoll von den gesicherten Resultaten Gebrauch macht. Dadurch vermeidet man in seinen Worten Entgleisungen. Ebenso wichtig ist es, sich eine ausgebreitete Erfahrung der verschiedenen Möglichkeiten des Handelns zu verschaffen, Handlungen mit gefährlichen Konsequenzen zu vermeiden und im Übrigen mit Besonnenheit und Überlegung vorzugehen. Dadurch vermeidet man bei seinen Handlungen Übereilung. Wenn man im Reden von Taktlosigkeiten und im Handeln von Übereilungen sich fernzuhalten versteht, so ist einem sowohl eine Stellung im Leben als auch eine Lebensstellung sicher.«14
19. Fügsame Untertanen
Fürst Ai fragte und sprach: »Was ist zu tun, damit das Volk fügsam wird?« Meister Kung entgegnete und sprach: »Die Geraden erheben, daß sie auf die Verdrehten drücken15: so fügt sich das Volk. Die Verdrehten erheben, daß sie auf die Geraden drücken: so fügt sich das Volk nicht.«
Ai, der Landesfürst Kungs, fragte diesen, was zu tun sei, um das Volk fügsam zu machen. Kung erwiderte: »Wenn man aufrichtige und starke Charaktere in die maßgebenden Positionen bringt, daß sich auch die moralisch Minderwertigen ihnen beugen müssen, wird man Zustände schaffen, die die öffentliche Meinung befriedigen. Wenn man aber moralisch Minderwertigen Einfluß läßt, so daß die anständigen und geraden Menschen unter ihrem Druck existieren, erregt man notwendig den Unwillen der Bevölkerung.«
20. Das Beispiel der Herrschenden
Freiherr Gi Kang fragte: »Das Volk zur Ehrfurcht und Treue zu bringen durch Ermahnungen: Was ist davon zu halten?«
Der Meister sprach: »Sich (zum Volk) herablassen mit