Umgelegt in Chicago - Bluternte 1929: Kriminalroman. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Исторические детективы
Год издания: 0
isbn: 9783745202588
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hat erzählt, Sie seien ein guter Privatdetektiv.“

      „Ich nehme 25 Dollar am Tag plus Spesen. Wenn Sie das aufbringen können, mache ich fast alles für Sie.“

      „Gut zu wissen.“

      „Aber nur fast alles.“

      Ich dachte bei ihr an einen untreuen Ehemann, den es zu beschatten galt. Die Tatsache, dass die Kleine keinen Ehering trug, musste nichts heißen. Vielleicht hatte sie ihn vor lauter Wut schon versetzt. Eigentlich ein Job, den ich hasste wie die Pest. Aber nach der Schießerei in dem Diner sehnte ich mich geradezu nach einem langweiligen Job.

      Immerhin schreckte sie mein Preis nicht und das hielt ich schon einmal für ein gutes Omen. Aber wenn ich mir das edle Armband und die Perlenkette so ansah, dann war eigentlich auch nichts anderes zu erwarten gewesen.

      Doch im Hinblick auf die Art von Jessica Rampells Auftrag sollte ich mich ziemlich gründlich getäuscht haben.

      Sie blies mir ihren Rauch entgegen. Vielleicht hatte sie das im Kino gesehen und hielt es für weltläufig.

      „Clunky sagt, Sie würden ńe Menge Leute kennen!“

      „Wenn Clunky das sagt...“

      „Sie kommen doch viel herum, oder!“

      „Worauf wollen Sie eigentlich hinaus?“

      „Ich brauche jemanden, der einen unauffällig über den See nach Kanada bringen könnte. Die Alkoholschmuggler fahren doch diese Route...“

      „Ja, und es werden regelmäßig welche von ihnen geschnappt.“

      „Dann wäre es besser, wir hätten neue Papiere?“

      „Wir? Sie sind zu mehreren?“, hakte ich nach, bekam aber zunächst keine Antwort. „Wahrscheinlich wäre Ihnen eine Reise ohne Fragen und ohne Papiere am liebsten.“

      Sie nickte lächelnd.

      „Ja, so ähnlich“, gab sie zu.

      „Was haben Sie auf dem Kerbholz?“

      „Ja oder nein?“ Ihre Stimme hatte jetzt einen harten, metallischen Klang bekommen. Ihre grünblauen Augen erinnerten mich an die Augen einer Katze.

      „Ich kann mich ja mal für Sie umhören“, sagte ich vage.

      Sonderlich scharf war ich auf diesen Job nicht. Wenn schon die Klientin nicht genau weiß, was sie eigentlich will, gibt so etwas immer nur Komplikationen.

      „Da wäre ich Ihnen sehr dankbar, Mister Boulder.“

      „Wie kann ich Sie erreichen?“

      „Überhaupt nicht. Ich werde Sie in den nächsten Tagen anrufen.“

      Ich war etwas überrascht. Aber die Klientin ist Königin und es gab keinen Grund, sich auf ihre Bedingungen nicht einzulassen.

      „In Ordnung“, stimmte ich zu. „Ganz wie Sie wollen!“

      Ich langte in meine Brieftasche und gab ihr eine meiner Karten.

      Sie nahm sie an sich, warf einen kurzen Blick darauf und steckte sie dann in ihre Handtasche.

      „Bis wann wollen Sie denn verschwinden?“, fragte ich noch.

      „Spätestens Ende der Woche. Im Übrigen brauche ich zwei Plätze!“

      „Verstehe“, log ich. Ich witterte irgendeine Romeo- und Julia-Geschichte, aber davon wollte ich im Moment eigentlich nichts weiter hören.

      „Im Erfolgsfall bekommen Sie 100 Dollar zusätzlich!“, versprach sie mir. Dann holte sie ihre Brieftasche hervor und legte mir genau 25 Dollar auf den Tisch. „Und das ist dafür, dass Sie auch sofort damit anfangen, sich um meinen Fall zu kümmern!“

      Ich lächelte dünn. „Geld beflügelt meinen Einsatzeifer immer ungemein“, gab ich zu, sammelte die Scheine ein, während ich die Lucky Strike im rechten Mundwinkel aufglimmen ließ und steckte die Beute des heutigen Tages in die Jackettinnentasche.

      „Es ist wirklich dringend, Mister Boulder!“

      „Es hat mich gefreut, mit Ihnen Geschäfte zu machen, Ma’am!“, sagte ich.

      Sie erhob sich und so tat ich es ebenfalls.

      „Ich muss jetzt leider gehen“, erklärte sie und rauschte davon. Ich sah ihr noch ein paar Augenblicke nach, ehe sie sich in der Menge von Trinkern, die sich inzwischen in dem Speakeasy eingefunden hatte, verlor.

      Ich atmete tief durch und dachte : So endet dieser verdammte Tag ja doch noch einigermaßen erträglich!

      Wer hätte das für möglich gehalten?

      3

      Eine Woche verging, ohne dass sich Jessica Rampell bei mir meldete. Ich tat gerade so viel, wie es mir für 25 Dollar angemessen erschien und erkundigte mich nach Möglichkeiten, ohne Aufsehen über den See zu kommen.

      Ansonsten hatte ich in dieser Woche nicht viel zu tun. Die meiste Zeit über saß ich in meinem Büro, legte die Füße auf den Tisch, trank Bourbon und musste mir von meiner Sekretärin Kitty Meyerwitz Vorhaltungen darüber machen lassen, dass bald Ebbe in der Kasse wäre.

      „Trösten Sie sich, Kitty! Auf die Ebbe folgt unweigerlich die Flut“, sagte ich.

      Sie stemmte ihre schlanken Arme in die Hüften. „Sprechen Sie von einer Bourbon-Flut?“

      „Wo bleibt Ihr Optimismus?“

      „Den habe ich verloren, seit Joe tot ist und ich darauf angewiesen bin - wir darauf angewiesen sind! -, dass Sie die Fische an Land ziehen.“

      Sie spielte damit auf meinen erschossenen Partner Joe Bonadore an, dessen leerer Schreibtisch mich täglich daran erinnerte, dass der Job, den ich machte, nicht ganz ungefährlich war.

      Es regnete tagelang Bindfäden. Vielleicht war das der Grund dafür, dass sich einfach niemand in mein Büro verirrte. Nicht einmal die untreuen Ehemänner schienen bei dieser Witterung vor die Tür zu gehen. Es war wie verhext.

      Immerhin hatte ich ausführliche Gelegenheit dazu, die Chicago Tribune von der ersten bis zur letzten Seite zu lesen.

      Die Sache mit meinem erschossenen Klienten war einmal auf der dritten Seite. Dann gab es in den folgenden Ausgaben noch ein paar Nachberichte auf den Seiten 18 und 19. Hier in Chicago ist eine Schießerei, bei der es nur einen Toten gibt, keine große Sache.

      Die verletzten Angestellten des Diners wurden überhaupt nicht erwähnt. Mein Name allerdings leider schon. Na großartig!, dachte ich. Diese Werbung fehlte mir gerade noch.

      Es war Sonntag, als der Regen endlich nachließ. Ein kühler Wind fegte jetzt vom Lake Michigan her durch die Straßen.

      Ich verschlief den Großteil des Sonntags in meinem Ein- Zimmer-Apartment in der North Side. Die Nacht davor hatte ich in verschiedenen Speakeasys zugebracht. Mein Kopf drohte zu platzen.

      Am Nachmittag stand ich auf und versuchte mit Aspirin, einen klaren Kopf zu bekommen. Ich war gerade angezogen, da klopfte es heftig an der Tür.

      „Chicago