Fettnäpfchenführer Neuseeland. Rudi Hofer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rudi Hofer
Издательство: Bookwire
Серия: Fettnäpfchenführer
Жанр произведения: Книги о Путешествиях
Год издания: 0
isbn: 9783958892828
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Während der mitteleuropäischen Sommerzeit (circa April bis September) ist Neuseeland um 10 Stunden voraus (man rechne: MESZ +10). Von November bis März sind es sogar 12 Stunden (also MEZ +12). Und dann gibt es noch den Oktober als Übergangsmonat mit +11 Stunden.

      Neuseeland ist von Deutschland aus betrachtet das am weitesten entfernt liegende Reiseziel. Ein kurzer Blick auf den Globus zeigt, dass die beiden Länder geometrisch betrachtet tatsächlich diametral entgegengesetzt zueinander auf der Erdkugel liegen. Um die kürzestmögliche Strecke zu schaffen, müsste man – rein hypothetisch – eine Tunnelröhre zwischen Mitteleuropa und Neuseeland bohren, die durch das Geozentrum der Erde verläuft. Dann wären das allerdings immer noch stolze 12.735 Kilometer Distanz zwischen den Ländern. Aber Theorie und Praxis liegen auch hier, wie so oft, ein gutes Stück auseinander: »Außen herum« geht die Reise immerhin über eine Entfernung von beeindruckenden 18.300 Kilometern.

      Die letzten Worte kaum ausgesprochen, hatte Peter das Gefühl, selbst blass und müde auszusehen. Er rieb sich mit den Händen ein paar mal kräftig das Gesicht, dann klickte er auf den Button für die Kamera.

      »That’s right, mate! Und um dich noch ein bisschen mehr zu provozieren, darf ich dir außerdem sagen, dass ich mir aus L&P, Wodka, viel Eis und einer Zitronenscheibe einen Lazysummerlongdrink gemixt habe, um den du mich jetzt in aller Form beneiden darfst.«

      In diesem Moment erschien ein strahlend helles Bild auf Peters Monitor und er sah, wie Riqi ihm zuprostete. Das Bild war nicht besonders scharf, aber im Hintergrund waren eindeutig das Meer und die Vulkaninsel Rangitoto im gleißenden Sonnenlicht zu sehen.

       ERFRISCHUNG

      L&P steht für Lemon & Paeroa, ein süßes Limonadegetränk in braunen Flaschen mit gelbem Etikett. Es wurde in Neuseeland erfunden und auch hier produziert – um präzise zu sein: im Ort Paeroa auf der Nordinsel, von dem die Brause ihren Namen hat. Es überrascht wohl niemanden, wenn man anfügt, dass die Produktion der Limonade inzwischen längst vom Coca-Cola-Konzern übernommen wurde.

      Im Prinzip handelt es sich bei L&P um eine einfache Mischung aus Zitronensaft und Mineralwasser. Das Getränk gehört zu den typisch neuseeländischen Produkten (Kiwiana), auf die man in Neuseeland stolz ist. Der L&P-Werbeslogan »World famous in New Zealand« (Weltberühmt in Neuseeland) ist im Laufe der Jahre zum geflügelten Wort für alles Mögliche geworden.

      In manchen neuseeländischen Bars findet man auf der Getränkekarte eine Mischung aus L&P und Wodka, Whisky oder anderen Spirituosen.

      »Ich beneide dich vor allem um den Supersommer, den ihr Kiwis gerade habt. Sie bringen euren langen, trockenen Sommer sogar als Zusatzinfo im Wetterbericht, während sich bei uns der Winter zieht wie ein Kaugummi. Im Augenblick wäre hier wirklich eher ein Glühwein angebracht, aber was soll’s. Ich will dich ja nicht mit dem deutschen Winter langweilen, und Glühwein wirst du ja ohnehin nicht kennen.«

      Riqi ging auf Peters Wintergeschichte nicht ein, vielmehr wollte er allmählich auf ein wesentlich interessanteres Thema überleiten: »Oh bugger! Ich wollte dich natürlich nicht mit unserem blauen Himmel ärgern, an dem sich zur Zeit kaum einmal die berühmte lange, weiße Wolke zeigt. Aber warum reden wir überhaupt vom Wetter, Peter? Hast du eigentlich auf meiner Facebook-Seite die Berichte über meine letzten Auftritte gesehen?«

      »Na ja, ich sehe, dass du regelmäßig deine Gigs veröffentlichst, aber ich muss zugeben, nur ganz flüchtig drauf geschaut zu haben. Ich tauche höchstens einmal pro Woche in dieses soziale Netzwerk ein, und dann auch meistens nur ganz kurz. Aber ich danke dir für die interessanten Schnappschüsse von Takapuna Beach in deiner letzten E-Mail. So langsam wächst meine Lust, mir Neuseeland mal näher anzuschauen ...«

      »You’re more than welcome! Und damit sind wir schon direkt beim Grund meines Anrufes ...«

      Riqi Harawira ist 28 Jahre alt, lebt in Birkenhead an der North Shore von Auckland, verdient seinen Lebensunterhalt als Musiker, und er ist Maori.

       LAND IN SICHT

      Die Maori sind die Ureinwohner Neuseelands und haben das Land, das in ihrer Sprache Aotearoa heißt, vermutlich zwischen 800 und 1300 n. Chr. besiedelt. »Vermutlich« deshalb, weil es keine schriftlichen Aufzeichnungen ihrer Geschichte gibt. Nach der mündlichen Überlieferung sind die Maori demnach keine Eingeborenen im engeren Sinne, sondern haben Neuseeland, von ihrer Ur-Heimatinsel Hawaiki kommend, auf dem Wasserwege entdeckt, besiedelt und damit zum Einwanderungsland par excellence gemacht, das es bis heute tatsächlich auch geblieben ist. Die hellhäutigen Europäer (von den Maori »Pakeha« genannt) haben Neuseeland erst einige Jahrhunderte später erreicht – sie hatten schließlich auch eine wesentlich größere Distanz zu bewältigen.

      Apropos Ur-Heimat der Maori: Die interessante Frage, ob es das mythologische Hawaiki tatsächlich gibt und/oder welchen Namen die Insel heute trägt, ist weiterhin offen. Relativ klar scheint jedoch zu sein, dass die Wurzeln der Maori im Ost-Polynesischen Archipel, wahrscheinlich im Bereich der Cook Islands, zu suchen sind.

      Peter Obland hatte vor ein paar Jahren eine Veranstaltung in Frankfurt besucht, die den Titel Music of the World trug. Mehrere Bands und Solokünstler unterschiedlicher Nationalitäten traten dabei auf und gaben kleine musikalische Kostproben ihrer Länder und Kulturkreise. Darunter war auch ein Gitarrist und Sänger namens Riqi Harawira aus Neuseeland, der sich seinerzeit in Europa aufhielt, wo er seine OE (Overseas Experience, Auslandserfahrung) absolvierte.

      Peter fand Riqis Auftritt sehenswert und seinen Musikstil – an sich eine Mischung aus Pop, Soul und Funk – sehr hörenswert. Schon beim ersten persönlichen Kontakt nach dem Konzert fanden sie eine starke gemeinsame Wellenlänge und Riqi bezeichnete seinen neuen deutschen Bekannten von Anfang an als friend, dann als mate und bei einem späteren Treffen sogar als bro, was Peter als ziemlich große Ehre betrachtete. Sie haben danach einen lockeren, aber regelmäßigen Kontakt per E-Mail gehalten. In dieser Zeit hatte Peter zwei oder drei Flyer für Riqi entworfen, wodurch sich wiederum dieser sehr geehrt fühlte.

       BEKANNTSCHAFT

      Natürlich kann friend ohne Weiteres wörtlich als »Freund« ins Deutsche übersetzt werden. Wichtig ist dabei jedoch, dass mit friend im angelsächsischen Wortsinne zunächst kein ausgesprochen enger Freund gemeint ist, sondern kaum mehr als ein Bekannter oder eine Bekannte.

      Mate entspricht schon eher dem Freund im deutschen Sinne. Am besten jedoch versteht sich ein mate als Kumpel, Kamerad oder Partner.

      Bro kommt von brother (Bruder) und wird besonders von jüngeren Maori häufig in der Bedeutung von besonders nahem Freund und gutem Kumpel verwendet. Ursprünglich war bro die lockere Anrede für jemandem, der die gleichen ethnischen Wurzeln hat.

      Der Musiker Riqi Harawira ist kein Star nach deutschem Verständnis. Er ist eine lokale Berühmtheit an der North Shore und über die weitere Region von Auckland hinaus. Riqi ist durch mehrere, fast regelmäßige Auftritte im Maori TV bekannt geworden und vor allem bei der Maori-stämmigen Bevölkerung und besonders bei den jungen Frauen sehr beliebt – der ausgesprochen aktive Musiker stellt sowohl auf als auch vor und hinter der Bühne optisch etwas dar. Und er ist ein charmanter womaniser (Frauenliebling).

      Peter Obland wusste, dass sein guter Bekannter allerdings eher schlecht als recht von seiner Musik leben konnte, und es beeindruckte ihn daher, wie sorglos und lebensfroh der Künstler seinen Alltag meisterte – jedenfalls freute er sich, diesen interessanten Typen zu kennen, der sich selbst das Prädikat »The Duke of Funk« gegeben hat.

      »Jetzt wird’s ja richtig spannend«, sagte Peter in Riqis kleine Sprechpause hinein, »der Grund deines Anrufes interessiert mich wirklich sehr. Du wirst doch nicht etwa einen Top-Hit gelandet haben?«

      »Good point! – Da ist was dran! Das ist ein Argument! Tatsächlich darf ich sagen, dass mein Remake von Gutter Black recht gut läuft und meine Single