Essen als Medizin
Auch wenn es in diesem Restaurant nicht so erscheint, für die Chinesen ist die Nahrungsaufnahme mehr als nur satt werden. Abgesehen von dem geselligen Aspekt – die Chinesen essen gerne in großer und, wie erwähnt, lauter Runde – haben Lebensmittel in der chinesischen Philosophie eine viel wichtigere Bedeutung.
Die Chinesen sind davon überzeugt, mit den richtigen Zutaten nicht nur gesund zu leben, sondern auch Krankheiten vorbeugen und heilen zu können. Ich weiß, das ist nichts Neues. Jeder Arzt in Deutschland rät, viel Gemüse und Ballaststoffe zu sich zu nehmen, wo ist da der Unterschied? Bei den Chinesen kommt es jedoch nicht auf den Nährwert an, sondern es geht um die Balance.
Während wir uns gesund mit Salaten und fettarmen Speisen ernähren, schaut sich der Chinese erst einmal an, wie sein yīn und yáng beschaffen sind, jene Gegensätze wie hell und dunkel, männlich und weiblich, Wasser und Feuer, die es auszubalancieren gilt. Sind sie ausgeglichen, kann das qì, die Lebensenergie, fließen. Fehlt es an einem, stockt das ganze System, Blockaden entstehen und der Körper wird krank.
Fehlt dem Körper zum Beispiel yáng, das heißt, er ist zu kalt (weil man vielleicht zu viel Salat isst), dann helfen frittierte Speisen, die den Überschuss an yīn ausgleichen. Da geht sie hin, die Theorie, dass Pommes frites ungesund sind.
Aber bevor Sie jetzt die Fritteuse anwerfen, denken Sie bitte an das Gleichgewicht! Machen Sie sich lieber auch einen Gemüseteller dazu.
Es gibt lange Listen von Lebensmitteln und Gewürzen, die zwischen yīn, yáng und ›neutral‹ unterscheiden. Rohes Gemüse, Obst, Fisch und Joghurt sind yīn, die meisten Fleischsorten yáng. Reis und Brot sind neutral. Bei den Gewürzen gehört paradoxerweise Chili zum yīn, da es hilft, den Körper durch Schwitzen zu kühlen. Um die Verwirrung perfekt zu machen, werden auch die Zubereitungsmethoden unterschieden. Kochen und Dämpfen gehören zum yīn, Backen und Grillen zum yáng. Kurz anbraten mit wenig Öl ist neutral.
Was unserer Ansicht ein wenig näher kommt, ist die Tatsache, dass man bestimmte Lebensmittel in den einzelnen Jahreszeiten meiden beziehungsweise bevorzugen sollte. So macht es für uns sicherlich Sinn, wenn im Sommer yīn-Lebensmittel präferiert werden, z. B. in Form von kalten Vorspeisen.
Die yīn und yáng Energie wird zusätzlich noch von den fünf Geschmacksrichtungen (sauer, bitter, süß, scharf und salzig) beeinflusst. Diese stehen eng mit den fünf Elementen (Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser) und den fünf Jahreszeiten der Traditionellen Chinesischen Medizin (Frühling, Sommer, Spätsommer, Herbst und Winter) im Zusammenhang.
ÜBRIGENS
Die fünf Elemente finden sich auch im chinesischen Horoskop wieder, wodurch die Komplexität der chinesischen Philosophie und das Zusammenwirken von den einzelnen Komponenten deutlich werden. Alles vereint sich in der Lebensenergie, und das Wohlbefinden sowie der Charakter eines Menschen werden durch die Balance und die kosmischen Einflüsse bestimmt.
Sie können also problemlos die Energien Ihres Essens durch bestimmte Gewürze oder Zutaten verändern, abschwächen oder auch verstärken. Ich gebe zu, diese Art, sich gesund ernähren zu wollen, erfordert ein längeres Studium. Denn zu allem Übel besitzen die Lebensmittel auch noch eine Richtungsenergie, die sich entweder nach außen, innen, oben oder unten wendet. Zudem erleichtern beziehungsweise erschweren bestimmte Lebensmittel die Verdauung, auch dadurch können die erwähnten Blockaden entstehen.
Sind Sie erst einmal krank, gibt es aber eine Fülle von Rezepten, die Ihnen Anregungen für die passende Mahlzeit mit der idealen und auch in die richtige Richtung fließenden Energie geben. Im Fall von Durchfall zum Beispiel sollten Sie eine süße Speise mit hohem Fettgehalt essen. Deren Richtungsenergie ist nach oben und hält somit den Durchfall auf.
Es gibt viele Bücher mit chinesischen Kochanleitungen gegen alles, was dem Körper widerfahren kann: Erkältung, Hautausschlag, Masern, Ruhr oder gar Krebs.
Bevor Sie nun beim nächsten Husten zum altbewährten Hustensaft greifen, versuchen Sie es doch mal mit einem Schweineherz: Eine Stunde mit wenig Wasser und einem Teelöffel Salz sieden lassen und heiß essen. Zwei Stück am Tag sollten genügen.
Kein Chinese wird es Ihnen aber übel nehmen, wenn sie doch lieber den leckeren Sirup löffeln.
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CHĒ SHUǏ MǍ LÓNG3
LEBHAFTER VERKEHR
车水马龙
Peter ist beim Kleinen Li eingeladen. Bewaffnet mit seiner Adresse auf Chinesisch stellt er sich an die Straße und wartet auf ein Taxi. Es dauert auch gar nicht lange, da kommt schon eins angefahren. Peter hebt den Arm und winkt. Der Taxifahrer sieht ihn – und fährt vorbei. Verdutzt schaut Peter hinter ihm her. Aber viel Zeit zum Wundern bleibt ihm nicht, denn da kommen schon zwei neue. Er winkt, wird gesehen und ignoriert. Von beiden. Peter zieht die Augenbrauen hoch. Was soll das denn? Machen die alle Mittagspause?
Oder hat er einfach übersehen, dass in den Taxen schon Fahrgäste waren? Peter hebt unermüdlich den Arm bei jedem Taxi, das sich nähert. Und wirklich jedes fährt an ihm vorbei. Keines hält an. Es ist immer das Gleiche: Der Taxifahrer schaut und fährt ungerührt weiter. Ob die Stelle, an der er steht, nicht gut zum Halten ist? Er geht ein paar Meter in Fahrtrichtung und positioniert sich an einer Einfahrt. Der gewünschte Erfolg stellt sich nicht ein. Noch immer lassen die Taxifahrer ihn links liegen.
Peter schaut sich Hilfe suchend um. Woran liegt es, dass ihn keiner mitnehmen will? Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu! Am besten ruft er den Kleinen Li an! Dann sieht er aber ein junges Pärchen, das ihm entgegen kommt. Vielleicht sollte er einfach die beiden fragen?
Nachdem er sein Dilemma mit einfachen Worten geschildert hat, nicken sie auch wissend: »Es ist ganz einfach, du musst ein Taxi rufen«, sagt der Mann.
»Die meisten Taxen, die vorbeikommen, sind bestellt«, ergänzt seine Frau.
Oje, Peter hat gar keine Telefonnummer von einem Taxiunternehmen. Die muss er erst einmal heraussuchen und dann auch noch am Telefon auf Chinesisch erklären, wo er steht. Das geht doch voll nach hinten los!
»Du brauchst keine Telefonnummer, du kannst das mit deiner Navigations-App oder einer Taxi-App machen.«
ÜBRIGENS
Im Gegensatz zu früher, als die Taxidichte um einiges höher war und sich die Fahrer um die Fahrgäste fast prügelten, hat man nun in Peking eher selten Erfolg, wenn man einfach so am Straßenrand steht und winkt. Die meisten Taxifahrer sind in einer Zentrale registriert und damit über eine App zu buchen. Viele schwören auf das Unternehmen DiDi Chuxing, die chinesische Variante von Uber. Es gibt aber verschiedene Taxiunternehmen, die auch ihre eigenen Apps haben. Wer sich in China mit Taxifahren noch ein paar yuán dazuverdienen möchte, muss sich jedoch nicht bei einem dieser Unternehmen anstellen lassen, sondern darf auch freiberuflich durch die Straßen juckeln. Man muss lediglich einen Qualifikationstest bestehen und in der Zentrale registriert sein.
Dieses übergeordnete Taxiamt hat für die Fahrgäste einige Vorteile. Unkundige mussten früher immer damit rechnen, dass ein Taxifahrer Umwege fährt, um mehr Geld einzunehmen. Alle registrierten Taxis sind nun aber mit GPS ausgestattet. Ihre Routen sind nicht nur live, sondern auch später noch nachvollziehbar. Beschwert sich also ein Kunde, er sei durch einen Umweg übers Ohr gehauen worden, kann anhand der Taxinummer zurückverfolgt werden, wo das Taxi langgefahren ist. Natürlich gibt es schwarze Schafe, die mit ihren eigenen Autos, lackiert in Taxifarben, diesem System ein Schnippchen schlagen und munter die Fahrgäste ausnehmen wie