»Hei. Går det bra? Endelig vår, da er det på tide å komme seg ut, ikke sant«, ruft Henrik hinüber. »Hallo. Geht es gut? Endlich Frühling. Es wird höchste Zeit hinauszukommen, nicht wahr?!«
Der ältere Herr lächelt zurückhaltend und hebt die Hand zum Gruß. »Ja da, det blir fint«, antwortet er und verschwindet dann wieder unter Deck. »Ja, das wird wirklich gut.«
Irgendwie kommt Stefan der Mann bekannt vor. Wo hat er dieses Gesicht schon einmal gesehen?
»Wer war das denn?«, fragt er dann auch gleich neugierig nach.
»Der König«, antwortet Henrik gelassen.
Wow, das ist doch wirklich mal was Tolles. Ein waschechter König in unmittelbarer Nähe. Jetzt fallen Stefan auch die Männer auf, die scheinbar unbeteiligt am Kai stehen. Das ist bestimmt Polizei in Zivil. Das muss er unbedingt seiner Schwester zu Hause erzählen, die wird Augen machen … Henrik muss wirklich ein hohes Tier sein, wenn er seinen Liegeplatz so nah am König haben darf. (Henrik ist Abteilungsleiter bei einer Bank, kein wirklich »hohes Tier« also. Da die norwegische Königsfamilie sich aber sehr volksnah gibt und so etwas wie abgeschlossene oder VIP-Bereiche fast nirgendwo in Norwegen vorkommen, gibt es drei Faktoren, die einem einen Liegeplatz neben dem Boot des Königs ermöglichen: Man hat den Bootsplatz geerbt, man steckt sein ganzes Erspartes in sein Segelhobby oder man hat so viel Geld, dass man sich den teuren Liegeplatz ohne Weiteres leisten kann. Der Preis hat dabei weniger mit dem gekrönten Nachbarn als mit dem exklusiven Standort am Oslofjord zu tun. Henriks Familie stammt aus dem Osloer Westen, der Liegeplatz ist demnach geerbt.) Stefan will sich unbedingt ein Autogramm vom König geben lassen, und nur mit viel Mühe kann Henrik ihn davon abbringen, einfach auf das Nachbarboot zu steigen und den König anzusprechen.
»Warte, bis wir zu Hause sind«, versucht Henrik ihn von seinem Vorhaben abzulenken. »Da kann dir Cecilie ihr Schulalbum zeigen. Sie ist nämlich mit Prinzessin Märtha Louise in die Schule gegangen. Die kann dir noch ganz andere Geschichten erzählen.«
Schleudergefahr
Schön durchatmen, kein Grund zur Aufregung. In einem Land mit rund 5,3 Millionen Einwohnern und einer Monarchie bleibt man von dem einen oder anderen königlichen Erlebnis nicht verschont. Jeder Norweger, ob oben im hohen Norden oder unten in der Hauptstadt, hat seine eigene Meinung zur Königsfamilie. Die einen würden gerne darauf verzichten und am liebsten eher heute als morgen Norwegen als Republik ausrufen, die anderen schämen sich für eine Kronprinzessin mit bürgerlichem Ursprung und Drogenvergangenheit und für eine Prinzessin, die mit Engeln im Bunde steht. Wieder andere finden das alles einfach nur schick.
Mette-Marits Akzeptanz in der Öffentlichkeit hat sich nach ihrer Heirat mit Kronprinz Haakon 2001 und der Geburt des königlichen Nachwuchses Ingrid Alexandra (2004) und Sverre Magnus (2005) vor allem in der jüngeren Generation gebessert. Mit dazu beigetragen hat auch, dass Mette-Marit absolut nicht die Skandalnudel im Königshaus geworden ist, die so viele befürchtet hatten.
2007 eröffnete Märtha Louise, die nach ihrer Heirat mit dem Skandalautor Ari Behn ihren Status als Königliche Hoheit eingebüßt hatte, eine engleskole, eine Schule, in der man lernt, in Kontakt mit Engeln zu treten.
Die Königstreue nimmt ulkigerweise von Süden nach Norden zunehmend ab, sodass sich der Fischer auf den Lofoten eher fragt: »Was kümmert mich der König? Der ist weit genug weg.« Aber stolz sind sie alle ein bisschen, ist doch die Monarchie Ausdruck ihre Unabhängigkeit. Dabei ist die Königsfamilie stets bemüht, volksnah (folkelig), naturverbunden und jovial zu erscheinen. Auch hier ganz im Sinne des Janteloven. Dennoch würden die meisten Norweger nicht ohne Weiteres auf die Idee kommen, die Existenzberechtigung des Königshauses anzuzweifeln, auch wenn deren Ursprung nicht in Norwegen, sondern in Dänemark und England liegt und der Anteil an Bürgerlichen durch Königin Sonja und Kronprinzessin Mette-Marit bei immerhin 50 Prozent liegt. Diskussionen mit Norwegern zu diesem Thema sind unweigerlich zum Scheitern verurteilt.
Was man trotz Volksnähe und Unmittelbarkeit niemals machen würde, ist, der Königsfamilie gegenüber aufdringlich zu werden, um Autogramme zu bitten oder sie in ein Gespräch zu verwickeln. Sollten Sie aus dem einen oder anderen Grund in die Verlegenheit kommen, den König anzusprechen, dann bleiben Sie am besten in der dritten Person Hans (Hennes) Kongelige Høyhet (Ihre Königliche Hoheit in männlicher und weiblicher Form). Sie glauben nicht, dass Sie in die Gefahr kommen, jemals auf die norwegische Königsfamilie zu treffen? Sagen Sie das nicht … Sie brauchen nur ein wenig die Gewohnheiten der einzelnen Mitglieder der Königsfamilie zu kennen, und schon ist eine Begegnung nicht mehr unwahrscheinlich. Der König ist im Sommer auch noch in seinem hohen Alter auf den größten Segelregatten Europas anzutreffen, die Königin kauft ihr Brot am liebsten in einer kleinen Bäckerei hinter dem Schloss (Åpent Bakeri). Märtha Louise lebt seit der Scheidung von Ari Behn im Jahre 2017 mit ihren drei Töchtern alleine auf einem Hof in Lommedalen. Die Kronprinzessin Mette-Marit ist Schirmherrin vom norwegischen Design- und Modeverband und nimmt regelmäßig an Modeevents in Oslo teil.
Ob Sie nun an ein Treffen glauben oder nicht, interessieren wird Sie vielleicht, dass es in Norwegen außer der Königsfamilie keine weiteren Adligen im Land gibt, da der Adelsstand 1821 abgeschafft wurde. Der einzige »Adel«, der in Norwegen neben dem Königshaus noch existiert, ist der sogenannte nikkersadel. Das Wort setzt sich zusammen aus den Begriffen Knickerbocker (nikkers) und Adel und bezeichnet eine vom Aussterben bedrohte bürgerliche Elite, die sommers wie winters ihre Freizeit beim Wandern und Skifahren verbracht hat. Die heutigen Vertreter des nikkersadel sind ältere Herrschaften, meistens Männer.
Wie geht ein Land, in dem alle gleich sind, ansonsten mit seinen Obrigkeiten, Staatsgewalten und anderen Amtspersonen um? Es wird Sie vielleicht nicht wundern, dass man den Staatsminister ebenso duzt wie den obersten Richter am Høyesterett (Obersten Gerichtshof). Amtsbezeichnungen sind sparsam gestreut und werden nicht bei allen Gelegenheiten eingesetzt. Abgesehen von Ärzten, die in Norwegen oft keinen Doktortitel haben. Bei ihnen wird der Doktortitel bei der Anrede und zur Berufsbezeichnung ergänzt, egal, ob die betreffende Person den Titel nun innehat oder nicht. Selbstverständlich wird auch der Arzt geduzt.
Tempo drosseln!
Abschließend wollen wir noch einen kurzen Blick auf die Exekutive werfen. Die Polizei wird in Norwegen in politi und lensmann eingeteilt, wobei Letztere eher kleinere Polizeidistrikte betreut. Die Polizeiautos (meistens VW Passat) sind weiß und haben einen roten und einen blauen Streifen an der Seite. Ihre Sirenen hören sich an wie die aus amerikanischen TV-Serien. Die Uniform der Polizisten besteht aus einer schwarzen Hose mit blauem Hemd. Norwegische Polizisten sind in der Regel unbewaffnet, was bei ihren internationalen Kollegen Stoff für Diskussionen und Lust zur Nachahmung hervorgerufen hat. Für EU-Bürger ist die Polizei zuständig für das Erteilen von Aufenthaltsgenehmigungen. Wenn schon nicht mit dem Königshaus, dann werden vor allem Raser früher oder später die Bekanntschaft mit einem Polizisten machen, wenn der sie in einer Verkehrskontrolle stoppt. Dann kann es teuer werden.
Verkehrsdelikte sind in Norwegen wirklich keine Bagatellen und können im schlimmsten Fall sogar mit Gefängnis bestraft werden. Fährt man in einer 60er-Zone 15 km/h zu schnell, kostet das schon umgerechnet 370 Euro. Die Promillegrenze liegt in Norwegen bei 0,2. Wird man mit 0,5 Promille bei zu schnellem Fahren erwischt, drohen 1½ Monatslöhne Strafe (selten weniger als 1.200 Euro), Gefängnis