Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ricarda Huch
Издательство: Bookwire
Серия: Sachbücher bei Null Papier
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783962818555
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die Ge­gen­par­tei bloß­ge­stellt und neue schwie­ri­ge Kno­ten ge­schürzt. In al­len Punk­ten ver­moch­te sich Ja­ko­be gut oder ge­nug­sam zu ver­tei­di­gen. Sie gab zu, al­ler­lei Mit­tel zur Hei­lung des Her­zogs ver­sucht zu ha­ben, so habe sie Zet­tel mit Sprü­chen in sein Wams ein­ge­näht, um Zau­ber und schäd­li­chen Ein­fluss von ihm fern­zu­hal­ten; aber die Ge­gen­par­tei, na­ment­lich Si­byl­le, hät­te der­glei­chen als et­was Üb­li­ches auch vor­ge­nom­men. Dok­tor So­len­an­der gab das Ur­teil ab, sol­che Mit­tel sei­en zwar aber­gläu­bisch und könn­ten Krank­hei­ten nicht über­win­den, eben­so­we­nig je­doch sie her­vor­ru­fen oder stei­gern. Dass sie Ehe­bruch be­gan­gen habe, be­stritt sie, wenn sie auch zu­ge­stand, dass ein ge­wis­ser jun­ger Edel­mann ihr gern und häu­fig auf­ge­war­tet habe. Der freund­li­che Um­gang mit ihm, sag­te sie, kön­ne ihr nicht als Sün­de an­ge­rech­net wer­den, da sie so ein­sam und freund­los, ei­ner Wit­we gleich, ge­lebt habe. Am we­nigs­ten ließ sich mit dem Ver­dacht der Ket­ze­rei aus­rich­ten, da sie die An­for­de­run­gen der pro­tes­tan­ti­schen Stän­de nie­mals wirk­lich be­wil­ligt hat­te und vie­le Zeu­gen aus­sag­ten, wie flei­ßig sie nicht nur stets die Mes­se be­sucht, son­dern auch die An­dacht in ih­rem Ge­mach ver­rich­tet hat­te. Als man ihr vor­warf, dass in dem fürst­li­chen Trau­er­hau­se, wo Gott, sei es zur Stra­fe oder zur War­nung, die Lich­ter aus­ge­bla­sen habe, so­dass die Be­woh­ner, vor­an Si­byl­le, in ei­nem La­by­rinth von Trüb­sal, Furcht und Grau­en um­her­ge­irrt wä­ren, man sie al­lein, Ja­ko­ben, al­le­zeit gu­ter Din­ge und zu Spä­ßen auf­ge­legt ge­se­hen habe, reck­te sie sich ein we­nig und sag­te, man habe sie in ih­rer Kind­heit ge­lehrt, es sei fürst­li­che Pf­licht und Tu­gend, den Kum­mer in sich zu ver­zeh­ren und den Un­ter­ta­nen ein hel­les Ant­litz zu zei­gen, wie die Son­ne von Gott be­stellt sei, der Erde Licht und Wär­me zu ge­ben, de­ren sie be­dür­fe und von sich aus nicht mäch­tig sei.

      Dem Land­gra­fen von Leuch­ten­berg hät­te in frü­he­rer Zeit Ja­ko­be bes­ser an­ge­stan­den als ihre we­ni­ger schö­ne Schwes­ter, und er hat­te ihr eine ge­wis­se An­häng­lich­keit be­wahrt, ob­wohl sie nun bald vier­zig Jah­re alt war und die Zau­be­rei der Ju­gend nicht mehr aus­strahl­te. Da­ne­ben war es ihm ban­ge, die ge­walt­tä­ti­gen und räu­be­ri­schen Räte möch­ten sich des Ju­we­len­schat­zes der Ja­ko­be be­mäch­ti­gen, der nicht un­be­trächt­lich war und der, da sie kei­ne Kin­der hat­te, nach sei­ner Mei­nung ihm zu­fal­len muss­te, wenn sie etwa stür­be. In An­be­tracht ih­rer be­denk­li­chen, un­frei­en Lage hät­te er es an­ge­zeigt ge­fun­den, dass sie ihm die Kost­bar­kei­ten gleich jetzt in Ver­wah­rung gäbe, und such­te eine Ge­le­gen­heit, die Über­ga­be heim­lich zu be­werk­stel­li­gen. Der Land­graf konn­te die­sen Zu­schuss gut ge­brau­chen, denn er wa­te­te bis zum Hal­se in Schul­den und war oft nahe am Er­trin­ken. In­des­sen da er von Na­tur mun­ter und um­gäng­lich und dazu meis­tens be­trun­ken war, er­drück­te ihn die Sor­ge nicht, wenn er nur so viel auf­trieb, um das Le­ben in sei­ner Art wei­ter­zu­fris­ten. Sein ge­müt­li­ches We­sen mach­te ihn ge­eig­net, zwi­schen den strei­ten­den Par­tei­en im Rei­che zu ver­mit­teln, und so reis­te er im Auf­tra­ge des Kai­sers an den Hö­fen um­her und er­füll­te fröh­lich sei­ne Pf­licht, in­dem er bei vol­lem Hum­pen den ha­dern­den Fürs­ten güt­lich zu­re­de­te.

      Es war Mai, als der Land­graf mit sei­ner Frau in Düs­sel­dorf an­kam und zu sei­ner Schwä­ge­rin in das Schloss ge­las­sen zu wer­den be­gehr­te. Die Wa­chen je­doch ga­ben ihm zu ver­ste­hen, dass das nicht an­ge­he, und trotz sei­ner Pro­tes­te muss­te er am Ende zu­frie­den sein, in ei­nem Wirts­hau­se vor der Stadt Quar­tier zu neh­men. Un­ter der Hand be­nach­rich­tig­te er die ge­fan­ge­ne Her­zo­gin, dass er da sei und nachts in ei­nem Boo­te vor ihr Fens­ter fah­ren und ver­su­chen wol­le, sich von dort­her mit ihr zu be­spre­chen. Ja­ko­be, wel­che we­nig Un­ter­hal­tung hat­te, harr­te wil­lig vom Ein­bruch der Dun­kel­heit an im Fens­ter und ver­trieb sich die Zeit mit bun­ten Erin­ne­run­gen aus ih­rer schö­nen Ju­gend. End­lich weck­te sie ein Gluck­sen und Rie­seln des Was­sers aus ih­ren Träu­men, wor­auf sie bald die Um­ris­se ei­nes nä­her glei­ten­den Na­chens wahr­nahm und das Zei­chen ei­nes we­hen­den Tüch­leins, das ihre Schwes­ter be­weg­te, eben­so er­wi­der­te. Freu­dig er­kann­te sie den di­cken Land­gra­fen und ihre zier­li­che Schwes­ter, brei­te­te die Arme aus, lä­chel­te, dank­te und er­zähl­te flüs­ternd, sie sei wohl­auf, es feh­le ihr so­weit an nichts, sie habe eine be­schei­de­ne Frau zur Be­die­nung, er­hal­te gut und reich­lich zu es­sen, auch Wein zu trin­ken, frei­lich sei sie der Ge­fan­gen­schaft müde, der Land­graf sol­le doch auf eine Zu­sam­men­kunft drin­gen; wenn sie sei­nen Ernst sä­hen, wür­den sie nicht wa­gen, ihm dau­ernd zu­wi­der zu sein.

      Sie sol­le nur ge­trost sein und ihm ver­trau­en, er­wi­der­te der Land­graf, je­der­mann wis­se, dass er ein be­son­ders Ver­trau­ter des Kai­sers sei; wenn es nicht an­ders gehe, wer­de er stracks nach Prag rei­sen und sich stren­ge Be­feh­le vom Kai­ser selbst ho­len, die ihm schon den Weg zu ihr bah­nen wür­den. In­zwi­schen sol­le sie auf der Hut sein und sich de­mü­tig und füg­sam an­stel­len; denn wenn ein Lamm von ei­nem grim­mi­gen Hun­de be­wacht wer­de, dür­fe es ihm kei­nen Vor­wand oder An­lass ge­ben, es zu zer­rei­ßen. Ja­ko­be schüt­tel­te la­chend den Kopf und sag­te, sie sei nicht als ein Lamm, son­dern als eine Fürs­tin ge­bo­ren.

      Lan­ge wag­ten sie die Un­ter­re­dung nicht fort­zu­füh­ren, und mit nas­sen Au­gen sah Ja­ko­be das win­zi­ge Fahr­zeug ver­schwin­den, um das her­um der brei­te Fluss roll­te und der hohe Him­mel flu­te­te und dem der Mond als eine Fa­ckel vor­an­schweb­te.

      Der Land­graf mach­te sein Wort wahr und fuhr schleu­nig nach Prag, wo er zu­nächst durch­setz­te, dass das End­ur­teil des Pro­zes­ses bis auf wei­te­res ver­scho­ben wur­de. Wie er dies nun aber dem Kur­fürs­ten von Köln mit­teil­te, mein­te die­ser, be­denk­lich sei­ne große höcke­ri­ge Nase rei­bend, da­mit sei mehr ge­scha­det als ge­won­nen; denn nun wür­de Schen­kern dar­an ver­zwei­feln, mit dem Pro­zess sein Ziel zu er­rei­chen, und wür­de auf an­de­re Mit­tel den­ken, de­nen nie­mand be­geg­nen kön­ne. Er habe kürz­lich ver­nom­men, füg­te er hin­zu, dass Schen­kern einen be­rühm­ten Arzt aus Eng­land habe kom­men las­sen, um den Her­zog zu hei­len, der so schwach im Kop­fe sei wie je, mit dem er aber si­cher­lich et­was vor­ha­be, sei es, dass er ihn ver­hei­ra­ten oder dass er nur be­wei­sen wol­le, wie ge­sund er sei, seit ihn Ja­ko­be nicht mehr ver­zau­bern kön­ne. Es sei zu fürch­ten, dass die Her­zo­gin in den Hän­den der Räte nicht mehr si­cher sei, und es hand­le sich dar­um, ih­nen das Op­fer zu ent­rei­ßen.