Gilliams Augen funkelten. Sie richteten sich auf Bradon, und es war schwer zu sagen, welches davon das künstliche war. Dann hob Sergeant Gilliam die Schultern. Eine Strähne weißblonden Haares hing in seiner Stirn. Irgendwie wirkte Gilliam geheimnisvoll.
»Reden Sie immer so viel?«, erkundigte sich Bradon sarkastisch.
Gilliam lächelte ohne Wärme. Er bewegte sich kaum merklich auf seinem Sitz, aber diese Bewegung wirkte so konzentriert, dass sie Bradon wie eine Drohung erschien.
»Er ist noch ziemlich jung, Whip«, sagte Redhorse in diesem Augenblick.
»Ja«, bestätigte Gilliam verdrossen. »Das spürt man.«
Bradon errötete und sank in seinen Sitz zurück. Innerhalb des Kommandoraumes war eine fühlbare Spannung entstanden, die sich erst mit dem Aufklingen von Surfats Stimme wieder auflöste.
»Ich erinnere mich an ein ähnliches Unternehmen im Plejaden-Gürtel«, sagte der dicke Korporal. »Ich war allein in einem Shift eingeschlossen und musste mich gegen hundert meuternde Eingeborene verteidigen.« Er schloss die Augen und schnippte mit den Fingern. »Da kam es darauf an, die Ruhe zu bewahren.«
»Was ist passiert?«, fragte Doutreval höflich.
Brazos Surfat richtete sich auf und begann mit den Armen zu fuchteln. »Ich ging in die Schleuse«, berichtete er mit hallender Stimme. »Als sie mich erblickten ...«
»Bekamen sie einen Lachanfall und lachten sich zu Tode«, mischte sich Redhorse ein. »Brazos, hören Sie auf, uns Ihre Lügengeschichten zu erzählen. Ihr einziger Kampf im Plejaden-Gürtel fand in der Kantine eines Flottentenders statt, als Sie mit dem Koch um eine zusätzliche Mahlzeit rangen.«
Surfat ließ sich beleidigt zurücksinken.
»Ganz ungefährlich war das schließlich auch nicht«, sagte Bradon. »Die Köche auf Flottentendern sind wilde Kerle. Sie tragen Tranchiermesser und Knochenbeile mit sich herum.«
»Und Brotschneidemaschinen«, fügte Doutreval mit ernster Miene hinzu.
»Ich hege für Sie alle freundschaftliche Gefühle«, erklärte Surfat würdevoll. »Setzen Sie diese Freundschaft nicht aufs Spiel. Eines Tages, wenn der eine oder andere von Ihnen in einen Kampf verwickelt ist, wird er froh sein, wenn der gute Brazos Surfat ihm zu Hilfe eilt.«
»Das wird ein historischer Moment«, sagte Bradon begeistert. »Wer könnte von sich behaupten, Korporal Brazos Surfat jemals in Eile gesehen zu haben?«
Surfat zog es vor zu schweigen. Redhorse kontrollierte die Steuerautomatik und wandte sich an Doutreval.
»Können Sie die Peilung halten, Olivier?«
Der schwarzhaarige Funker nickte. »Natürlich, Sir. Die Überlagerungen werden zwar stärker, aber die markanten Impulse kommen immer wieder durch. Allerdings hätten wir die neun Schockbasen nie gefunden, wenn wir Andro-Beta nicht verlassen hätten.«
So betrachtet, war ihre Flucht aus dem System von Alurins Stern doch zu etwas gut gewesen, überlegte Redhorse. Von Arctis aus hätten sie niemals jenen Hypersender orten können, der die Mobys aktiviert hatte. Jetzt besaßen sie immerhin eine geringe Chance, die Station zu entdecken.
Jede der neun Space-Jets flog einen bestimmten Punkt an. Redhorse hoffte, dass alle Diskusschiffe ihr Ziel erreichten. Einer der neun Sender musste der richtige sein. Welcher, das würde sich nur durch genaueste Messungen herausfinden lassen.
»Es ist möglich, dass alle neun Stationen bewacht werden«, sagte der Captain. »Wir müssen also bei der Annäherung vorsichtig sein.«
»Vielleicht haben die Meister der Insel nur den Hauptsender abgesichert«, vermutete Doutreval. »Dann müsste also nur die Jet einen Angriff befürchten, die die richtige Station findet.«
Obwohl die Aussichten der Besatzung der SJ-4C, die getarnte Sendestation zu finden, nicht größer waren als die der anderen Mannschaften, machte sich Redhorse mit dem Gedanken vertraut, dass sie die Hyperanlage entdecken würden. Es war immer gut, auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein.
Redhorse bedauerte, dass Rhodan nicht gestattet hatte, nähere Untersuchungen durchzuführen. Die Kommandanten der Jets hatten nur den Auftrag, den genauen Standort des Senders festzustellen.
Redhorse umklammerte die Steuerung und schaltete die Automatik aus. Er musste sich mit irgend etwas beschäftigen, denn seine Gedanken begannen in gefährlichen Bahnen zu verlaufen.
Befehl war Befehl, dachte Redhorse. Sie würden sich daran halten, auch wenn das Ziel, das sie anflogen, noch so verlockend sein sollte.
Redhorse konnte nicht ahnen, wie groß die Lockung sein würde – und wie ausgeprägt die Bereitschaft seiner Begleiter, ihr nachzugeben.
2.
Die SJ-4C glitt in das normale Raum-Zeit-Kontinuum zurück. Das Diskusschiff war bereits in den Sternennebel von Andro-Beta eingedrungen. Redhorse beugte sich auf seinem Sitz nach vorn. Auf den Ortungsgeräten erschienen zahlreiche bewegliche Impulse, die entweder von Mobys oder von Schiffen der Blaurüssel kamen. Sie waren jedoch alle zu weit entfernt, um der Jet gefährlich werden zu können. Der Lärm, der aus den Empfängern der Hyperfunkanlage drang, ließ Redhorse bezweifeln, dass es Doutreval gelingen würde, die Peilung ihres Zieles zu halten. Er blickte zu Doutreval hinüber. Der Funker machte einen angespannten Eindruck, doch er winkte Redhorse zu, zum Zeichen, dass sie den Peilimpuls noch nicht verloren hatten.
»Fremdobjekte von rechts, Sir!«, rief Whip Gilliam, der die Raumortung beobachtete.
Redhorse fuhr herum. Ein glitzernder Punkt huschte über die Bildschirme. Redhorse sah, dass das Ding rasch näher kam.
»Wahrscheinlich ein Moby«, sagte er ruhig. Er beschleunigte die Jet und jagte sie in den Linearraum zurück. Die Bildschirme wurden dunkel.
»Zielgebiet weiterhin angepeilt!«, gab Doutreval bekannt.
Olivier Doutreval kannte bis auf Whip Gilliam jeden der Männer, die mit ihm in die SJ-4C gekommen waren. Surfat war ein Original, das innerhalb des Flaggschiffes gut bekannt war. Auch Bradon war eine markante Persönlichkeit geworden, seit man ihn Major Bernard unterstellt hatte. Am besten kannte Doutreval Captain Redhorse. Doutreval war bei den Männern gewesen, die zusammen mit Redhorse einen Shift durch eine Eiszone im Innern des Planeten Horror gezogen hatten. Solche Erlebnisse konnten Männer aneinander binden.
Doutreval war achtunddreißig Jahre alt, und er hätte längst Cheffunker sein können, wenn er die Offizierslaufbahn eingeschlagen hätte. Er wusste jedoch, dass er nie von anderen das fordern konnte, was er selbst nicht in vollem Maße zu geben bereit war: Disziplin.
Olivier Doutreval war ein Mann ohne Vorurteile; er besaß zu viel Phantasie, um sein Denken ausschließlich Dingen zu widmen, die im Handbuch der Solaren Flotte niedergeschrieben waren.
Natürlich gab es Offiziere, die Doutreval glichen – Redhorse, zum Beispiel. Doch der Captain war ein Indianer; ein Mann, der nötigenfalls seine wahren Gedanken hinter der Maske eines unbewegten Gesichts verbergen konnte. Das war für Doutreval nicht möglich. Das Herz des Funkers lag auf der Zunge, wie man ihm nachsagte.
Doutreval nahm eine Feineinstellung an den Empfängern des Hyperfunkgerätes vor und lehnte sich dann aufatmend zurück. Die Gefahr, dass die Peilimpulse verlorengingen, war jetzt vorüber.
Unauffällig blickte der Funker zu Surfat hinüber. Äußerlich war dieser Surfat nur ein dicker, schlampig aussehender und schwitzender Korporal, der seine Angst vor der fremden Umgebung des Weltraums ständig in einer Flut von Worten zu ertränken suchte. Brazos Surfat war mindestens zehnmal Sergeant gewesen, und genauso oft hatte man ihn wieder degradiert.
Und doch war Brazos Surfat ein zuverlässiger Mann. Ebenso wie Chard Bradon, der Tag für Tag mit den Eigenheiten Major Bernards zu kämpfen hatte. Er war noch ziemlich jung, dieser Bradon, überlegte Doutreval und versuchte sich an seine eigene Jugend zu erinnern, die unglaublich weit in der